CoronaForscher halten Absperrungen in Italien für wirksam

Corona / Forscher halten Absperrungen in Italien für wirksam
Italien ist von der Corona-Pandemi besonders schwer getroffen Foto: Antonio Calanni/AP/dpa

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Die italienischen Provinzen Lodi und Bergamo liegen beide im Norden Italiens nahe der Stadt Mailand. Beide Provinzen kämpfen wie ganz Italien derzeit mit dem Coronavirus. In Lodi steigen die Zahlen jedoch deutlich langsamer als in Bergamo. Dort hatten die Behörden schnell reagiert und eine Sperre verhängt.

Von allen europäischen Ländern hat es Italien besonders stark getroffen. Am 28. Januar 2020 wurde das Virus dort zum ersten Mal bei zwei Touristen aus China in Rom konstatiert. Das Coronavirus breitete sich im Norden von Italien schnell aus. In Mailand und in der Provinz Lodi reagierten die Behörden schnell. In Mailand wurden Fußballspiele abgesagt, Schulen wurden geschlossen. Die Provinz Lodi wurde abgeriegelt und Korridore für Lebensmittel- und Medikamentenlieferungen wurden eingerichtet. Lieferanten mussten Schutzkleidung und Atemmasken tragen.

Forscher der Universität Oxford haben nun untersucht, wie sich die Krankheit ausbreitet – auch mit Blick auf Italien. Die rasche Verbreitung des Virus habe gezeigt, dass man verstehen muss, wie die Bevölkerungsdynamik jetzt und in Zukunft mit Pandemien zusammenhängt, schreiben Jennifer Beam Dowd und ihre Kollegen in dem Bericht, der auf der Plattform OSF der Nichtregierungsorganisation Center for Open Science publiziert worden ist.

„Am Freitag, dem 21. Februar 2020, wurde der erste Fall von Covid-19 in Italien in der Provinz Lodi in der Lombardei bestätigt. Seitdem haben andere Regionen in Norditalien – darunter die Emilia-Romagna, das Piemont und Venetien – begonnen, einen raschen Anstieg zu melden. Zwischen dem 24. Februar und dem 13. März stieg die Zahl der Fälle und Todesfälle in diesen Regionen exponentiell an“, fassen die Forscher die Situation dort zusammen.

Während die Behörden die Provinz Lido sofort abriegelten, hat man in Bergamo gewartet
Während die Behörden die Provinz Lido sofort abriegelten, hat man in Bergamo gewartet

Die Provinzen reagierten mit Maßnahmen. Diese waren nicht überall die gleichen und geschahen nicht mit der gleichen Geschwindigkeit. Während Lodi bereits am 24. Februar Schließungen und Sperren verhängt hat, rang man sich erst am 8. März in Bergamo zu so einem Schritt. Die Forscher sehen darin einen empirischen Beweis für das Potenzial von Interventionen zur „Abflachung der Kurve“. Es sei aber daran erinnert, dass Korrelation nicht immer auch Kausalität bedeutet.

Unter „Kurve“ verstehen Mediziner in diesem Fall die Zahl der Kranken, die in einer Pandemie erst steigt, irgendwann ein Maximum erreicht und dann wieder fällt. Diese Kurve kann durch eine Reihe von Maßnahmen abgeflacht werden. Maßnahmen, die dafür sorgen sollen, dass sich nicht zu viele Menschen gleichzeitig anstecken. Ziel ist es, dafür zu sorgen, dass Krankenhäuser und andere medizinische Einrichtungen nicht überlastet werden. Krankenhäuser und Labore können nicht ohne Weiteres neues Personal einstellen und neues Gerät bestellen, wenn es einen plötzlichen Anstieg an Patienten gibt.

Zu den Maßnahmen gehören kleine Dinge, die jeder einzelne machen kann, wie sich regelmäßig die Hände waschen und sich nicht ins Gesicht fassen. Auch sollte man keine Oberflächen anfassen, die kontaminiert sein könnten. Dazu gehören aber auch Maßnahmen auf nationaler und internationaler Ebene. So optierten auch im Schengenraum wieder viele Länder für Grenzkontrollen. Der Verkehr ist vielerorts stark eingeschränkt.

