Doch von einigen symbolischen Anpassungen abgesehen, wie z.B. der Erhöhung des „Bëllegen Akt“5) von 20.000 auf 30.000 Euro, wartet man wiederum vergebens auf angepasste, politische Antworten oder Ideen, die das Wohnen wieder finanzierbar machen sollen6) oder etwa die Käufer einer Wohnimmobilie besser vor den finanziellen Auswirkungen beim Konkurs des Bauherrn schützen sollen. Es ist aus der Verantwortung für die Allgemeinheit heraus höchste Zeit, in der Wohnungspolitik umzudenken.
Eine Wohnung ist kein einfaches Finanzprodukt. Eine Wohnung ist viel mehr. Eine Wohnung ist Lebensmittelpunkt des Einzelnen, ein Ort, der für die Lebensqualität von zentraler Bedeutung ist, ein Ort der Geborgenheit, der Sicherheit oder, um die Bedeutung der Wohnung mit den Worten Hans-Jochen Vogels zu beschreiben: „Wohnen ist wie essen, schlafen, arbeiten, lernen; eine menschliche Grundfunktion.“7) Deshalb benötigt es einiger fundamentaler Änderungen, damit das Wohnen endlich wieder seiner Sozialbindung nähergebracht wird. Einige davon werden wir in den folgenden Zeilen beleuchten.
Aktuell belaufen sich die Eintragungsgebühren („Droits d’enregistrement“) und die Überschreibungsgebühren („Droits d’inscriptions“) auf sechs Prozent beziehungsweise ein Prozent des Kaufpreises einer Immobilie. Bei dem Kauf einer Wohnimmobilie für den persönlichen Bedarf hat jede Person Anspruch auf eine Steuergutschrift von 30.000 Euro („Bëllegen Akt“), die von den fälligen Eintragungs- und Überschreibungsgebühren abgezogen werden können.
Beim Kauf einer 80-m2 -Immobilie in Luxemburg-Stadt, die bei den aktuellen Marktpreisen etwa 1,1 Millionen Euro kosten würde, belaufen sich die Eintragungs- und Überschreibungsgebühren auf 77.000 Euro. Durch die Steuergutschrift von 30.000 Euro muss ein einzelner Erwerber immer noch 47.000 Euro zahlen. Wenn ein Paar die Immobilie erwirbt, entfallen immer noch 17.000 Euro Eintragungs- und Überschreibungsgebühren (vorausgesetzt das Paar hat die Steuergutschrift noch nicht ausgeschöpft).
Beim Kauf einer Immobilie, die als persönliche Wohnimmobilie genutzt wird – und nur in diesem Fall –, sollten, unseres Erachtens, überhaupt keine Eintragungs- und Überschreibungsgebühren mehr anfallen. Dies würde den Erwerb einer Wohnimmobilie schon mal deutlich ermäßigen und dem aktuellen Zins- und vergangenen Preisanstieg entgegenwirken. Jungen Wohnungserwerbern könnten die gezahlten Eintragungs- und Überschreibungsgebühren über eine gewisse Steuergutschrift teilweise zurückerstattet werden. Bei den aktuell immer noch hohen Wohnungspreisen, gepaart mit dem Anstieg der Zinsen, würde dies eine konsequente Entlastung für viele junge Familien darstellen und Wohnortswechsel finanziell erleichtern und eventuell Pendlerwege verkürzen.
Keine Niete mehr als Mietgesetz
In der Vergangenheit hatte schon fast jeder zweite Mieter finanzielle Probleme am Monatsende8) und im vergangenen Jahr stiegen die Mieten nochmals um über elf Prozent9). Auch wenn sich solche spektakulären Steigerungen nicht sofort in den gezahlten Mieten niederschlagen, zeigen Sie aber, dass sich die ohnehin schon prekäre Lage der Mieter in Zukunft, bei gleichbleibender politischer Gleichgültigkeit, noch weiter verschärfen wird.
Der überarbeitete Reformentwurf des Mietgesetzes, der in der Abgeordnetenkammer10) eingebracht wurde, sieht vor, dass die Mietobergrenze von derzeit fünf Prozent des investierten Kapitals auf 3,5 Prozent und bei thermischen Altbauten sogar auf drei Prozent gesenkt wird.
Konkret wird die vorgeschlagene Reform dazu führen, dass die Mietobergrenze einer 80 m2 großen Neubauwohnung, die in den letzten zwölf Monaten zum durchschnittlichen Quadratmeterpreis erworben wurde, in Luxemburg-Stadt bei 3.287,43 Euro und im Landesdurchschnitt bei 2.226 Euro11) liegen wird.
Diese Beispiele zeigen hinreichend, dass die vorgeschlagene Mietobergrenze leider nicht an die soziale Realität des Landes angepasst ist und die finanzielle Schieflage vieler Mieter weiter verschärfen wird. Das Ziel dieser neuen Obergrenze bestand nicht darin, eine gesamtgesellschaftlich akzeptable Mietpreisobergrenze festzulegen. Ganz im Gegenteil, laut dem Wohnungsbauminister haben Marktanalysen gezeigt, dass 3,5 Prozent bzw. drei Prozent der „Marktrendite für kürzlich erworbene und neue Wohnungen“ entsprechen würden.12) Somit bestand das Hauptziel, und leider auch das einzige politische Ziel bei dieser Reform darin, eine veraltete Mietobergrenze an die wirtschaftlichen Realitäten – der passende Begriff wäre wohl eher an „wirtschaftlichen Wahnsinn“ – anzupassen.
