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InterviewIllustratorin und Designerin: Die „strahlenden Hände“ der Jessica Frascht

Interview / Illustratorin und Designerin: Die „strahlenden Hände“ der Jessica Frascht
Die luxemburgische Illustratorin und Designerin Jessica Frascht Foto: Alborz Teymoorzadeh

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Leuchtende Farben, haptische Texturen und feministische Sujets – all das findet sich im künstlerischen Œuvre der luxemburgischen Illustratorin und Designerin Jessica Frascht. Sie hegt eine Vorliebe für die Druckgrafik und mischt analoge und digitale Arbeitsweisen, wodurch ihre Bilder von einer besonderen Taktilität geprägt sind. So wundert es kaum, dass Hände eines ihrer Lieblingsmotive sind.

Tageblatt: Können Sie etwas über Ihren Werdegang als Illustratorin und Designerin erzählen? Was begeistert Sie an dieser künstlerischen Tätigkeit?

Jessica Frascht: Ich habe schon immer gerne gemalt – seit meiner Kindheit. Dazu gibt es eine Anekdote: Ich hatte dermaßen Angst vor dem Kindergarten, dass ich zuvor mit meiner Mutter ein Malbuch gekauft habe, das mir die Nervosität vor dem ersten Tag nehmen sollte. Am besagten Tag vergaß meine Mutter jedoch, mir das Malbuch zu geben. Ich fühlte mich derart fehl am Platz und sehnte mich so sehr nach meinem Malbuch, dass ich kurzerhand weglief. Ich war verloren; ich wusste weder wo ich noch wo mein Malbuch war. Irgendwann hat mich eine ältere Frau gefunden und zurückgebracht. Ich hatte also seit jeher eine Leidenschaft fürs Malen. Auf dem Gymnasium habe ich mich für die Fachrichtung Bildende Künste entschieden und anschließend in Trier meinen Bachelor of Arts in Illustration und Buchgestaltung gemacht. Seit drei Jahren studiere ich Kommunikationsdesign im Master, ebenfalls in Trier.

Welche Bücher oder Serien haben Sie denn als Kind fasziniert? Haben sie Ihre Arbeit beeinflusst?

Ich mochte alles, was bunt war, vor allem lustig illustrierte Serien und Comics. Auch das Bilderbuch „Struwwelpeter“ von Heinrich Hoffmann ist mir sehr in Erinnerung geblieben. Diese Werke beeinflussen meine aktuellen Arbeiten aber eher weniger, obwohl ich die Geschichte vom fliegenden Robert aus dem „Struwwelpeter“ neu illustriert habe.

Welche Techniken wenden Sie in Ihren Arbeiten an? Was ist Ihre Lieblingstechnik?

Ich kombiniere gerne analoge und digitale Arbeitsweisen. Meine Illustrationen entstehen meist auf dem iPad und werden dann in Photoshop weiterbearbeitet. Damit die Illustrationen nicht zu glatt aussehen, baue ich in Photoshop analoge Texturen in meine Entwürfe ein. Mittlerweile habe ich ein umfangreiches Archiv an verschiedenen Texturen, auf die ich zurückgreifen kann. So haben meine Bilder stets einen Bezug zur analogen Welt. Ich mag Printtechniken: Siebdruck, Linolschnitt, Monotypie oder Risografie. Am liebsten sind mir die Druckverfahren, bei denen man spezielle Farben und Papiersorten benutzen kann. Meine Lieblingstechnik ist wohl der Siebdruck, aber die Vorlagen für den Siebdruck erstelle ich digital.

„Wo sind die Künstlerinnen?“: Feministische Sujets sind im Werk der Künstlerin wesentlich
„Wo sind die Künstlerinnen?“: Feministische Sujets sind im Werk der Künstlerin wesentlich  

Betreffend digitale Tools: Haben Sie schon einmal mit KI gearbeitet? Wie stehen Sie dazu?

Ich finde, dass es im Hinblick auf die Zukunft kreativer Berufe ein bisschen unheimlich ist. Dennoch glaube ich, dass Zeugnisse von KI nie den gleichen Wert haben werden wie Werke Kreativschaffender. In Zusammenarbeit mit den Rotondes habe ich ein Projekt realisiert, bei dem ich auf KI-Werkzeuge zurückgegriffen habe: Im Rahmen des Superwahljahres – in Luxemburg wird dieses Jahr zweimal gewählt – haben wir eine Plakatkampagne entwickelt. Die Slogans auf den Plakaten wurden mit ChatGPT generiert. Da viele Wahlslogans so generisch sind, waren die Vorschläge von ChatGPT sehr treffend.

