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ReykjavikGipfeltreffen des Europarates mit Xavier Bettel – erst der vierte Termin dieser Art seit der Gründung

Reykjavik / Gipfeltreffen des Europarates mit Xavier Bettel – erst der vierte Termin dieser Art seit der Gründung
Landschaft in Island: Das Land beherbergt jetzt eines der seltenen Treffen des Europarates Foto: Editpress-Archiv/Jerry Gerard

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Xavier Bettel reist an diesem Dienstag zum seltenen Treffen des Europarates, nächsten Monat zum gewöhnlichen Treffen des Europäischen Rates – und macht damit deutlich, welche Verwechselbarkeit sich Europa mit seinen Institutionen leistet.

Feinschmecker wissen es natürlich sofort, wenn der Premier, aber auch der deutsche Bundeskanzler oder der französische Präsident an diesem Dienstag zu einem Gipfeltreffen des Europarates nach Reykjavik reisen und dort ein Bekenntnis zur Demokratie in schwierigen Zeiten geben: Hier geht es nicht um die EU. Denn im Alphabet der EU-Mitgliedstaaten gibt es zwischen Irland und Italien eine Lücke: Island gehört nicht dazu. Und doch sind die Nordlichter Gastgeber für das europäische Gipfeltreffen. So müssen die Europäer denn lernen, dass der Europarat und der Europäische Rat nichts miteinander zu tun haben, schon gar nichts mit dem Rat der EU. Und das ist erst der Anfang der europäischen Verwirrung.

Auch dieses Mal bemühen sich die Akteure gleichwohl um das Verbindende. „Wir haben die gleiche DNA“, meint am Montag Charles Michel in Brüssel bei einem Ausblick auf den Europarat. Der ehemalige belgische Regierungschef ist seit 2019 Präsident des Europäischen Rates. Als solcher darf er auch am Treffen des Europarates teilnehmen. Sowohl in den Gremien der EU als auch denen des Europarates gehe es darum, Demokratie und Menschenrechte in ganz Europa zu garantieren, unterstreicht Michel.

Doch es gibt große Unterschiede. Wenn Michel einen Gipfel des Europäischen Rates eröffnet, kann er 27 Staats- und Regierungschefs begrüßen. Und das tut er mindestens viermal im Jahr. Wenn Islands Regierungschefin Katrin Jakobsdottir an diesem Dienstag die Gäste des Europarates willkommen heißt, trifft sie auf 46 Staats- und Regierungschefs – und es ist erst das vierte Gipfeltreffen in 74 Jahren.

Der Europarat ist größer und älter als der Europäische Rat. Er stand jedoch am Anfang der Europäischen Integration. Heute sind alle EU-Mitglieder auch Mitglieder des Europarates. Und wer EU-Mitglied wird, ist in der Regel vorher auch Mitglied des Europarates gewesen. Doch es gibt keine Logik, dass aus dem Europa der 27 auch mal ein Europa der 46 wird. So sind Armenien und Aserbaidschan genauso Mitglied im Europarat wie Großbritannien und die Schweiz – sie streben aber alle vier derzeit nicht in die EU. Im Europarat fühlen sich zwar alle den gleichen Grundlagen des Zusammenlebens und der Achtung von Minderheitenrechten verpflichtet, wollen jedoch nicht alle eine Angleichung ihrer Rechtssysteme und eine Abgabe eines Teiles ihrer Hoheitsrechte an die Europäische Union.

Russlands Angriff hat alles verändert

Mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine ist die Bedeutung dieser europäischen Grundwerte noch schärfer hervorgetreten. Wenige Wochen nach Beginn des Krieges entschied sich der Europarat, die Mitgliedschaft Russlands zu beenden. Wie es mit dem Krieg Russlands nun weiter geht, und welche Unterstützung der Europarat der Ukraine geben kann, ist ein Thema in Reykjavik. So könnte ein Schadensregister angelegt werden – als Vorstufe für Entschädigungsansprüche.

