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Leihelternschaft in LuxemburgG-Dad: „Wir kämpfen seit zehn Jahren um die Anerkennung“

Leihelternschaft in Luxemburg / G-Dad: „Wir kämpfen seit zehn Jahren um die Anerkennung“
Sorge statt Spiel: Wenn juristische Ungereimtheiten zu Instabilität in Familien führt Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

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Die luxemburgische Justiz diskriminiert weiterhin Kinder gleichgeschlechtlicher Paare. Besonders jene, die von einer Leihmutter ausgetragen wurden. Eine Besserung ist nicht in Sicht.

Kurz nach acht klingelt das Telefon: Es ist Tom, Koordinator der G-Dads des queeren Zentrums Cigale. Mit seinem Anruf reagiert er auf eine Interviewanfrage des Tageblatt, unter anderem zur Anmeldung von Kindern, die durch eine Leihmutter ausgetragen wurden. Eine Praxis, auf die neben heterosexuellen Paaren auch viele schwule Wunscheltern zurückgreifen. „Wir kämpfen seit zehn Jahren um die Anerkennung unserer Elternschaft“, sagt Tom. Ein Kampf, den die G-Dads – eine Gruppe von ca. 40 schwulen Vätern – auf unbestimmte Zeit weiterführen müssen.

Erfüllen sich gleichgeschlechtliche Paare ihren Kinderwunsch mithilfe einer Leihmutter oder durch medizinisch assistierte Befruchtung, wird nach der Geburt nur ein Elternteil automatisch anerkannt – entweder die gebärende Person oder jene, die den Samen spendete. Ist das Paar verheiratet, kann der verbleibende Elternteil drei Monate nach der Geburt einen Adoptionsantrag stellen. „Bis dahin kann das Paar nur hoffen, dass nichts schiefläuft“, so Tom. „Stirbt der nicht anerkannte Elternteil im Laufe der Prozedur, hat das Kind kein Anrecht auf die Waisenrente oder das Erbe. Trennen sich die Eltern und es kommt zum Kontaktabbruch, kann der betroffene Elternteil das Sorgerecht nicht vor Gericht anfechten.“ Fälle, die Tom bekannt sind. Die Leidtragenden seien dabei immer die Kinder, die zu beiden Eltern eine enge Bindung aufbauen würden.

Nach der Grauzone das Verbot?

Grund für diese Situation ist das Gesetz zum Abstammungsverhältnis. Eine Reform des geltenden Gesetzestextes wurde bereits 2013 unter dem damaligen Justizminister François Biltgen (CSV) in die Wege geleitet. Seitdem taucht das Dossier immer wieder in öffentlichen Debatten auf, wandert von der Abgeordnetenkammer zurück in die zuständige Kommission. Der aktuelle Entwurf würde die automatische Anerkennung gleichgeschlechtlicher Elternschaft ermöglichen, aber auch die Leihmutterschaft in Luxemburg unter Strafe stellen. Momentan ist jene in Luxemburg weder verboten noch erlaubt. Fortschritte in der Bearbeitung des Dossiers lassen weiter auf sich warten. Zuletzt bewertete u.a. der Staatsrat den Entwurf negativ und forderte, das Gesetz solle ebenfalls bioethische Aspekte regeln. „Deswegen muss der ganze Text überarbeitet werden“, so die Pressestelle des Justizministeriums auf Nachfrage des Tageblatt. „Wegen der juristischen Komplexität ist es unmöglich, zu sagen, wann die Arbeiten abgeschlossen sind.“

Das Regierungsprogramm gibt wenig Hoffnung auf die Lösung des Problems. Obwohl CSV und DP sich in ihren Programmen zur Nationalwahl 2023 für die automatische Anerkennung gleichgeschlechtlicher Elternschaft aussprachen, findet sich im Koalitionsvertrag hierzu nur folgende Angabe: „En cas d’adoption (…) une reconnaissance automatique des deux parents de même sexe sera établie.“ Für die betroffenen Eltern ändert sich laut dieser Textstelle also erst mal nichts.

