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ForumIch bin alt, aber kein Idiot! 

Forum / Ich bin alt, aber kein Idiot! 
 Foto: Editpress/Julien Garroy

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„Soy mayor, no idiota“ hieß die Initiative des 78-jährigen spanischen Rentners Carlos San Juan gegen die ungerechte Digitalisierung der Banken. Dass sie so viel Zuspruch fand, muss San Juan selbst überrascht haben, denn sie sammelte in kürzester Zeit weit über 600.000 Unterschriften. Er übergab sie symbolisch an das Wirtschaftsministerium und an die Zentralbank in Madrid. Der Erfolg zeigt: Die Spanier haben die Nase voll und fühlen sich vom Staat und den Banken im Stich gelassen.

Digitalisierung der Bankleistungen als vielschichtiges Problem

Und nicht nur die Spanier! Auch luxemburgische Bankkunden fühlen sich ungerecht behandelt. Das Problem ist zudem vielschichtig und betrifft nicht nur ältere Menschen, wie oft dargestellt, sondern ist generationsübergreifend. Es handelt sich daher nicht einfach um ein Altersproblem, sondern um ein generelles Problem einer Gesellschaft im Wandel, verursacht durch die rasche und unmenschliche Gewinnmaximierung der Banken und begleitet von einem progressiven Abbau der Dienstleistungen.

Überrumpelt von der Digitalisierung, hat unsere Gesellschaft keine Regeln geschaffen, wie, wann, und wo die Nutzung von Informationstechnologien eingesetzt werden soll. Wie fühlen sich denn ältere Mitbürger, wenn man ihnen banale Bankgeschäfte am Schalter verweigert und ihnen sagt, sie sollen sie per Online-Banking erledigen? Dazu wird noch ein Smartphone oder ein Computer vorausgesetzt, wofür die Banken nicht zuständig sind. Dasselbe gilt für jüngere Bankkunden, die nie gelernt haben, mit einem Computer umzugehen und eigentlich sonst im Alltag keine IT-Kenntnisse nutzen, sowie für Personen, die sich nicht die neuesten Smartphones leisten können.

Die Willkür der Banken gegenüber ihren hilflosen Kunden ist eine schiere Unverschämtheit. Man muss sich nur vorstellen, dass ein Bankkunde sein wohlverdientes Gehalt oder seine Rente nur gebührenpflichtig und nach den Vorschriften und Willen der Bank bekommt, während Letztere mit seinem Geld Geschäfte macht. Es kommen aber auch rechtliche Aspekte hinzu. Wenn man beispielsweise vor 30 Jahren ein Konto eröffnete, standen im Kleingedruckten der Geschäftsbedingungen bestimmt keine Kürzungen von Dienstleistungen oder Schließungen von Filialen. Neue Bedingungen werden den Kunden bei ihrer Einführung einfach aufgezwungen und es ist nicht bekannt, wie und ob man sich dagegen wehren kann.

Unsoziale und diskriminierende Praktiken der Spuerkeess

Eine besonders positive Rolle sollte eigentlich die Spuerkeess spielen, die per Gesetz mit einem sozialen Zweck gegründet wurde und den Steuerzahler zur Seite stehen sollte. Doch in der Praxis ist das Gegenteil der Fall, denn auch die BCEE verfolgt mit Filialschließungen und Dienstleistungskürzungen eine unsoziale Politik. Die Spuerkeess ist nur noch eine gewinnorientierte Bank für Wohlhabende, ohne soziales Gewissen. In Zeiten von Zinserhöhungen und anhaltender Wohnungskrise wäre ein Umdenken seitens des Kapitaleigners, also des Staates, dringend notwendig. Statt mit Rekordgewinnen und sinnfreien Rankings zu protzen (auf EU-Ebene ist sie ohnehin unbedeutend), wäre die „the bridge side of life“-Bank besser beraten, eine bürgernahe und menschenwürdige Geschäftspolitik zu betreiben.

