Bei der Union gab man sich am Sonntag nach der mit Spannung erwarteten Erklärung des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) zur Causa Aiwanger erst einmal zugeknöpft. Kein führender CDU-Mann wollte sich zu den Ereignissen in Bayern äußern, zu Söders Entscheidung, Aiwanger im Amt des Vize-Ministerpräsidenten und bayerischen Wirtschaftsminister zu halten.
Ein Beweis, dass das antisemitische Flugblatt aus der Jugendzeit von Aiwanger und nicht von seinem Bruder stamme, gebe es nicht, hatte Söder begründet. Offenbar auch nicht hinsichtlich weiterer Vorwürfe, die dem Chef der Freien Wähler gemacht worden waren. Aiwanger hatte zuvor ein langes persönliches Gespräch mit Söder und zudem die 25 Fragen an ihn schriftlich beantwortet – freilich größtenteils wenig konkret. Auch Söder zeigte sich mit den Antworten nicht zufrieden.
Bei der Schwesterpartei CDU war man vor allem froh, dass es sich um eine bayerische Angelegenheit handelt; das sei ein „1a CSU-Thema“ hieß es hinter den Kulissen. Schon während der Klausur des Fraktionsvorstands im sauerländischen Schmallenberg Ende vergangener Woche hatte sich der sonst so beredsame CDU-Chef Friedrich Merz bewusst zurückgehalten. Das sei eine Angelegenheit, die in Bayern entschieden werden müsse, so Merz auf Nachfrage. Nicht wenige empfinden in der CDU freilich eine gewisse Genugtuung, dass Söder in der Affäre den Krisenmanager geben muss und mit unter Druck geraten ist. Die Querschüsse des Bayern im Bundestagswahlkampf wirken bis heute nach.
Es ist nicht entscheidend, was man als 16-Jähriger sagt, sondern wie man als 52-Jähriger damit umgeht
Keine Trennung von Aiwanger, und die Freien Wähler möchte er nach der Landtagswahl Anfang Oktober als „bürgerlichen“ Koalitionspartner behalten – das war Söders Botschaft. „Es ist nicht entscheidend, was man als 16-Jähriger sagt, sondern wie man als 52-Jähriger damit umgeht“, so Söder bei seiner Pressekonferenz. Da habe Aiwanger zwar auch daneben gelangt, eine Entlassung sei aber nicht verhältnismäßig. Aiwanger seinerseits sprach auch nach dem Söder-Freispruch von einer Hexenjagd, die ihm widerfahre. Er machte einfach weiter wie bisher.
Aus der CDU ließ sich dann doch noch jemand etwas entlocken. Der Parlamentsgeschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei (CDU), sagte unserer Redaktion: „Es darf bei Aiwanger nun nichts Neues mehr hinzukommen.“ Zugleich stärkte er Söder den Rücken. „Die Gründe, die der bayerische Ministerpräsident anführt, sind plausibel.“ Söder habe sich seine Entscheidung nicht leicht gemacht, sagte Frei, „und in einer schwierigen Situation eine sehr nachvollziehbare und wohl abgewogene Entscheidung getroffen“.
„Großer Fehler, fatales Signal“
Beim politischen Gegner sah man das freilich anders, besonders bei der SPD. Die Co-Vorsitzende Saskia Esken sagte unserer Redaktion: „Die Entscheidung von Markus Söder ist in meinen Augen ein großer Fehler und sie ist ein fatales Signal.“ Sie sei Wasser auf die Mühlen derjenigen, die die NS-Zeit, Antisemitismus und Rassismus verharmlosten, ergänzte Esken. Eine solche Haltung dürfe keinen Platz in der Gesellschaft und erst recht nicht auf einer Regierungsbank finden.
„Nicht nur das mögliche Verhalten Hubert Aiwangers in seiner Jugend, sondern vor allem sein heutiger Umgang damit zeigt für mich ganz klar, dass er ungeeignet ist, Verantwortung in einer Regierung zu übernehmen“, erklärte Esken weiter. Sein Verhalten und das der Freien Wähler habe Bayern und Deutschland international großen Schaden zugefügt. Söder sei offenbar nicht imstande, „diesen Schaden und auch den für seine Regierung zu erkennen“, meinte Esken. Vom einem erheblichen Schaden für Bayern hatte auch der CSU-Chef bei seiner Pressekonferenz gesprochen.
Eskens Partner im Parteivorsitz, Lars Klingbeil, schoss ebenso scharf gegen Söder. Am Rande der Feierlichkeiten zu 120 Jahren SPD im saarländischen Dillingen sagte er nach Informationen unserer Redaktion: „So einfach geht es nicht. Wenn jemand ein antisemitisches Flugblatt mit sich rumträgt, dann sind Fragen und kritische Nachfragen erlaubt.“ Es sei skandalös, so Klingbeil weiter, wie Söder seit Tagen laviere und keine Führung zeige. Söder gehe es nicht um Bayern oder die Bürger. „Es geht allein um die Frage, was ist das Beste für Markus Söder. Und ich finde, das darf gerade bei diesem Thema in diesen Zeiten nicht sein“, so Klingbeil. Ausgestanden ist die Affäre noch lange nicht.
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