Dem Tourismus in Luxemburg scheint es zusehend besser zu gehen. Das liegt im allgemeinen Trend. Davon profitiert auch das Großherzogtum. Aber Vorsicht! Die hier genannten Zahlen sind provisorisch. Sie beziehen sich auf die Monate Januar bis Juni 2023. Eine Halbzeitbilanz demnach. Sportsfreunde wissen, was das bedeuten kann. In diesem Fall scheint die Bilanz auf den ersten Blick positiv, zumindest im direkten Vergleich mit den ersten sechs Monaten des Jahres 2022, und vielversprechend, was den Rest des Jahres anbelangt.
Die Gesamtzahl der Übernachtungen im ersten Semester 2023 sei gegenüber den ersten sechs Monaten 2022 um 6% gestiegen, sagt ein gutgelaunter Tourismusminister. Plus 7% in Hotels. Plus 1% auf den Campingplätzen und gar 20% in den Jugendherbergen. An die bisherigen Rekordzahlen von 2019, also von vor Corona, reichen sie allerdings noch nicht ganz heran. Doch Lex Delles wirkt zuversichtlich. Die Entwicklung im Monat Juli und Anfang August würde eine mehr als optimistische Sicht der Lage erlauben, gibt Lex Delles zu verstehen. Hoffnung scheint demnach berechtigt. Nur, es stellt sich die Frage, warum eine solche Bilanz nicht Ende des Jahres gezogen wird oder zumindest nach vollumfänglicher Einbeziehung des Sommers – der wirklichen Touristensaison?
Qualität über Quantität
Nun denn. Bei der traditionellen Pressekonferenz am Donnerstag hebt der Minister zwei Punkte besonders hervor. Sie sind von allgemeingültiger Natur, nicht saisonal gebunden. Nämlich die Bedeutung des Tourismus für die Wirtschaft unseres Landes und die Zufriedenheit der Menschen, die Luxemburg erkunden – seien es Einheimische oder Ausländer. Beide Punkte würden darlegen, dass mehr in Qualitätstourismus investiert werden solle. Das käme jedem zugute.
Delles spricht von Normalisierung. Damit meint er den Vergleich mit 2019, also vor der Pandemie. Offensichtlich bewegen sich die Zahlen der ersten sechs Monate dieses Jahres sowie die provisorischen Erhebungen für Juli und Anfang August 2023 auf diese Werte zu. Luxemburg liegt damit nicht abseits einer Tendenz, die sich international abzeichnet: Es wird wieder mehr gereist, was eigentlich nach den Entbehrungen während der Pandemie nichts wirklich Außergewöhnliches ist.
Mehr als Zahlen seien, laut Tourismusministerium, die Bemühungen wichtig, die gemacht würden, um den Tourismussektor in Luxemburg zu fördern und weiter aufzubauen.
Digitaler Reisebegleiter
Vorrangig gehe es bei diesen Bemühungen darum, die Qualität des Angebots zu verbessern. Unter anderem durch Digitalisierung. Ihre Möglichkeiten sollen verstärkt genutzt und ausgebaut werden. Beispielsweise soll die App „Visit Luxembourg“ als verlässlicher Reisebegleiter stärker etabliert werden. Unter anderem sollen Reisende dadurch besser informiert und orientiert werden, wenn eine Wunschdestination, wie der Stausee, überfüllt ist. Außerdem soll die Förderung der Nachhaltigkeit und des Professionalismus den Tourismus unterstützen. Eine mehr denn je stärkere Einbindung der regionalen Tourismuszentren (ORT) soll gezielt Akzente in allen Landesteilen setzen.
Erinnerungstourismus spielt in dem Kontext eine wichtige Rolle. Er soll ausgebaut werden. Beispiele dafür sind die Industriekultur im Süden des Landes – die Hochöfen auf Belval, die Grubenmuseen in Esch und Rümelingen, der Minett-Trail. Oder verschiedene Orte im Norden, die wie Wiltz oder Clerf im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg stehen.
Auch die Entstehungsgeschichte der Europäischen Union soll deutlicher hervorgehoben werden. Das Schuman-Haus in Luxemburg-Stadt und vor allem Schengen im Osten des Landes spielen dabei eine wesentliche Rolle. Im Dreiländereck Schengen wurden nämlich jene Abkommen gleichen Namens unterschrieben, welche die heutige Europäische Union von den Fesseln der Grenzen befreiten. In dem Kontext steht auch das Europamuseum, welches vollständig erneuert wird, sowie die Heimkehr der historischen Marie-Astrid, jenem Moselpassagierschiff, auf dem 1985 der erste Vertrag zur Abschaffung der Binnengrenzen der EU unterzeichnet wurde. Zum 40sten Jubiläum der Unterzeichnung, im Juni 2025, soll das Schiff wieder definitiv in Schengen vor Anker liegen. Zurzeit wird noch am Konzept gearbeitet.
Einheimische begeistern
Zusammengefasst geht es für die Tourismusverantwortlichen im Land offensichtlich darum, über die Rekordzahlen von vor Corona hinauszuwachsen. Mehr als um Quantität geht es scheinbar aber vor allem darum, die Qualität zu steigern. Indem beispielsweise die Entwicklung und Auswirkung des Tourismus ständig überprüft und die Zufriedenheit einheimischer und ausländischer Gäste gemessen wird.
Laut Ilres-Umfrage sind 77% der Befragten zufrieden mit dem touristischen Angebot in Luxemburg. Diese Zahl sagt nicht alles aus und ist auf jeden Fall kein Wert, auf dem man sich ausruhen sollte. Unter anderem geht es darum, Einheimische mehr für das Land zu begeistern, in dem sie leben. Das scheint nach Corona wieder etwas abgenommen zu haben. Verständlich, wenn die Ferne lockt. Allerdings könnte das Motto des Tourismusministeriums für nächstes Jahr ja durchaus lauten: „Das Gute liegt so nah.“
Nach Corona ist vor Eris! Nach den Wahlen muss darüber politisiert werden.