Bleiben die brutalen Geschehnisse der ersten Kirmesnacht für immer im Dunkeln? In der Nacht auf Samstag, 19. August, wurde auf der Kirmes in der Wittlicher Innenstadt (Deutschland) ein 28-Jähriger getötet. Für den Tod des Mannes sind laut Obduktionsergebnis mehrere Messerstiche im Oberkörperbereich ursächlich. „Er ist letztlich verblutet“, erklärt die Staatsanwaltschaft. Nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen sei es im Zuge eines Streits in der Nacht zu Samstag zu „einem Gerangel“ gekommen, bei dem zwei US-amerikanische Militärangehörige auf das Opfer losgegangen sein sollen.
Hinweise auf ein mögliches Motiv gebe es nicht, so die Staatsanwaltschaft. Wie sich die Tat gegen 2.40 Uhr in der Trierer Straße im Festbereich der Säubrennerkirmes im Einzelnen zugetragen hat, das ist zum aktuellen Zeitpunkt, wenn überhaupt, den Ermittlern bekannt.
Die Gerüchteküche brodelt. In der Stadt kursieren viele verschiedene Versionen dazu, wie sich die Auseinandersetzung zugetragen haben soll. Aber niemand weiß etwas Genaues, da auch die Zahl der Augenzeugen – wie man hört – zu dieser späten Stunde sehr gering gewesen sein soll. Im Einsatz in dieser Nacht waren jedoch nicht nur die Ermittlungsbehörden, sondern auch ehrenamtliche Helfer. Der Trierische Volksfreund hat mit Bastian Egger, Bereitschaftsleiter des DRK-Ortsverein Wittlich und ausgebildeter Notfallsanitäter, über den Einsatz des Rettungsdienstes gesprochen. Die Sanitäter vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) waren noch vor der Polizei bei dem Verletzten am Tatort in der Trierer Straße.
„Es ist ja direkt um die Ecke passiert. Jemand kam gelaufen und hat uns gerufen“, sagt Egger. Die Sanitätsstation des DRK auf der Kirmes lag nur wenige Meter vom Tatort entfernt in der Feldstraße. Obwohl das Musikprogramm und damit der offizielle Teil der Kirmes bereits seit ein Uhr in der Nacht vorbei waren, war das DRK zum Tatzeitpunkt noch mit drei Rettungswagen und Personal vor Ort – und das nur wenige Meter vom Tatort entfernt.
„Wir schauen immer, wie die Lage ist. Klar, es ging so langsam Richtung Feierabend. Aber da standen immer noch Leute rum und auch einige Stände hatten noch geöffnet“, sagt Egger. Deshalb seien die Rettungs- und Notfallsanitäter „ruckzuck“ vor Ort gewesen, als sie in der Nacht auf Samstag gegen 2.40 Uhr zu der Auseinandersetzung in der Trierer Straße gerufen wurden. Ein erstes Team sei in weniger als einer Minute vor Ort gewesen. „Solch eine Nähe ist in der Regel ein Glücksfall.“
„Verheerend“
Doch die ehrenamtlichen Sanitäter hätten bei diesem Einsatz zunächst mal ein „richtig mulmiges Gefühl“ gehabt. „Das war kein alltäglicher Einsatz. Das war schon verheerend.“ Zu diesem Zeitpunkt seien die Tatverdächtigen ja auch noch nicht gefasst worden, sondern noch mit einem Messer in der Stadt unterwegs gewesen.
Da stelle man sich als ehrenamtlicher Helfer schon die Frage: „Vielleicht wollen die gar nicht, dass wir dem Opfer helfen. Da war ja noch gar nicht klar, ob da nicht jemand mit einem Messer Jagd auf Menschen macht oder ob das ein Streit unter einzelnen Personen war.“ Obwohl für die ehrenamtlichen DRK-Helfer der Selbstschutz erst mal Vorrang habe, so Egger, haben die Notfallsanitäter das Opfer sofort vor Ort versorgt. „Dann waren auch schnell Polizei und andere Helfer vor Ort, haben die Einsatzstelle abgeschirmt, sodass wir in Ruhe arbeiten konnten.“
Aus Datenschutzgründen darf sich Egger jedoch nicht zur Notfallversorgung in diesem konkreten Einzelfall äußern. Dabei stellt sich wohl vielen Menschen die Frage, wie das Opfer, das nur wenige Meter von der Sanitätsdienstelle Opfer einer Messerattacke wurde, verbluten konnte.