Während also der Europarat die EU-Staaten und viele mehr umfasst, dabei aber keinerlei Einfluss auf die EU-Gesetzgebung hat, ist das bei den anderen Räten anders. Der schon erwähnte Europäische Rat wird zwar als wichtigste Instanz angesehen, weil hier die Chefs immer wieder bis zuletzt um Kompromisse für die wichtigsten EU-Projekte ringen. Doch formal wichtiger für die Beschlussfassung ist der Rat der EU. Denn die Staats- und Regierungschefs formulieren lediglich „Schlussfolgerungen“, die als Leitlinien für weitere Beratungen angesehen werden. Was konkret daraus wird, entscheiden dann drei andere Gremien. Der Rat der EU, die EU-Kommission und das Europäische Parlament.

Der Rat der EU wird auch Ministerrat genannt und ist eigentlich nicht ein Rat, sondern viele. Er bildet das Organ der EU-Gesetzgebung, doch gibt es ihn ständig in zehn verschiedenen Ausführungen, bei Bedarf auch mehr. Da gibt es den Außenrat, den Allgemeinen Rat, den Fischereirat, den Wettbewerbsrat, den Finanz- und Wirtschaftsrat („Ecofin“), den Sozialrat und weitere andere Zusammensetzungen mit den jeweiligen Fachministern der Mitgliedsstaaten. Ab und zu gibt es auch einen „Jumborat“, das ist ein Außenrat, an dem neben den Außenministern auch die Verteidigungsminister teilnehmen.

Geleitet werden fast alle Sitzungen vom Minister der jeweiligen Ratspräsidentschaft. Darin wechseln sich die EU-Mitglieder alle sechs Monate ab. Derzeit versucht Schweden, auf allen Feldern Kompromisse zu organisieren. Am 1. Juli übernimmt Spanien, dann folgen im nächsten Jahr Belgien und Ungarn, dann Polen und Dänemark. 

Der Sitzungskalender bringt es mit sich, dass sich die Gipfelformate im Frühling und Frühsommer verdichten. Dem Europarat jetzt in Reykjavik folgt Mitte Juni der Europäische Rat in Brüssel. Doch dazwischen liegt ein weiterer Gipfel: der jener neuen Europäischen Politischen Gemeinschaft, die am 1. Juni im moldawischen Chisinau zusammentritt. Sie hatte letzten Herbst in Prag Premiere und will sich noch mehr um die strategische Ausrichtung Europas kümmern. Die Mitglieder sind nahezu deckungsgleich mit denen des Europarates – plus Kosovo, Moldau und Vatikanstaat. Aber auch sie suchen vor allem eines: Rat.

Verwechslungsgefahr auch vor Gericht

Wenn es um die gerichtliche Durchsetzung der Regeln und um Klärung von Konflikten geht, ist ebenfalls genau auf die Bezeichnung zu achten.
Europäischer Gerichtshof (EuGH): Er ist das höchste Gericht der Europäischen Union und die letzte Instanz in der Auslegung und Anwendung von EU-Recht. Der EuGH entscheidet in Berufungsverfahren auch über Rechtsmittel gegen Entscheidungen des EU-Gerichtes, das in erster Instanz Streitigkeiten bewertet. Neben dem EU-Gericht gibt es ebenfalls erstinstanzlich Fachgerichte der EU, die sich etwa um Beschwerden von EU-Beamten gegen die EU befassen. Der EuGH entscheidet oft im Interesse einzelner Bürger, die sich im Konflikt mit nationalen Behörden auf ihre EU-Grundrechte berufen. Die EU-Gerichte sitzen in Luxemburg.
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR): Er ist kein EU-Organ, sondern eine Einrichtung des Europarates. Damit wollen die Mitglieder sicherstellen, dass die Bürgerrechte aus der Europäischen Menschenrechtskonvention in allen Mitgliedstaaten Geltung haben. Der EGMR sitzt in Straßburg.