In der nächsten Legislaturperiode sollte die Frage einer gesamtgesellschaftlich vertretbaren Mietobergrenze von einem „Logementsdësch“, der wie beim Ausarbeiten des Mietgesetzes von 1955 alle relevanten gesellschaftlichen Kräfte vereint, endlich beantwortet werden und ein komplett neues Mietgesetz ausgearbeitet werden, das den sozialen Gegebenheiten Rechnung trägt.
Unsichere Zeiten verlangen sicheren Schutz beim Eigenheimerwerb
Der Konkurs der „Cenaro“-Gruppe hat gezeigt, dass der Schutz von Käufern einer Wohnung bei einem Kauf auf Teilzahlungsbasis je nach erreichtem Bauzustand („VEFA-Kontrakt“) nicht immer gegeben ist.
In diesem Fall erhielten die Käufer der „Cenaro“-Projekte, die nach dem Konkurs hofften, die Fertigstellungsgarantie in Anspruch nehmen zu können, ein Schreiben des Versicherers, in dem ihnen mitgeteilt wurde, dass die gegebene Fertigstellungsgarantie in eine Rückzahlungsgarantie umgewandelt wurde.13) Dies bedeutet, anstelle einer fertigen Wohnung erhalten die Erwerber wohl die gezahlten Vorschüsse zurück. Anstatt einer Wohnung erhalten die Käufer also Geld und müssen sich nach einer neuen Wohnung umsehen – ob eine vergleichbare Immobilie noch zu einem ähnlichen Kaufpreis erhältlich ist, sei dahingestellt.
Es sollte aber klar sein, dass der legislative Kader der Fertigstellungsgarantien nicht nur analysiert werden muss14), sondern endlich auch legislative Anpassungen vorgenommen werden, damit ein Eigenheimerwerber auch eine wirkliche Fertigstellungsgarantie für die ganze Wohnung hat und diese bestmöglich und im schlimmsten Fall – dem des Konkurses des Bauherrn – unkompliziert einlösen kann.
Wohnung ist kein Finanzprodukt
Unsere Grundfläche ist begrenzt und unproduzierbar, Grünflächen müssen bestmöglich erhalten und der Bestand an Immobilien klimaresilient umgebaut werden; bei alldem darf das Wohnrecht des Menschen nicht vergessen werden. In Anbetracht dieser Herausforderungen, muss man auch dafür sorgen, dass die Leute, die auf dem Wohnungsmarkt auf der Suche nach einem Zuhause sind, Vorrang haben – und dies vor all jenen Leuten, die lediglich auf der Suche nach einer weiteren Investitionsmöglichkeit zur Geldvermehrung sind.
Einige Politiker, wie zum Beispiel Luc Frieden, versprechen den Wählern, durch Steuererleichterungen für die Besitzer mehrerer Immobilien oder Investoren könnte die Wohnungsfrage gelöst werden. Dies würde uns zurück in die Zeit führen, in der die Steuerpolitik die Wohnungskrise und die sozialen Ungleichheiten befeuerte. Die Steuererleichterungen für Immobilieninvestoren verstärkten in der Vergangenheit, dank cleverer Ideen des Finanzministers Luc Frieden, die Nachfrage. Die Folge dieser steuerlich gedopten Nachfrage war eine steuerlich angekurbelte Preisspirale, bei der jede weitere Wertsteigerung wiederum Investoren zu verstärktem (steuerlich vergünstigtem) Aufkauf von Immobilien anregte. Bei dieser Politik waren die Investoren die Gewinner, während für zahlreiche Familien der Traum vom Eigenheim platzte. Der Steuerexperte Keith O’Donnell illustrierte diese Situation in der Vergangenheit im Lëtzebuerger Land-Interview perfekt: „Si j’achète un appartement d’une valeur de 750.000 euros pour le louer, le gouvernement va me donner des ‚subsides’ fiscaux en tant que bailleur qu’on chiffre à plus de 110.000 euros. En revanche si on veut acheter le même appartement et l’habiter, l’État n’en donne que 70.000. C’est une concurrence déloyale.“15)
Jetzt benötigen wir keine Steuererleichterungen für Großgrund- und Mehrimmobilienbesitzer, sondern ganz im Gegenteil, wir brauchen eine Steuerpolitik, die unproduktiven Immobilienbesitz (leerstehende Wohnungen und unbebaute Baugrundstücke) besteuert, während der Erwerb des Eigenheims – und nur dieser! – steuerlich entlastet wird.
