Bei der Lady aus Berlin versucht es der amerikanische Haudrauf mit Charme. Schon bevor Donald Trump die Bundeskanzlerin im Weißen Haus empfängt, tut er erst einmal kund, wie sehr er sich auf die Begegnung mit Angela Merkel freut und lässt verbreiten, wie stolz er doch sei, der Enkel eines deutschen Einwanderers in die USA zu sein. Lächeln, Küsschen, bei der Ankunft – und auch den Handschlag, beim ersten Besuch Merkels trotz mündlicher Ermahnung der Kanzlerin noch ausgefallen, bekommt der große Blonde diesmal unfallfrei hin.
«Es ist eine große Ehre, Kanzlerin Merkel hier zu haben», sagte Trump. «Sie ist eine außergewöhnliche Frau», fügt er hinzu, nachdem er die «großartige Beziehung» zwischen beiden unterstreicht, die nie schlecht gewesen sei, was selbstverständlich in der Öffentlichkeit missverstanden worden sei. Und überhaupt: Die Kanzlerin mache einen «großartigen Job».
Kein warmer Umgang
Auch Merkel nimmt den wichtigen Verbündeten verbal in den Arm. Sie verweist auf die guten Beziehungen und erinnert an die vielen Millionen Amerikaner, die in Deutschland bei den US-Streitkräften Dienst taten. Sie verspricht, dass die Verteidigungsausgaben steigen und der deutsche Handelsüberschuss sinken werden. Und sie relativiert sogar ein wenig auch ihre frühere Aussage, Europa könne sich auf die USA unter Trump nicht mehr verlassen.
Doch Charme hin und Macht der Bilder her: So richtig warm werden dürften Merkel und Trump wohl nicht mehr miteinander, das macht ihr Umgang klar. Konkrete Ergebnisse können sie nach den fast drei gemeinsamen Stunden im Weißen Haus nicht vorweisen. Handelsschranken: «Das ist die Entscheidung des Präsidenten», sagt Merkel nur. Am Dienstag läuft eine Schonfrist für die EU und weitere Länder aus. Ob die verlängert wird? Das Fragezeichen bleibt vorerst bestehen.
Der Ärger des Präsidenten über sein Riesen-Handelsdefizit auch mit Deutschland, die teuren deutschen Autos auf den US-Straßen, den aus seiner Sicht viel zu geringen Beitrag Berlins zur Nato, die laut Trump zwar eine gute Sache sei, aber Europa mehr helfe als den USA: In jedem einzelnen Punkt fächerte Merkel ihm ihre Haltung auf – und blieb natürlich bei ihren Positionen. Als Trump die Kritikpunkte der USA offen anspricht, blickt Merkel ungerührt in ihren Sprechzettel auf dem Rednerpult.
Europäer wollen nicht mitmachen
Der vielzitierte Handelskrieg bleibt vor dem Stichtag 1. Mai, an dem Trump über die weitere Aussetzung der Strafzölle auf Stahl und Aluminium für die EU entscheiden will, ein Nervenkrieg. Der Präsident verlangt als Vorleistung Zugeständnisse, etwa ein Einfrieren der Stahlexporte. Das ist eher ein Trick, hatte ihm Handelsminister Wilbur Ross die Obergrenzen doch schon in der Ministeriumsvorlage als Alternativen zu Zöllen angeboten. Die Europäer wollen das nicht mitmachen. Sie pochen darauf, dass Trump erstmal die Ausnahmen verlängert – danach könne man über vieles reden. Viel Zeit bleibt bis Dienstag nicht mehr.
Merkel tat vermutlich gut daran, nicht allzu schroff aufzutreten und die Unterschiede mit Trump öffentlich nicht zu deutlich herauszuarbeiten. Sie weiß, dass Deutschland das Verhältnis zu den USA nicht aufs Spiel setzen darf, auch wenn der Präsident Trump heißt. «Die Regierungsbildung hat etwas gedauert, aber mir ist es ganz wichtig, dass der erste Besuch außerhalb Europas mich in die USA führt», sagte die Kanzlerin schon zu Beginn der Unterredungen. Es war ihr so wichtig, dass sie es noch einmal wiederholte.
Merkel setzt weiter darauf, dass ein massiver Handelskrieg – wenn schon nicht mit China dann doch wenigstens mit der EU – noch verhindert werden kann. Auf Trumps wilde Drohungen nach dem alttestamentarischen Motto «Auge um Auge» mit gleicher Münze zu reagieren, will die Kanzlerin vermeiden. Trumps Methoden lehnt sie ab. Auf diese Art werde nur noch mehr zerstört – und Trump auch noch in die Hände gespielt.
Merkel setzt da lieber auf die Kraft von Fakten und Überzeugung. Für Trump hat sie beispielsweise die Information im Gepäck, dass im Jahr zwar 480 000 Personenwagen aus Deutschland in die USA exportiert werden – aber zugleich aus den USA 493 600 Autos ausgeführt, die amerikanische Arbeiter in Fabriken deutscher Autokonzerne zusammengeschraubt haben.
Keine Eifersucht auf den Pomp
Ob Merkels Hinweis auf diesen deutschen Beitrag für Arbeitsplätze und Wertschöpfungskette in den USA und ihr wohl temperierter Verweis auf den Applaus für die US-Steuerreform in der deutschen Unternehmerschaft Trumps Zorn besänftigen können? Wohl kaum. Zumal wichtige Zwischenwahlen vor dem Präsidenten liegen und ihm der Eindruck bei den US-Wählern allemal wichtiger ist als die Sympathie der Deutschen.
Dennoch will Merkel natürlich auch den Eindruck verwischen, dass der Franzose Emmanuel Macron, gerade von einem formellen Staatsbesuch mit viel Pomp aus Washington nach Paris zurückgekehrt, der erste Ansprechpartner der USA in Europa ist. US-Medien überschlagen sich mit der Deutung, Merkel – und damit Deutschland – habe gegenüber Macron an Boden verloren, was die Führungsrolle in der EU angeht. In Berlin gibt man sich gelassen. Das könne in ein paar Wochen schon wieder anders aussehen.
Woran es liegt, dass eher Macron als sie selbst einen guten Draht zum Trump findet, darüber dürfte sich die Kanzlerin keine Illusionen machen: Nachdem sie zuletzt gut mit seinem demokratischen Vorgänger Barack Obama ausgekommen war, gehört Merkel für den unberechenbaren US-Präsidenten wohl einfach zu dem von ihm verhassten Vorgängersystem. Das ist bei Macron ganz anders – er präsentiert sich wie Trump selbst als Gegenbild zum politischen Establishment.
Doch dass es Merkel wirklich belastet, wenn Trump Macron den Vorzug gibt, ist kaum zu erwarten. Sie misst solche Treffen an deren Ergebnissen. Und glaubt nicht daran, dass noch so pompöse Staatsdinner wie die für Macron, die Golfrunden mit dem japanischen Premier Shinzo Abé oder andere Demonstrationen angeblicher Nähe Trumps Kurs beeinflussen könnten. Der bleibe schlicht und einfach beim «Amerika zuerst». Für Merkel bleibt da nur der Grundsatz, den sie – und auch Trump – auch mit Putin pflegt: Miteinander zu reden ist besser, als nicht miteinander zu reden. Auch wenn es noch so schwierig und mühsam ist.
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