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Frische Atemluft – Frankreich will seine Wirtschaftsleistung erhöhen

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Mit einem umfangreichen Programm will Frankreich seine Wirtschaft stärken. Die französische Wirtschaftsleistung soll um einen Prozentpunkt angehoben und das Bruttoinlandsprodukt dauerhaft auf zwei Prozent positioniert werden. Das  wünscht sich Wirtschaftsminister Bruno Le Maire.

Kein Staat der Welt kann wirtschaftliches Wachstum anordnen, erst recht nicht in einer globalisierten Welt, in der Produktion ohne internationale Kooperation nicht möglich ist. Wirtschaftsminister Bruno Le Maire hört sich bei einem Briefing mit Journalisten im Pariser Wirtschaftsministerium so an, als ob Frankreich das könne. Die französische Regierung sei kein Geschäftsführer von Unternehmen, sie sei der Stratege für die französische Wirtschaft, sagt er. Staatliche Strategien für die französische Wirtschaft sind selten gut gegangen.

Frankreichs «30 glorreiche Jahre»

Es hat ein französisches Wirtschaftswunder mit den sogenannten «30 glorreichen Jahren» gegeben, als unter Staatspräsident Charles de Gaulle zahlreiche Branchen und Firmen entwickelt wurden, aus denen große französische Konzerne hervorgingen. In den vergangenen 30 Jahren aber haben gerade diese Staatskonzerne wie etwa EDF oder auch die Eisenbahn auf politische Einflussnahme hin keine gute Entwicklung genommen.

Der Industriekonzern Alstom etwa ist aufgespalten mit der Turbinen- und Verkehrstechnik in US- und deutsche Hände geraten. Air France befindet sich in einer schwierigen Situation, weil sich die Haus-Gewerkschaften und Berufsvereinigungen stets darauf verlassen konnten, dass der Staatsaktionär Lösungen zu ihren Gunsten finden würde.

Unternehmen sollen mutiger werden

Wirtschaftsminister Bruno Le Maire will die Wirtschaft des Landes nun dazu animieren, mutiger in den Markt zu gehen. In einem Gesetz, das vom September an in der Nationalversammlung drei Monate lang beraten und Anfang 2019 in Kraft treten soll, will Le Maire das Unternehmens-, das Handels-, teilweise das Zivil- und sogar das Steuerrecht entstauben, um der französischen Wirtschaft mehr Luft zum Atmen zu geben. Der französische Wirtschaftsminister geht dabei auch die Unternehmen selbst an und stellt ihren Sinn infrage. Bisher konnten sich Unternehmen auf eine Definition der Jahre 1804 und 1831 stützen. Künftig haben Unternehmen neben ihrer unternehmerischen Aufgabe in Frankreich auch eine gesellschaftliche und soziale Aufgabe.

Firmen in Frankreich sind in eine Vielzahl von Verordnungen eingebunden. Le Maire will diese Einschnürungen aufheben. Der französische Mittelstand wurde bisher in 199 Größenordnungen mit 49 verschiedenen Ebenen eingeteilt. Jede Größenordnung hatte bestimmte soziale, steuerliche und Gebühren-Auswirkungen. Die Mitarbeiter-Größenordnungen 10,25,100, 150,200 sollen wegfallen.

Definitionen aus den Jahren 1804 und 1831

Allerdings hat Le Maire nicht den Mut, alle abzuschaffen und nur nach dem Umsatz zu qualifizieren. Immerhin werden sie künftig nur noch nach einer Zählmethode eingestuft, die der Sozialversicherung. Zu der Befreiung von Pflichten gehört auch die Befreiung von der Wirtschaftsprüfung. Bis zu einem Umsatz von acht Millionen Euro soll sie nicht mehr nötig sein. Frankreich befolgt damit eine europäische Direktive.

Die französische Regierung will das Wachstum über das Unternehmertum stärken. Lebensversicherungen, die in Unternehmen investieren, werden begünstigt. Mittelständische Unternehmen, die bisher für eine an ihre Mitarbeiter gezahlte Gewinnbeteiligung Sozialabgaben zahlen mussten, sollen davon künftig freigestellt werden. Die Beteiligung von Mitarbeitern am Firmenkapital soll begünstigt werden. Steuerlich begünstigt sollen Beiträge von Arbeitnehmern für eine zusätzliche Altersversorgung werden. Bruno Le Maire hat vor diese Maßnahmen eine lange Untersuchung gestellt.

Wo liegen die Schwächen des Landes?

Es hat Gespräche mit Unternehmern, Verbänden und Gewerkschaften gegeben. In einem Gespräch mit Wirtschaftsjournalisten hatte er bereits angedeutet, in welche Richtung seine Wirtschaftsreform gehen würde, aber auch analysiert, wo die Schwächen Frankreichs liegen. Sie liegen insgesamt in einem nur schwach vorhandenen Mittelstand, in nur wenig vorhandenen Familienunternehmen und in einem mangelnden Exporterfolg für französische Produkte. Den Exportwillen will Le Maire nun stärken.

Es wird ein einheitlicher «Schalter» eingerichtet, der den Unternehmen in allen Exportbereichen hilft. Die Handelskammern werden dabei eine besondere Rolle spielen. Die französische staatliche Investitionsbank BPI hat seit dem vergangenen Jahr bereits ein besonderes Export-Garantieprogramm eingerichtet.

Milliardenschwerer Investitionsfonds

Der Staat als Stratege kommt bei Le Maire in anderer Weise vor. Einerseits will Frankreich seine Firmen bei ausländischen Investitionen stärker schützen, sprich die staatliche Genehmigungspflicht verschärfen, wenn ein ausländischer Investor in das Kapital eines französischen Unternehmens einsteigen will. Andererseits will Le Maire einen staatlichen Investitionsfonds in Höhe von zehn Milliarden Euro einrichten.

Das Vorhaben ist zweifelhaft. Denn die Internetszene, die elektronische Entwicklung, ist mit der Entwicklung von Start-ups möglicherweise bereits über den Zenith hinaus. Das Kapital haben sich viele Beginner auf dem Finanzmarkt oder über innovative Finanzierungsmöglichkeiten besorgt. Le Maire kommt hier einfach zu spät. Frankreich als Start-up-Nation, als die sich das Land gerne sieht, hat sich ohne den Staat entwickelt, der hier zu spät einsteigt.

Tafelsilber soll unter den Hammer kommen

Die Zweifel, die an dem Projekt angebracht sind, zeigen sich an diesem Fonds. Er soll durch den Verkauf von Anteilen am Flughafen Charles de Gaulle, am Energieunternehmen Engie und an der Lottogesellschaft «Française des jeux» (FDJ) gespeist werden. Le Maire macht gleichzeitig klar, dass der Staat weiter Einfluss am Flughafen ausüben werde. Frankreich besitzt 85 große Unternehmen oder wesentliche Anteile an ihnen.

Mit den Tochtergesellschaften macht das etwa 1.700. Ihre Zahl dürfte sich über die Investition in «Firmen 4.0» noch erhöhen. Was ist das Programm, das Bruno Le Maire vorgestellt hat? Eine Mischung aus technischen Anreizen für die Wirtschaft, aus schüchternen Privatisierungen mit Beibehaltung des Staatseinflusses und aus «strategischen» Investitionen in eine Zukunft, die andere schon gestaltet haben. Das Ganze verbunden mit dem Anspruch, aus Frankreich wieder eine große Wirtschaftsnation zu machen.