Unberührt bleiben auch die Bestimmungen rund um die Leihmutterschaft. Ist im Koalitionsvertrag die Rede davon, die Regierung führe zwar keine Regelung zur Leihmutterschaft ein, verfolge jedoch die Entwicklungen in Europa, machte Justizministerin Elisabeth Margue (CSV) kürzlich in einem Austausch mit der LGBTIQA+-Organisation Rosa Lëtzebuerg klar: Die Regelung der Leihmutterschaft sei in dieser Legislaturperiode keine Priorität. Überraschend ist Margues Stellungnahme zum Thema nicht. Die CSV sprach sich in ihrem Wahlprogramm für ein Verbot jeglicher Form von Leihmutterschaft in Luxemburg aus, während die DP die altruistische Leihmutterschaft – die Leihmutterschaft ohne kommerzielle Absicht – als einzige Partei einführen wollte. Sie verlor das politische Armdrücken mit der CSV. Das zieht mehrere Probleme nach sich, eins davon bezieht sich auf das bereits erwähnte Abstammungsverhältnis. „Die Regierung spielt auf Zeit“, kommentiert Andy Maar, Verwaltungsmitglied von Rosa Lëtzebuerg, diese Entscheidung.

Am 23. April beschloss das Europäische Parlament derweil, den Anwendungsbereich der Richtlinie für Menschenhandel zu erweitern und die Ausbeutung von Leihmüttern, also die kommerzielle Leihmutterschaft, als Menschenhandel unter Strafe zu stellen. Noch muss der Beschluss vom Rat der Europäischen Union verabschiedet werden, danach haben die Mitgliedstaaten zwei Jahre Zeit, um die Richtlinie vollständig umzusetzen.

Im Le Figaro analysiert Paul Sugy den möglichen Einfluss der Richtlinie auf die nationalen Gesetze zum Abstammungsverhältnis: „Cette directive ne pourra pas servir pour empêcher en droit interne la reconnaissance l’état civil de la filiation des enfants nés par GPA à l’étranger. Elle peut (…) être bientôt en opposition directe avec un projet de règlement sur un certificat européen de filiation qui voudrait obliger tous les Etats membres à reconnaître chaque enfant, quelle que soit la manière dont la filiation a été établie par un pays étranger.“ Damit bezieht sich Sugy auf laufende Arbeiten der EU-Kommission: Diese soll u.a. eine Gesetzgebungsinitative zur gegenseitigen Anerkennung queerer Familien erstellen. Das, nachdem Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, 2020 in ihrer Rede zur Lage der EU verkündete: „Wenn Sie in einem Land Vater oder Mutter sind, sind Sie in jedem Land Vater oder Mutter.“ 

Unterschiede nach Gemeinden

Gleichgeschlechtliche Eltern, die im Ausland eine Leihmutter beanspruchen und eine dort anerkannte Geburtsurkunde mit Angabe beider Elternteile – unabhängig des Geschlechts – erhalten, können diese in Luxemburg derzeit aber oft nicht geltend machen. Folglich wird das Abstammungsverhältnis nicht hergestellt. Wie oft es zur Zurückweisung solcher Geburtsurkunden kommt, wird nicht statistisch erfasst. Tom weiß jedoch von einigen Fällen zu berichten. Manche Gemeinden seien hilfsbereiter, andere würden sich streng an gesetzliche Vorschriften halten, wonach die Angabe von gleichgeschlechtlichen Eltern auf der Geburtsurkunde unzulässig ist.

„Im Zweifelsfall wird die Geburtsurkunde an den Gerichtshof weitergeleitet, der einen Monat Zeit hat, das Dossier zu bewerten“, sagt Tom. „Beschließen die Autoritäten, die Gültigkeit der Geburtsurkunde abzuerkennen, muss die Elternschaft erneut nachgewiesen werden.“ Dies bringe die Suche nach der leiblichen Mutter mit sich, bei der es sich meist nicht um die Leihmutter, sondern um die Eizellenspenderin handelt. „Beide wollen keine rechtliche Verbindung zu dem Kind herstellen“, sagt Tom. Ihm sind zudem Situationen bekannt, in denen die Väter sich einem DNA-Test unterziehen mussten, um ihre biologische Verbindung zum Kind zu beweisen. „Dabei wissen wir alle: Für eine enge Beziehung zwischen Eltern und Kindern braucht es keine biologische Verbindung“, unterstreicht der Koordinator der G-Dads. 

