Während man ansonsten bei Großveranstaltungen jeglicher Art in der Regel von oben bis unten gefilzt und beim Eingang nahezu alles, was man mit sich trägt, in die Tonne gestampft wird, bis hin zu den Verschlüssen von Getränkeflaschen, mit denen schließlich ein Anschlag verübt werden könnte – MacGyver könnte vermutlich eine Bombe daraus basteln –, darf hier jeder unkontrolliert mit seinem Picknickkorb hereinspazieren.
Dann sucht man sich ein kuscheliges Plätzchen, breitet seine Decke aus, packt die gekühlte Schampus-Pulle mitsamt Gläsern und die Häppchen aus, prostet sich gegenseitig zu und genießt die laue Sommernacht. Alle sind heiß auf ein Gratiskonzert erster Güte: Stewart Copeland, der legendäre The-Police-Drummer zusammen mit dem Kammerorchester und mehreren Mitgliedern der Militärmusik stehen in den Startblöcken.
Das hört sich ziemlich originell und ein bisschen verrückt an, was Copeland selbst wohl auch dachte, als er das Projekt ins Leben rief und „The Police Deranged For Orchestra“ taufte. Gegen 21 Uhr erscheinen von links die 21 Musikerinnen und Musiker des „Orchestre de chambre du Luxembourg“, von rechts Bläser und Perkussionisten der „Luxembourg Military Band“ in ihren „Tambourmajor“-Uniformen, dann eine Bassistin und ein Gitarrist, die sich um das Tama-Drumkit des Meisters kleine Marshall-Türmchen aufgebaut haben, und drei Sängerinnen. Schließlich gesellt sich die irische Dirigentin Eimear Noone dazu, welche den 71-jährigen Star des Abends ankündigt: Stewart Copeland, der – offensichtlich blendend aufgelegt und topfit – auf die Bühne springt.
Das rund 40-köpfige Orchester legt los und produziert erst mal gehörigen Soundbrei, was nicht verwunderlich ist bei dieser Mischung aus Streichern, Bläsern, Perkussionsinstrumenten und Rockband. Nach „Demolition Man“ und „King of Pain“ haben die Toningenieure die Situation dann langsam im Griff. Copeland spielt den Entertainer, macht sich lustig über seinen ehemaligen The-Police-Kollegen (als er The Police zum ersten Mal erwähnt, spricht er vom „P-Word“) und ewigen Widersacher Sting, den er jedoch auch als „genius“ bezeichnet („don’t tell him I said this“).
Der Mann, der als einer der besten Drummer der Welt gilt, erklärt, dass manche Police-Stücke in der Original-Fassung belassen und lediglich um Orchester-Begleitung erweitert, andere wiederum ziemlich abgefahren umarrangiert worden seien. Demjenigen, dem es zuerst gelinge, diese zu erkennen, winke „a trip in the private jet“. Dazu gehören „Roxanne“ und „Every Breath You Take“, die in der Tat zu den stärksten Momenten des Abends zählen.
The rhythm stick
Weitere Highlights sind die etwas unbekannteren Songs „Murder By Numbers“ und „One World“ sowie die Copeland-Solonummer „The Equalizer“. Letztgenanntes Stück wird von der Dirigentin folgendermaßen angekündigt: „You noticed what this man can do with two sticks. Let’s see now what he can do with one stick.“ Copeland pfeffert einen Trommelstock an den Bühnenrand und springt mit dem anderen Klöppel aufs Dirigentenpult, von wo aus er das ganze Ensemble theatralisch durch diese brillante Instrumentalnummer führt, die stark an die klassischen Kompositionen Frank Zappas erinnert.
Wir dürfen dann noch bei „Walking On The Moon“ das berühmte „Io, ioioio“ mitsingen („Sting wrote some very complicated lyrics“), während Bassistin Carole Weber einen sehr ordentlichen Sting-Part am Bass übernimmt, ehe bei „Every Little Thing She Does“ die Sängerinnen Sarah, Rachel und Liza zur Höchstform auflaufen. Nicht alle Songs eigneten sich an diesem Abend für ihre Stimmlage bzw. es wurde einem bewusst, dass der Teufelskerl Sting dann doch nicht so einfach zu ersetzen ist.
Peanuts
Nach dem Medley „Can’t Stand Losing You / Regatta De Blanc / Synchronicity“ ist dann Schluss, obwohl bei sämtlichen Beteiligten noch spürbarer Nachholbedarf bestanden hätte. Unsere englischen Nachbarn auf der Wiese fordern lautstark „Peanuts“ vom allerersten Police-Album „Outlandos d’amour“ (zweifellos Insider), während ich mir persönlich „Wrapped Around Your Finger“ gewünscht hätte. Außerdem fragt man sich, wieso Copeland fast ausschließlich auf Sting-Material zurückgegriffen und ausgezeichnete Eigenkompositionen wie „Miss Gradenko“, „Darkness“ oder „Don’t Box Me in“ außen vor gelassen hat.
Wie dem auch sei, wir schließen diesen Beitrag mit einer kleinen Anekdote des guten alten Keith Richards (bitte seinen 80. Geburtstag am 18. Dezember dieses Jahres bereits vormerken): „Es klopfte an unserer Garderobentür. Unser Manager brüllte: ‚Keith! Ron! Die Polizei ist da!‘ Mann, wir wurden panisch, spülten alles im Klo runter. Dann öffnete er die Tür. Herein kamen Stewart Copeland und Sting.“
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