Woher nehmen Sie Inspiration?

Ich glaube, man kann von überall Inspiration schöpfen. Ich gehe gerne in Vintage-Läden oder auf Flohmärkte. Dort lasse ich mich von alten Postern und Plattencovern inspirieren. Ich lasse mich auch in Museen und in der Natur inspirieren, besonders was Farbkombinationen und Formen angeht.

Die Serie „Luxembourg’s Table“ ist der nationalen Küche gewidmet. Inwiefern prägt Ihre Heimat Ihr künstlerisches Schaffen?

Ich finde es toll, ikonische Produkte aus Luxemburg, die alle kennen, in neue, ungewohnte Kontexte zu setzen. Dabei geht es mir weniger um fotorealistische Darstellungen, sondern vielmehr um den Kontrast zwischen traditionellen, altmodischen Designs und modernen, bunten Settings.

Inwiefern spielen feministische Themen eine Rolle in Ihren Arbeiten?

Eigentlich hat alles mit meiner Bachelorarbeit angefangen. Es ging darum, ein selbst gewähltes Thema zu illustrieren. Da ich viel Zeit in Museen verbringe, wollte ich etwas zur Kunstgeschichte machen. Bei meinen Museumsbesuchen ist mir aufgefallen, dass fast keine Werke von Frauen ausgestellt werden. Also habe ich mich im Rahmen dieser Arbeit auf die Spuren der vergessenen Künstlerinnen begeben. Ich bin auf so viele interessante Künstlerinnen gestoßen, die richtige Pionierarbeit geleistet haben. Hilma af Klint hat etwa das erste abstrakte Bild gemalt – und nicht Pablo Picasso oder Wassily Kandinsky. Mein aktuelles Projekt über Geschlecht, Gender und Sexismus schließt sozusagen an mein Bachelor-Abschlussprojekt an. Und mein Master-Abschlussprojekt wird ein Buch über Kleidung und Geschlecht sein, in dem ich mich zum Beispiel mit dem Kampf um die Hose oder mit dem Korsett als Mittel zur Einschränkung beschäftige.

Beim Thema weibliche Darstellung kommt mir Ihre Serie von Selbstporträts in den Sinn, in denen bestimme Schönheitsnormen ins Lächerliche gezogen werden.

Im Grunde handelt es sich um einen Snapchat-Filter, der jedem Gesicht gängige Schönheitsideale wie große Augen, volle Lippen oder eine winzige Stupsnase verleihen kann. Da diese Charakteristika so auf die Spitze getrieben werden, kann man die Porträts nicht wirklich ernst nehmen und muss einfach darüber lachen. Ich dachte, das sieht so lustig aus, das muss ich illustrieren.

Die Ausstellung „Radiant Hands“ in der Kufa
Die Ausstellung „Radiant Hands“ in der Kufa (C) Alborz Teymoorzadeh

Vor kurzem war in der Kulturfabrik die Ausstellung „Radiant Hands“ zu sehen. Können Sie den Titel der Ausstellung erläutern?

Ich finde Hände generell sehr ästhetisch. Das Motiv der Hände, das überall in der Ausstellung zu sehen ist, stammt ursprünglich aus der Serie „Luxembourg’s Table“. Ich habe sie damals in die Serie hinzugefügt, weil ich nicht nur Produkte abbilden, sondern einen menschlichen Bezug schaffen wollte. Diesen menschlichen Bezug wollte ich auch in der Ausstellung herstellen: Durch die Ausstellung hindurch sind viele Hände zu sehen, die in die Räume eingreifen. Zudem werden so die einzelnen Werke in einen Zusammenhang gebracht.

Jessica Fraschts llustrationen zu Rainer Maria Rilkes Gedicht „Der Panther“
Jessica Fraschts llustrationen zu Rainer Maria Rilkes Gedicht „Der Panther“  

Viele Ihrer Arbeiten sind illustrative Neuinterpretationen von Geschichten. Deshalb zum Schluss noch die Frage, welche literarische Erzählung würden Sie gerne illustrieren, wenn Sie die Möglichkeit dazu hätten?

Die Illustration des Gedichts „Der Panther“ von Rainer Maria Rilke hat mir sehr gut gefallen. Diese Illustrationen sind infolge eines Kurses entstanden, in dem unsere Dozentin uns vorgeschlagen hat, einen Klassiker neu zu illustrieren. Diese Serie wird auch ausgestellt. Ich hatte mich für dieses Gedicht entschieden, weil es durch die behandelten Themen wie Isolation und Routine sehr gut in die damalige Situation der Covid-Pandemie passte.