In Luxemburg waren zuerst Schulen und einige Verwaltungen geschlossen worden. Dann wurden Veranstaltungen mit über 500 Leuten außen und mit über 100 Menschen im Inneren abgesagt. Am Sonntagnachmittag verkündete Premierminister Xavier Bettel, Bibliotheken, Theater, Museen, Kinos, Restaurants, Kneipen und Diskotheken würden bis auf Weiteres geschlossen.

Von der Washington Post interviewte Experten halten Sperren, wie sie in Italien und China organisiert worden sind, (in den USA) für wenig wirkungsvoll. „Viele Leute arbeiten in der Stadt und leben im benachbarten Bezirk“, sagte eine frühere Gesundheitskommissarin gegenüber der Zeitung. „Würden die Menschen dann von ihren Familien getrennt? Würden Straßen gesperrt? Wie würden Waren die Menschen erreichen?“ Ein anderer Experte sagte gegenüber der Zeitung, solche Abriegelungen seien selten erfolgreich. Auch in den USA wurden die Menschen dazu aufgerufen, Großveranstaltungen zu meiden.

Das Coronavirus hat vor allem für ältere Mitmenschen schwerwiegende Folgen. Die Forscher stellen fest, dass die Alterung der Bevölkerung vor allem in wohlhabenden Ländern eine Rolle spielt. Dieser Umstand könnte die Auswirkungen der Pandemie auf ärmere Länder mit schwächeren Gesundheitssystemen, aber jüngeren Altersstrukturen eventuell mildern.

Weiter schreiben sie: „Es ist plausibel, dass ein schlechter allgemeiner Gesundheitszustand und Koinfektionen wie Tuberkulose die Gefahr von Covid-19 bei jüngeren Fällen in diesen Ländern noch erhöhen können. Die bisher weniger als erwartete Zahl der in Afrika entdeckten Fälle (trotz umfangreicher Handels- und Reiseverbindungen mit China) deutet darauf hin, dass die junge Altersstruktur den Kontinent vor schweren und damit nachweisbaren Fällen schützt oder aber die Fälle unentdeckt geblieben sind.“ Der Umstand, dass mehr Männer als Frauen an der Krankheit sterben, sei zum Teil dem Umstand geschuldet, dass – besonders in Asien – mehr Männer als Frauen rauchen. Derzeit wird untersucht, welche Rolle andere Diagnosen wie Diabetes, Bluthochdruck und chronische obstruktive Lungenerkrankungen dabei spielen.

Nun hat Italien nach Japan die älteste Population weltweit. 23 Prozent der Bevölkerung sind 65 Jahre alt oder älter. Im Vergleich dazu sind nur 13,2 Prozent der Menschen in Italien 15 Jahre alt oder jünger. Zum Vergleich: In Luxemburg sind nur 14,4 Prozent der Bevölkerung 65 oder älter. Die Forscher aus Oxford stellen fest: „In der Rangliste der aktuellen Fälle und Todesfälle durch das Coronavirus in der Welt nimmt Italien leider den zweiten Platz nach China ein.“

In Bergamo gab es zeitweise so viele Tote, dass die Leichen in der Friedhofskirche gelagert wurden. Massimo Giupponi, der Direktor der Agentur für Gesundheitsschutz, richtete sich am 12. März mit einem flehentlichen Appell an Ärzte, Pflegepersonal und Psychologen im Ruhestand, sich zu melden, um die Anstrengungen in Bergamo zu unterstützen, wie die Zeitung Il Messaggero berichtete.

In China verbessert sich die Lage im Moment bereits. Am Donnerstagabend landete in Italien ein Flugzeug mit medizinischem Equipment und Ärzten aus China, die nun dort Unterstützung leisten. Der italienische Außenminister Luigi Di Maio (5-Sterne-Bewegung) begrüßte die Unterstützung. Die amerikanische Zeitung Politico deutete die Ansprache des populistischen Di Maios als Vorwurf an die Europäische Union. Der Minister habe ein Herz für China, weswegen seine Kritiker ihn auch als „China-Minister“ titulierten, schreibt Politico.