Vor einigen Jahren wurde das Online-Banking als kostenlose Zusatzleistung dargestellt. Obwohl alle Zeichen auf ein „vergiftetes Geschenk“ hindeuteten, gab es keine Möglichkeit, sich dagegen zu wehren. Heute sehen wir, dass dies nur zu Filialschließungen und Einsparungen auf Kosten der Kunden geführt hat. Die bestehenden Dienstleistungen sind sogar noch teurer geworden. Ein Musterbeispiel dafür ist die Stadt Rümelingen, die mit 5 .600 Einwohnern über keine Bankfiliale mehr verfügt. Für die Spuerkeess scheint es klar zu sein, dass mit einer Filiale ihre Kunden im Käldall mit seinen 15.000 Einwohnern und drei Ortschaften gut bedient sind. Für verschiedene Dienstleistungen müssen sie allerdings zu größeren Filialen andernorts pilgern. Die älteren Kunden, die stärker von Mobilitätseinschränkungen betroffen sind, müssen auf den von den Gemeinden bereitgestellten Rufbus zurückgreifen.

Die zahlreichen Probleme der Digitalisierung

Die Digitalisierung birgt aber auch andere negative Seiten in sich. Es ist kein Geheimnis, dass sich die Digitalisierung etwa schädlich auf die Gesundheit auswirkt. Experten1) sehen sie als Ursache für unzählige psychische Störungen wie z.B. Depression und Burn-out oder Arbeitsausfälle. Die ständige Erreichbarkeit und das ständige Online-sein machen krank. Auch bei Kindern und Jugendlichen zeigen die Studien, dass sie heute unglücklicher aufwachsen als vor 20 Jahren2). So seien sie einem stärkeren sozialen Druck ausgesetzt als früher. Die permanente Reizüberflutung und der Druck, neue Inhalte zu konsumieren, mache Kinder unglücklicher und unkonzentrierter. Es konnte auch nachgewiesen werden, dass die Kurzsichtigkeit wegen Smartphones angestiegen ist.

Die Liste der durch die Digitalisierung verursachten psychischen und körperlichen Krankheiten und Störungen ist lang. Eine gesellschaftspolitische Debatte, wie man dieser Entwicklung entgegensteuern kann, gibt es in Luxemburg nicht. Die Digitalisierung wird in der Regel einseitig positiv dargestellt, die gesundheitlichen oder sozioökonomischen Folgen werden ignoriert. Im Zusammenhang mit Hightech wird sie auch gerne als Heilmittel für die Klima- und Umweltkrise dargestellt, ohne dass dies jedoch durch seriöse wissenschaftliche Studien belegt wird.  Dass die Digitalisierung durchaus Vorteile hat und Produktiounssteigerungen nur dank ihr möglich sind, wie wir während der Pandemie gesehen haben, ist nicht zu bestreiten. Man könnte auch weitere positive Beispiele aufzählen, dennoch darf die Digitalisierung nicht unkontrolliert und systematisch eingeführt werden, ohne dass ihre Folgen gründlich analysiert und transparent kommuniziert werden.

Das maßgebende Problem bei der Digitalisierung sind die politischen Entscheidungsspielräume bei der Regulierung. Die Liberalisierung der Märkte und die Einschränkung der Handlungsmöglichkeiten in den nationalen Parlamenten und Regierungen durch etwaige Wettbewerbsregeln und Freihandelsabkommen führen zu einer Entmachtung der drei Staatsgewalten. Die Gesetzgeber können immer weniger über gute und schlechte Innovation oder Entwicklung entscheiden. Zudem wird es immer schwieriger, mit allen Arten von Analysen und Folgenabschätzungen umzugehen, die einerseits von unabhängigen Wissenschaftlern und andererseits von Lobbyisten und bezahlten Think Tanks durchgeführt werden. Vielleicht ist eine Initiative wie die von Carlos San Juan auch in Luxemburg nötig, um eine Debatte anzustoßen. 


1) https://www.thieme-connect.com/products/ejournals/pdf/10.1055/s-0038-1642071.pdf

2) https://www.swrfernsehen.de/landesschau-rp/gutzuwissen/av-o1164742-100.html#:~:text=Digitalisierung%20macht%20uns%20krank&text=Es%20gebe%20Studien%2C%20wonach%2070,k%C3%B6nnen%20Burnout%20oder%20Depressionen%20sein.

