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Brics-Staaten und IndustrieländerG20-Gipfel in Indien: Das Gespenst der Spaltung sitzt mit am Tisch

Brics-Staaten und Industrieländer / G20-Gipfel in Indien: Das Gespenst der Spaltung sitzt mit am Tisch
„Gemeinsam globale Lösungen voranbringen“ – ein G20-Plakat in der indischen Hauptstadt Neu-Delhi. Dort treten von Samstag und am Sonntag die Köpfe der G20-Gruppe zusammen. Foto: AFP

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Die Brics-Staaten wurden einst als interessantes Format betrachtet, weil es sich um wirtschaftlich dynamisch wachsende Schwellenländer handelt. Doch nun werden sie zur Herausforderung auch für das G20-Treffen in Indien. Wie gefährlich der Schulterschluss mit Russland für die EU ist.

Wenn von diesem Samstag an die Vertreter der weltweit wichtigsten Industrie- und Schwellenländer beim G20-Treffen in Indien zusammensitzen, werden die Bilder so etwas wie Augenhöhe und gemeinsame Sorge um die Welt suggerieren. Doch das Gespenst der Spaltung sitzt drohend wie selten zuvor mit im Saal. Seit die Gruppe der Brics-Staaten in Südafrika vor zwei Wochen die Muskeln spielen ließ, dürften sich in Neu-Delhi Brics- und G7-Mitglieder besonders belauern.

Bereits im vergangenen Jahr haben die Brics-Länder den G7-Staaten im globalen Vergleich den Rang abgelaufen. Mehr Menschen zählten Brasilien, Indien, China und Südafrika schon seit langem. Nun ist ihre nach den Anfangsbuchstaben dieser Staaten benannte Gruppe auch bei dem Anteil an der globalen Kaufkraft am großen westlichen Bruder vorbeimarschiert. Wenn zur Jahreswende aus Brics ein um weitere sechs Länder erweitertes Brics-plus-Format entsteht, vergrößert sich der Abstand noch mehr.

Für die EU erwächst hier aktuell ein besonderes Problem. Sie sitzt sowohl bei den G7 als auch bei den G20 mit am Tisch und hat seit Februar vergangenen Jahres weltweit die Blicke auf den Angriffskrieg gegen die Ukraine zu lenken versucht, dabei an einer Isolierung und Verurteilung Russlands gearbeitet. Deshalb erscheint es nun als immens prekär, wenn die Staatengruppe mit dem größten Anteil an Bevölkerung und Wirtschaftsschluss den scheinbaren Schulterschluss mit Russland nicht nur nicht aufgibt, sondern auch noch sechs weitere Staaten hinzugewinnt.

40 Länder melden Interesse

Offiziell eingeladen wurden Ägypten, Argentinien, Äthiopien, der Iran, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate. Vor dem Gipfel berichteten Diplomaten in Südafrika, dass insgesamt (40) Länder ihr Interesse an einer Brics-Mitgliedschaft signalisiert hätten. Das würde das Aus jedes Versuches bedeuten, den weltweiten Druck auf ein aggressives Russland zu erhöhen – wenn denn eine Brics-Mitgliedschaft automatisch auf eine Russland-Partnerschaft hinausliefe.

Die Motive für ein Unterhaken bei Brics sind allerdings sehr unterschiedlich. Natürlich entwickelt sich bei vielen südlichen Ländern die Sympathie für Brics auch aus dem Gefühl heraus, vom Westen immer noch bevormundet zu werden. Die jüngsten EU-Gesetze zur Lieferkette oder zur Waldstrategie haben dieser Interpretation neue Nahrung gegeben. Wenn die EU für Geschäfte die Art der Entlohnung, Beschäftigung und Bepflanzung vor Ort vorgibt, ist es in den betroffenen Regionen Afrikas, Asiens und Amerikas nicht weit bis zum Vorwurf eines neuen Kolonialismus.

Da kommt eine Struktur wie gerufen, die mit einer Brics-Bank eine Alternative für Weltbank und Währungsfonds bietet und die bei ihren Zusammenkünften die Interessen der Regionen außerhalb von EU, USA und deren Partnern strategisch aufbereitet und gegen diese abzusprechen versucht. Angeblich laufen Vorbereitungen für den Versuch, Dollar und Euro mit einer goldgestützten Brics-Leitwährung den globalen Rang abzulaufen.

Zehnerformat für Demokratien

Christoph Heusgen, der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz, hat als Reaktion nun eine Erweiterung der G7-Länder zum Beispiel um Australien und Südkorea ins Gespräch gebracht – und damit eine alte Idee wiederbelebt. Bereits vor drei Jahren entwickelte Großbritannien den Vorschlag, aus dem G7- ein D10-Format zu machen und damit die zehn wichtigsten Demokratien der Welt zusammenzubringen, somit letztlich auch Indien von den Brics abzuwerben. Seinerzeit hatten auch Länder wie Deutschland und Frankreich Sorge, China damit vor den Kopf zu stoßen. Das könnte nach den neuerlichen Entwicklungen und angesichts des zunehmend aggressiven Kurses Pekings aktuell anders bewertet werden.

„Russland und China haben ein großes Interesse daran, die institutionalisierte Vormachtstellung des Westens zu beenden“, analysiert der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Europa-Parlaments, David McAllister. Es sei daher „kein Zufall“ gewesen, dass Moskau mit Belarus, Iran und Venezuela drei mögliche Mitgliedstaaten vorgeschlagen habe, die das Putin-Regime und den Angriffskrieg gegen die Ukraine unterstützten. Allerdings sei die Formierung der Brics „kein automatischer Abgesang auf den Westen und unsere demokratischen und freiheitlichen Werte“, betont der CDU-Außenexperte. Die Brics-Staaten seien nicht nur in ihrer wirtschaftlichen Leistungskraft, sondern auch ideell und politisch gespalten. „Die chinesische Dominanz führt schon jetzt zu internen Konflikten“, unterstreicht McAllister.

Das war auch den beiden Resolutionen der UN-Vollversammlung gegen Russlands Angriffskrieg zu entnehmen. Der Verurteilung stimmten jeweils auch Brics-Mitglied Brasilien und die Brics-Beitrittskandidaten Ägypten, Argentinien, Saudi-Arabien und VAE zu. Nur Russland stimmte dagegen, die anderen Brics-Staaten Indien, China und Südafrika distanzierten sich durch Enthaltung. Wenn es zum Schwur für oder gegen Krieg kommt, schwindet der Schulterschluss.

„Wir müssen unsere Zusammenarbeit mit aktuellen und potenziellen demokratischen Brics-Ländern deutlich ausbauen“, fordert McAllister. Er versteht darunter, den Freihandel mit Partnern voranzutreiben und bereits verhandelte Abkommen, wie beispielsweise Mercosur, „endlich zum Abschluss zu bringen“. Das Gebot der Stunde seien „Pragmatismus und Diplomatie auf Augenhöhe“.

Drei Gruppen mit globalem Anspruch

Die G20 bestehen aus Argentinien, Australien, Brasilien, China, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Indien, Indonesien, Italien, Japan, Kanada, Mexiko, Russland, Saudi-Arabien, Südafrika, Südkorea, Türkei, USA und EU.

Die G7 werden gebildet von Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Kanada, den USA und der EU als Gast.

Die Brics-Staaten bilden Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika, künftig vermutlich auch Ägypten, Argentinien, Äthiopien, Iran, Saudi-Arabien und Vereinigte Arabische Emirate.