Egger erklärt, dass selbst ausgebildete Notfallsanitäter bei schwerwiegenden Verletzungen nicht alles machen können. „Es gibt noch eine gewisse Medizin, die man machen kann, wie beispielsweise die, dass Leute nicht so schnell bluten.“ Aufgabe des Sanitätsdienstes sei es, den Patienten zu stabilisieren, damit er ins Krankenhaus transportiert werden könne. Dazu gehöre es, Blutdruck und Kreislauf zu stabilisieren, den Patienten künstlich zu beatmen oder spezielle Infusionen zu verabreichen, sagt Egger.
Sanitäter stabilisieren Opfer bis in den Rettungswagen
„Aber Dinge, die nur auf dem Operationstisch geleistet werden können, können wir da draußen nicht machen.“ Der Rettungsdienst sei schnell vor Ort gewesen und habe alle Maßnahmen getroffen, die machbar gewesen seien. Und auch ein Notarzt vom Verbundkrankenhaus war schnell am Einsatzort. Wie Egger erklärt, sei der 28-Jährige nach rund zehn Minuten in einen Rettungswagen gebracht worden.
Mehr Informationen gibt es auch vom DRK nicht. Ob der 28-Jährige im Rettungswagen oder in einem Krankenhaus gestorben ist, darüber kann nur spekuliert werden. Er ist jedenfalls nicht in der Wittlicher Fußgängerzone gestorben. Das erklärt auch, warum Passanten dort weder Blutlachen noch Kreidestriche gesehen haben, wie sie an einem Tatort, an dem ein Mensch an solch einer Gewalttat gestorben ist, zu erwarten gewesen wären.
Obwohl er so schnell zur Stelle war, seien dem Sanitätsdienst nicht im Geringsten Vorwürfe zu machen. Egger: „Die Sanitäter haben eine gute Arbeit gemacht und haben alles versucht – und da war ja auch noch ein sehr erfahrener Notarzt im Einsatz.“ Das Opfer der Messerattacke ist leider dennoch verblutet. „Die Frage ist ja immer, was durch Messerstiche verletzt wird. Wurde ein Gefäß getroffen? Wenn die Lunge getroffen wird, dann kollabiert sie. Wird die Milz getroffen, platzt sie. Stichwunden bluten nicht nur nach außen. Es gibt auch innere Blutungen und Dinge, die nur operativ gemacht werden können.“
Die Sanitäter des DRK, sagt Egger, hätten alle Maßnahmen getroffen, „die wir machen mussten“. Aber draußen sei nicht alles machbar, sagt Egger. „Das ist auch manchmal bei schweren Herzinfarkten oder vielen Verkehrsunfällen so. Es kommt auf das Verletzungsmuster an.“
Kirmesbilanz: Sanitäter behandeln 224 Menschen
Der Sanitätsdienst des DRK hatte an allen Kirmestagen zusammengerechnet insgesamt 71 Patienten zu behandeln. 14 davon mussten ins Krankenhaus eingeliefert werden. „Es gab nur zwei Alkoholvergiftungen, viele Wespenstiche und Kreislaufprobleme wegen der Hitze. Aber das war alles im Rahmen.“ Die Rettungskräfte des Malteser Hilfsdienstes, die für den Rummelplatz zuständig waren, zählten 153 Behandlungen – hauptsächlich Insektenstiche und Kreislaufprobleme aufgrund der Hitze.
Normalerweise herrsche auf der Säubrennerkrimes eine friedliche Grundstimmung, sagt Egger. „Aber es kann überall mal was passieren, auch hier im ländlichen Raum. Das lässt sich nicht verhindern.“
Sanitäter sowie auch Einsatzkräfte von der Polizei, die im Einsatz waren, würden nun von der DRK-Notfallnachsorge betreut, sagt Egger. Dabei gehe es darum, dass das Erlebte verarbeitet werden kann und sich Leute nicht zurückziehen, sondern offene Gespräche über die Belastungen im Einsatz geführt werden. „Da bekommen die Kollegen auch gesagt: Ihr habt alles gut gemacht. Man kann nicht jeden retten. Das ist leider so.“
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