Jimmy Skenderovic ist LSAP-Schöffe in der Gemeinde Rümelingen und Kandidat bei den Nationalwahlen
Jimmy Skenderovic ist LSAP-Schöffe in der Gemeinde Rümelingen und Kandidat bei den Nationalwahlen Foto: Editpress/Tania Feller
BPat
7. September 2023 - 17.43

forumpost / 7.9.2023 - 15:18
Den Bréifdreier Geld mat ginn .Un den Risiko an wei eng Gefor den kommen kann net beduecht . Ginn jo keng Risiken dat den Mann oder Fra iwwerfall ginn wann verschidden Leit wëssen dat do Borgeld ënnerwee ass

Jemp
7. September 2023 - 15.50

@ Zeel / Genau wie ich, ich könnte mir problemlos ein Smartphone, der Preis spielt dabei keine Rolle, kaufen. Aber ICH BIN KEIN SKLAVE UND WILL KEINS! Haben sie viel Spass mit dem 7plus.

forumpost
7. September 2023 - 15.18

Bin auch 70 Jahre alt und finde es praktisch, meine Bankgeschäfte online erledigen zu können, statt in einer Bankfiliale Schlange stehen zu müssen.
Nur das Bargeld-abholen ist noch ein nerviges Problem - würde es besser finden, wenn es wieder einen Service gäbe, wie ihn früher zumindest die Postbank angeboten hat: Einfach dem Briefträger einen Scheck mitgeben und am nächsten Tag das Geld zusammen mit der Post erhalten.

Zeehl
7. September 2023 - 10.42

" Personen, die sich nicht die neuesten Smartphones leisten können."

ich bin auch ein alter Sack, hab mir ein refurbished iPhone 7plus geleistet für 69€, sollte für jeden erschwinglich sein für Bankgeschäfte usw.

JmB
7. September 2023 - 9.33

Ich bin 70 Jahre alt. Seit 1985 benutze ich PC. Habe von 1972 bis 1973 fast 2 Jahre im Bureau Central des Comptes Courants bei der BCEEL gearbeitet, bevor ich weiter studierte. Trotzdem würde ich im Juli dieses Jahres auf infame Weise gehackt indem sich die Diebe der bei den Banken so beliebte LUXTRUST benutzten um an mein Geld zu gelangen.
Die Auslagerung der Banken an diesen Dienst ist perfekt, können diese sich also aller Verantwortung entziehen, Geld und Arbeitsplätze einsparen und noch mehr am Bankkunden verdienen. Diese Praxis unserer BCEEL, Raiffeisen und Post CCP ist absolut verwerflich weil der Kunde doch den Banken sein Vertrauen schenkt, und ihnen sein Geld anvertraut. Es sind also die Banken selbst, welche für die Sicherheit des ihnen anvertrauten Geldes haftbar sind. An den noch vorhandenen Schaltern stehen meist ältere Menschen an, welche auf die Hilfe von Bankangestellten angewiesen sind. In Mondorf BCEEL musste ich sogar als Kunde ein R-V anfragen! Soweit zur Belastung der Beamten am Schalter.
Die Frage wieso diese Entwicklung, auch seitens der Bankaufsicht toleriert wird, ist berechtigt. Außerdem wäre es nützlich endlich rezente Statistiken zu Hacks an (älteren) Bankkunden zu sehen und damit dieses Problem der Öffentlichkeit zugänglich machen. Weitere journalistische Aufklärung ist hier gefragt. in diesem Sinne bedanke ich mich für ihren Artikel. Der Anfang ist gemacht, bitte arbeiten sie weiter. mfG

luxmann5656
6. September 2023 - 13.08

Es ist ja toll wie die banken mit der digitalisierung geld sparen und den kunden fuer sich arbeiten lassen und gleichzeitig ihr personal abbauen.
Bei soviel einsatz duerfte man erwarten dass bald der zins auf dem sparbuch richtung 10% geht um den kunden zu belohnen...oder belohnt man lieber einen anderen?

Viviane
6. September 2023 - 13.06

De Nol op de Kapp getraff! A mär ( Bierger all ) Si brav a bezuelen!

JJ
6. September 2023 - 12.09

Ackermannsyndrom. Und wenn's schief geht stehen die Steuerzahler gerade. Letzter Fall: UBS schluckt Credit Suisse.3000 Stellen weg. Bravo.