Kompliziert sind laut Tom auch die Einzelfälle, in denen der Name der Leihmutter auf der Geburtsurkunde verzeichnet sei. Die Geburtsurkunde sei nicht nur fehlerhaft, da die leibliche Mutter in der Regel die Eizellenspenderin ist, sondern spreche den Eltern auch ihre Rolle ab. Dies führe zu Instabilität innerhalb der Familie, zumal einige Abstammungsverhältnisse auf juristischer Ebene seit Jahren ungeklärt sind. Unter anderem, weil sich die Eltern gegen die langwierigen Prozeduren und administrativen Hürden wehren. Einer dieser Fälle wird derzeit vor Gericht verhandelt. Das Urteil könnte einen wichtigen Präzedenzfall schaffen.
„Es müssen Nägel mit Köpfen gemacht werden“, fordert Tom. „Erkennt unsere Elternschaft endlich an! Diese Kinder haben keine anderen Eltern.“ Vonseiten des Justizministeriums heißt es derweil, die Rechte der betroffenen Kinder seien trotzdem geschützt. „Im Prinzip besteht kein Problem bei der Anerkennung des biologischen Elternteils“, so die Pressestelle. Sie verweist auf den zuvor erwähnten Adoptionsantrag, der dem anderen Elternteil drei Monate nach der Geburt offensteht – und verkennt damit das Problem betroffener Familien.

Handlungsmöglichkeiten

Doch würde die Legalisierung altruistischer Leihmutterschaft in Luxemburg die Missstände lösen? Die G-Dads halten dies für unnötig, setzen sich aber stark für die ethische Leihmutterschaft im Ausland ein, die ihnen zufolge derzeit nur in den USA und Kanada möglich sei. Auch pochen sie auf die Umsetzung des Gesetzesentwurfs zum „accès aux origines“, der derzeit in der zuständigen Kommission bearbeitet wird. Rosa Lëtzebuerg kämpft hingegen für die Legalisierung der altruistischen Leihmutterschaft in Luxemburg. Die Situation der Eltern, die für die Familiengründung auf eine Leihmutter zurückgreifen müssen, stehe nämlich nicht zuletzt im Widerspruch zur neuen Verfassung, die im Juli 2023 in Kraft trat. Nach der hat jeder Mensch das Recht auf Familiengründung und den Respekt der eigenen Familie. Noch dazu sind die Kinderrechte darin verankert, die sowohl die G-Dads als auch Rosa Lëtzebuerg momentan in Gefahr sehen. „Ein Grundrecht, das nicht alle Bürger*innen wahrnehmen können, ist ein Problem“, so Andy Maar.

Immer mehr Paare, darunter auch heterosexuelle Menschen mit Kinderwunsch, würden bei Rosa Lëtzebuerg Rat zum Thema Leihmutterschaft suchen. Viele befinden sich bereits in einer Prozedur. Maar berichtet, es sei schwer, sich im Internet über das Thema zu informieren. „Die meisten Seiten werden von kommerziellen Agenturen betrieben“, sagt er. Er erzählt von einem Paar, das nach einer Leihmutter in Europa suchte – in der Hoffnung, in einem EU-Mitgliedstaat handele es sich um eine ethische Prozedur. Stattdessen stieß das Paar auf eine Briefkastenfirma mit Sitz auf Zypern, immerhin EU-Mitglied. Die Leihmutter jedoch kam aus der Ukraine, wo kommerzielle Leihmutterschaft erlaubt ist; das Neugeborene hätten die Eltern in Prag abholen müssen. Das Paar entschied sich dagegen. „Die Wunscheltern, mit denen wir in Kontakt stehen, sind alle an einer moralisch vertretbaren Prozedur interessiert. Niemand will Menschen ausbeuten.“ Rosa Lëtzebuerg weist die kommerzielle Leihmutterschaft, die die Notlage von Frauen ausnutzt, entschieden zurück. „Wir müssen alles tun, um solche Prozeduren zu verhindern und die Leihmutter sowie die Kinder zu schützen.“