Sollten die Zinsen, wie von einigen Experten prognostiziert, wieder sinken16), wird auch die ausländische (nicht-EU) Investitionsnachfrage wieder ansteigen. Vor allem jene Investorennachfrage, die in den Bestand fließt, also die Entstehung von Wohneigentum nicht fördert, sondern bestehende Immobilien aufkauft, sollte unseres Erachtens entweder über höhere Steuern oder ein Verbot des Erwerbs (wie z.B. in Kanada) oder strengere Regulierungen (wie in der Schweiz über die Lex Koller) ergebnisoffen diskutiert werden.
Klar ist für uns allemal: Wohnen muss kein Luxus sein – zumindest dann nicht, wenn wir als Gesellschaft endlich den Mut zur Veränderung haben.
1) Der Euribor-Zinssatz mit einer Laufzeit von zwölf Monaten stieg zwischen April 2022 und Juni 2023 von -0,073% auf 4,103%.
2) „La moyenne mobile sur 6 mois du nombre de certificats OAI émis (tous types de projets confondus) diminue régulièrement depuis juillet 2021 (334 en janvier 2023 contre 540 en juillet 2021, soit une chute inquiétante de 38%)”; Pressemitteilung „Ordre des architectes et des ingénieurs-conseils“, 22. März 2023, S. 4.
3) Im vergangenen Jahr stiegen die Mieten für Appartements um 11,1%, während jene für Einfamilienhäuser um 11,6% stiegen. Vgl. „Observatoire de l’habitat: Le marché immobilier résidentiel au 1er trimestre 2023“, 27. Juni 2023, S. 8.
4) Vgl. ATHOME: -5,1% auf die Preise im 1. Quartal 2023, Blogpost auf athome.lu vom 4. April 2023. Interessant anzumerken ist, dass Athome für den Kauf im Jahr 2023 rät: „Jetzt zu kaufen kann sich als die beste Option erweisen: Sie zahlen vorübergehend etwas mehr für Ihren Kredit (weil Sie in der Lage sind) (sic); aber Sie sparen viel Geld beim Preis der Immobilie (mit den aktuellen Preissenkungen und kommerziellen Gesten der Bauträger).“
5) „Bëllegen Akt“ ist ein Steuerkredit von aktuell 30.000 Euro pro Käufer, um die beim Kauf von Wohneigentum anfallenden Kosten (Eintragungs- und Überschreibungsgebühren von 7% des Kaufpreises) zu mindern, und ist auf den Erwerb des Eigenheims limitiert.
6) Artikel 29bis des Pacte logement 2.0. ist wohl eine der einzigen legislativen Neuerungen, die aus dieser Legislaturperiode hervorzuheben ist. Für jeden neuen Bebauungsplan, der von Artikel 29bis betroffen ist, wird ein bestimmter Prozentsatz der Wohnbaufläche für bezahlbaren Wohnraum reserviert. Die Grundstücke, auf denen diese Wohnungen gebaut werden sollen, werden der Gemeinde oder dem Staat übertragen. Im Gegenzug wird in den Bebauungsplänen das Baupotenzial um 10% erhöht.
7) Zitat von Hans-Jochen Vogel, Vortrag: „Wohnung zwischen Wunsch und Wirklichkeit“, vor der Österreichisch-Deutschen Kulturgesellschaft, Wien, 8. Oktober 1973.
8) Vgl. Statec: „Rapport travail et cohésion sociale 2022“, S. 130.
9) Vgl. Observatoire de l’habitat: „Le marché immobilier résidentiel au 1er trimestre 2023“, 27. Juni 2023, S. 8.
10) Projet de loi portant modification de la loi modifiée du 21 septembre 2006 sur le bail à usage d’habitation et modifiant certaines dispositions du Code civil, document parlementaire n° 7642.
11) Vgl. Ministère du Logement – Observatoire de l’habitat avec la collaboration de l’Administration de l’enregistrement et des domaines, Liser: Nombre de ventes et prix enregistrés des appartements pour la période du 1er avril 2022 au 31 mars 2023).
12) Im Original: „[…] les analyses du marché, réalisées par le Liser pour l’Observatoire de l’habitat indiquent que ceci [3,5% respectivement 3% ndlr.] correspond largement au rendement du marché pour les logements récemment acquis et les logements nouveaux“. Vgl. Pressemitteilung des Ministère du logement: Réforme du bail à loyer: Plus de protection pour le particulier par un meilleur encadrement du marché!, 6. Oktober 2022, S. 2.
13) Vgl. Véronique Poujol: „Les pièges des garanties d’achèvement“, reporter.lu, 7. April 2023.
14) Der Wohnungsbauminister gab auf eine parlamentarische Anfrage der Abgeordneten Yves Cruchten und Mars Di Bartolomeo zu verstehen: „[…] le gouvernement entend analyser la législation existante et la pratique du marché dans la perspective d’ajuster au besoin la protection de l’acquéreur.“ Vgl. Henri Kox: Réponse à la question parlementaire n° 7963 du 4 mai 2023.
15) Vgl. Pierre Sorlut: „À un point d’inflexion“, d’Lëtzebuerger Land, 3. Januar 2020.
16) Vgl. Detlev Landmesser: „Steigen die Immobilienpreise bald wieder?“, tagesschau.de, 18. April 2023.
* Die Autoren sind alle Mitglieder der LSAP-Partei.
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