In Saarbrücken präsentiert das junge Regisseurinnen-Duo Alexandra Szemerédy und Magdolna Parditka nach einem recht gelungenen Tristan in der letzten Spielzeit nun ein modernes und hochaktuelles Rheingold, bei dem es um Genmanipulation, ewige Jugend und Klonen geht.
Die Geschichte wird komplett neu erzählt, Walhall ist ein Labor, die Götter sind allesamt Wissenschaftler, Alberich und der dreiarmige Mime misslungene Versuchskaninchen aus den eigenen Reihen, Fasolt und Fafner Vertreter eines Militärregimes und die Rheintöchter Laborantinnen.
Das mag vielen Opernliebhabern auf den Magen schlagen, aber Szemerédy und Parditka erzählen die Geschichte so höllisch gut, humorvoll und konsequent, dass keine Denkfehler entstehen oder billige Witze das Vergnügen trüben.
Musikalisch wird man ebenfalls verwöhnt. Allen voran weiß das ehemalige Saarbrücker Ensemblemitglied und gefeierter Alberich in Bayreuth Olafur Sigurdarson als Einspringer für den erkrankten Werner van Mechelen hundertprozentig zu überzeugen. Sein Vortrag, seine Gestaltung, alles ist in perfektem Einklang mit der Figur und der Inszenierung.
Der zweite Einspringer, Uwe Eikötter als Mime, lässt gesanglich und darstellerisch auch keine Wünsche offen und der in letzter Minute ebenfalls eingesprungene Bassist Simon Bailey, der von der Rampe singt, begeistert mit seinem warmen Timbre, während Regieassistent, Tänzer, Maler und Alleskönner Gaetano Franzese als Fafner agiert.
Trotz dieser Umbesetzungen erlebte das Publikum eine spielfreudige Aufführung, bei der man unbedingt den wunderschön singenden Wotan von Peter Schöne, den verschlagenen Loge von Algirdas Drevinskas und die dominante Fricka von Judith Braun hervorheben muss.
Die übrigen Sänger, Angelos Samartzis als Froh, Elisabeth Wiles als Freia, Daria Samarskaya als Erda, Markus Jarusch als Fasolt, Hiroshi Matsui als Fafner und die die drei Rheintöchter Bettina Maria Bauer, Valda Wilson und Melissa Zgourdi, bewegten sich ausnahmslos auf hohem Niveau. Chefdirigent Sebastian Rouland bot ein eher langsames Dirigat ohne Pomp, das dafür aber äußerst sängerfreundlich war, während das Saarländische Staatsorchester die Partitur bis auf kleine Patzer im Blech sehr gut meisterte.
Insgesamt lebt dieses Rheingold von einer intelligenten Inszenierung und einem homogenen, qualitativ hochwertigen Opernensemble. Wir sind auf jeden Fall gespannt, wie es mit der Walküre weitergeht.
Klassisch schön geht immer
Wagners Siegfried-Idyll leitete dann am vergangenen Sonntag das Konzert des Budapest Festival Orchestra In der Luxemburger Philharmonie ein. Dirigent Ivan Fischer ist ja immer für eine Überraschung gut. Diesmal hatte er bei Wagner und Mozart die Holzbläser um das Dirigentenpult und somit vor die Streichergruppen gesetzt, was sich positiv auf das Klangbild auswirkte, insbesondere beim Siegfried-Idyll, was dadurch seinen kammermusikalischen Charakter unterstreichen konnte.
Auch Mozarts Konzert für zwei Klaviere KV 365 gewann dadurch an Relief. Hier waren es allerdings die Brüder Arthur und Lucas Jussen, die durch ihr phänomenales Spiel auftrumpften. Ihnen gelang das Kunststück, sehr virtuos und individuell gestalten zu können und trotzdem immer aus dem Orchester heraus zu spielen. Ihnen gelang dann auch zusammen mit Ivan Fischer und dem dunkel timbrierten Budapest Festival Orchestra die perfekte Klangbalance.
Überhaupt war Klangbalance das Hauptthema des Abends. Sowohl das Siegfried-Idyll wie auch das Mozart-Konzert und die anschließend gespielte 3. Symphonie Eroica von Ludwig van Beethoven begeisterten durch einen natürlichen Atem und ein vollendetes Zusammenspiel aller Instrumentengruppen. Interpretatorisch allerdings begnügten sich die Musiker und ihr Dirigent mit einem klangschönen, traditionellen und zum Teil behäbigen Spiel, dem es durchgehend an Drive, Spielfreude und Innovation fehlte. – Wenn man da an die aufregende Eroica mit Emil Emelyanychev und dem Scottish Chamber Orchestra vor einigen Monaten zurückdenkt … Nun gut, es muss ja auch nicht immer innovativ sein und klassisch schön geht eigentlich immer.
Gelungene Uraufführung eines neuen Werkes von Ivan Boumans
Weitaus besser, weil dynamischer, mitreißender und spannender, war Christoph Königs Interpretation der 5. Symphonie von Beethoven. Zusammen mit den Solistes Européens ließ er dieses Werk unwahrscheinlich rasant und akzentreich erklingen.
Die Soli kamen klar zur Geltung, die verschiedenen Instrumentengruppen wie Celli, Holz- und Blechbläser durften glänzten und in auch in Sachen Klangbalance blieb das Spiel mustergültig. Musikalisch wie musikantisch hochkarätig.
Man hatte den Eindruck, als hätten die Musiker sich hier freispielen müssen, was vielleicht dem fordernden Klavierkonzert von Ivan Boumans anzurechnen war. Boumans’ Konzert Deconstructing love ist dreisätzig angelegt und beginnt mit einem Tristan-ähnlichen Akkord, der bereits das Thema als recht konfliktreich einführt. Und in der Tat ist der erste Satz ein Satz des Suchens.
Fast fragmentartig entwickeln sich immer neue Ideen, der Komponist scheint hin- und hergerissen, schöne Themen gibt es hier kaum, die Musik wirkt zwanghaft, düster und alles andere als harmonisch. Mit dem zweiten Satz kehrt dann etwas positivere Musik ein, das Klavier beginnt mit einer hellen, an Ravel erinnernden Melodie.
Der Satz ist eher ruhig, von bildhaften impressionistischen Farben, aber immer intensiv. Im dritten Satz geht Boumans die Liebe von ihrer wissenschaftlich-chemischen Seite an und lässt die Musik schneller und rhythmisch prägnant erklingen.
Das Werk ist mit seinen 25 Minuten Spieldauer optimal ausgelotet, es gibt keine leeren Momente, die konsequente und ansprechende, aber nie einfache Sprache Boumans’ lässt dieses Werk zu einem Juwel in der luxemburgischen Klassikszene werden. Jean Muller begeistert wie immer durch spieltechnische Brillanz und ein in allen Punkten ausgeglichenes, dem Werk hundertprozentig verpflichtetes Spiel. Die kleine Auswahl an Chinese Folk Songs von Zhou Long (*1953) präsentiert eine nette, gefällige, aber sonst kaum erwähnenswerte Musik. Und da das Konzert unter dem Leitmotiv „Europe meets China – zum Zweiten“ stand, spielten sowohl Jean Muller als auch die SEL zum Schluss eine chinesische Zugabe.
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