75 Jahre danachGedenken an die 91 erschossenen Luxemburger

75 Jahre danach / Gedenken an die 91 erschossenen Luxemburger
Zahlreiche Ehrengäste und Schüler gedachten der Toten des Massakers von Sonnenburg Foto: Editpress/Anne Lommel

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Im polnischen Sonnenburg (heute Slonsk) wurden vor 75 Jahren 819 Häftlinge von den Nazis ermordet. Die Schüler des „Lënster Lycée“ gedachten gestern der Opfer mit einer „Matinée commémorative du massacre de Slonsk“. 

Zu Beginn der Gedenkzeremonie sang Luc Nilles „Le chant des marais“, eine französische Fassung des bekannten Liedes „Die Moorsoldaten“. Häftlinge eines Konzentrationslagers im Emsland hatten das Lied immer dann gesungen, wenn sie mit einfachen Werkzeugen und unter unmenschlichen Bedingungen das Moor kultivieren mussten. Auf einer Leinwand im Hintergrund wurden Schwarz-Weiß-Fotos, die im Februar 1945 von den Befreiern des ehemaligen Konzentrationslagers Sonnenburg aufgenommen wurden, gezeigt. Zu sehen waren riesige Leichenberge. Daneben standen bis auf die Knochen abgemagerte Häftlinge und Soldaten der Roten Armee. Bilder, die auch nach 75 Jahren schockieren und die Gräueltaten des Zweiten Weltkriegs ins kollektive Gedächtnis rufen sollen. Schweigend und mit steinernen Mienen ließen die Schüler das Lied und die grausamen Bilder auf sich wirken.   

Geschichtliche Fakten rund um das Massaker in Sonnenburg lieferte ein kurzes Theaterstück. In der Nacht vom 30. auf den 31. Januar 1945 richtete ein Sonderkommando unter SS-Hauptsturmführer Wilhelm Nickel im Zuchthaus von Sonnenburg ein Blutbad an. 819 junge Männer wurden in dieser Nacht hingerichtet. Unter den Opfern waren auch 91 Luxemburger. Es sollte der größte Massenmord an Luxemburgern während des Zweiten Weltkrieges werden. Die Männer waren zwischen 18 und 23 Jahre alt. Die Luxemburger befanden sich im Zuchthaus, weil sie sich der Zwangsrekrutierung in Hitlers Armee widersetzt hatten. Am 2. Februar 1945 erreichten erste Einheiten der Roten Armee Sonnenburg und befreiten die nach der Evakuierung des Zuchthauses und der Flucht der Nazis dort noch verbliebenen wenigen Häftlinge, darunter sechs Überlebende des Massakers. Während der „Matinée commémorative du massacre de Slonsk“ wurden Augenzeugenberichte von Letzteren vorgelesen, die sich mit den hygienischen Bedingungen im Lager befassten und damit, wie ein Häftling das Massaker schwer verletzt mit einer Kugel im Kopf überlebte. 

Gegenkultur der Toleranz

„Für militärische Erfolge wurden die Luxemburger Soldaten nicht gebraucht. Es ging den Nazis allein darum, gesamte Luxemburger Jugend auszulöschen“, erklärte Erny Lamborelle, der Präsident der Luxemburger Zwangsrekrutierten. Um den Schülern vor Augen zu führen, wie schnell Einwohner während der Besatzung der Nazis in einem Lager landeten, sprach Lamborelle zudem über das tödliche Attentat auf den Ortsgruppenleiter Alfons Calmes im Juli 1944 in der Nähe von Junglinster. Die Nazis hatten damals 63 Bewohner der Gemeinde festnehmen lassen. Einige wurde freigelassen, andere deportiert.  

Tom Nobel, der Direktor des „Lënster Lycée“, warnte die anwesenden Schüler vor Rassismus und Intoleranz. In einer Zeit, in der rechte Parteien immer mehr Zulauf erhalten, müsse man genau hinhören und den Rechten entschlossen entgegentreten, forderte er. Auch Verteidigungsminister François Bausch warnte davor, dass sich die Geschichte wiederholt. „Durch die sozialen Medien verbreiten sich Hassparolen schneller als bislang. Hier gilt es, eine Gegenkultur der Toleranz und des Respekts zu schaffen. Die Opfer dürfen nicht umsonst gestorben sein“, ermahnte der Minister, der sich nach der Gedenkzeremonie in Junglinster auf den Weg nach Polen machte.