Wunscheltern suchen oft in Kanada und den USA nach Leihmüttern. In beiden Ländern ist die Leihmutterschaft teilweise erlaubt. In Kanada ist offiziell nur die Leihmutterschaft ohne kommerziellen Nutzen möglich. „Die Leihmutterschaft in den USA würde ich eher als kommerziell beschreiben“, stuft Maar derweil die Leihmutterschaft in den Staaten ein. „Auch wenn sie auf verschiedenen Websites als altruistisch bezeichnet wird.“ Es sei unklar, ob diese Internetseiten von Agenturen mit kommerziellen Interessen betrieben würden. „In einigen US-Bundesstaaten, in denen Leihmutterschaft legal ist, gibt es Agenturen, die den Wunscheltern sogar eine Kind-Garantie zum Pauschalpreis anbieten“, so Maar weiter. Zwar kämen nur Personen als Leihmütter infrage, die sich nachweislich nicht in einer finanziellen Notlage befänden, hoch vergütet würden sie trotzdem. Die Preise in den USA liegen zwischen 150.000 und 250.000 Euro. Die Kosten fallen für die Agentur an, die sich um juristische Angelegenheiten kümmert; für die medizinischen Gebühren, als Entlohnung für die Eizellenspenderin und die Leihmutter. 

In Kanada müssen Paare in der Regel 100.000 bis 120.000 Euro bereithalten. Dort kommen die Wunscheltern für alle Unkosten der Leihmutter auf, jeder andere Geldtransfer ist verboten. „Ein Vorteil ist, dass die Leihmütter in Kanada gut unterstützt werden“, weiß Maar. Die medizinische und psychologische Betreuung der Leihmutter sei Pflicht. Die Kosten müssten die Wunscheltern zum großen Teil übernehmen.

Beim Sorgerecht sind meist die Kinder die Leidtragenden
Beim Sorgerecht sind meist die Kinder die Leidtragenden Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante
Elternschaft anerkennen: das fordern LGBTIQA+-Organisationen in Luxemburg
Elternschaft anerkennen: das fordern LGBTIQA+-Organisationen in Luxemburg Foto: Editpress/Julien Garroy

Würde die Leihmutterschaft in Luxemburg nicht bald reglementiert, bleibe der Rückgriff auf kommerzielle Agenturen im Ausland jedenfalls nicht aus, befürchtet Maar. Neben der Legalisierung der altruistischen Leihmutterschaft in Luxemburg kann Rosa Lëtzebuerg sich auch eine Konvention zwischen Luxemburg und Ländern vorstellen, in denen die altruistische Leihmutterschaft bereits erlaubt ist. Auf diese Weise könne zumindest die medizinisch assistierte Befruchtung, die im Rahmen einer Leihmutterschaft anfällt, von der hiesigen Krankenkasse zurückerstattet werden. Dies sei bereits der Fall für medizinisch assistierte Befruchtung in Luxemburg, eine Anpassung führe zur Gleichstellung betroffener Wunscheltern. „Das sollte gehandhabt werden wie Operationen, die im Ausland durchgeführt werden müssen. Die Versicherten müssen hierfür einen Antrag bei der Krankenkasse stellen“, erklärt Maar. „Wird der bewilligt, werden die Kosten erstattet.“

Zeigt sich die Regierung unwillig, solchen Forderungen zeitnah nachzukommen, scheint Claudia Monti, Ombudsfrau, bereit zum Handeln. Bei einem Gespräch mit Rosa Lëtzebuerg betonte sie: Betroffene Paare sollten sich bei ihrer Dienststelle melden. Gemeint sind Eltern, deren Kinder durch eine Leihmutter ausgetragen wurden und Schwierigkeiten bei der Anmeldung beim Standesamt haben. Noch vor Ablauf ihres Mandats im Jahr 2025 will sie einen Bericht mit Empfehlungen erstellen und ist dafür auf Zahlen angewiesen, die – wie bereits erwähnt – derzeit nicht erhoben werden.