Die Lokalität für den Pressetermin sei in der Tat etwas außergewöhnlich, gab Fokus-Spitzenkandidat Frank Engel zu. Er wies darauf hin, dass sich Anwohner und Geschäftsleute zunehmend über die Situation in ihrem Viertel Sorgen machen – auch die Inhaber des Restaurants „Le Troquet“, wo die Pressekonferenz stattfand. „Wir sind aber noch nicht in Chicago“, räumte Engel ein und bemerkte, dass die Thematik regelmäßig für Polemik herhalten müsse. Ebenso die Polizei, die neuerlich wieder zum „Spielball“ dieser Kontroversen geworden sei.
Vier Polizisten in Untersuchungshaft, weil sie unter anderem mutmaßlich einen Mann in Gewahrsam misshandelt haben, ein weiterer Polizist soll laut Medienberichten wegen Drogenhandels vom Dienst suspendiert worden sein. „Die Polizei ist momentan mit sich selbst beschäftigt“, sagte Frank Engel. Seine Partei plädiert für eine rechtsstaatliche und unabhängige Untersuchung der Vorkommnisse. Engel weist darauf hin, dass „enorm viele Polizeibeamte ihre Arbeit anständig machen“. Der Fokus-Politiker fügt hinzu: „Nicht zu vergessen, dass die hauptstädtischen Beamten die Arbeit ihrer Kollegen machen müssen.“ Die große Mehrheit der Polizisten, die ihre Arbeit korrekt ausüben, dürften jedoch nicht unter den Fehlern einiger weniger leiden. Dennoch müsse die Polizei auch kritisiert werden dürfen.
Gegenseitiges Überbieten
Eines der Grundprobleme: Manche Polizeidienststellen sind aufgrund eines eklatanten Personalmangels nicht besetzt. Zwar hat der zuständige Minister Henri Kox kürzlich einmal mehr betont, dass die Regierung seit 2019 die Rekrutierung verstärkt hat und dies allmählich „anfängt, Früchte zu tragen“. Dennoch müssten weiter Polizisten eingestellt werden. Unterdessen hatte sich CSV-Spitzenkandidat Luc Frieden bei der Vorstellung seiner zehn Schwerpunkte für die Wahlen die Rekrutierung von 700 Polizisten in den kommenden fünf Jahren auf die Fahnen geschrieben, um die Beamten von administrativen Aufgaben zu befreien, damit sie auf dem Terrain mehr Präsenz zeigen können.
Die politische Konkurrenz sei dabei, „sich gegenseitig zu überbieten, wer mehr Polizisten einstellen will“, stellt Engel fest. „Dabei müssen diese neuen Leute auch unter ein Dach gebracht werden. Wir brauchen Anlaufstellen der Polizei“, so der frühere CSV-Präsident. Gemeint sind Dienststellen, die geöffnet sind. Nicht zuletzt appelliert der Fokus-Politiker an die Verantwortung der Gemeinde. Jedenfalls helfe eines sicherlich nicht, so Engel: „das ständige Hin und Her von Zuständigkeitsfragen“. Sicher sei auch, dass die Polizei in Form von mehr Patrouillen mehr physische Präsenz zeigen muss, so auch zu Fuß. „Mit dem Einsatz von privaten Sicherheitsfirmen wird hingegen kein Problem gelöst“, so Engel. Schließlich liegt das Gewaltmonopol beim Staat.
Fokus-Nationalkomitee-Mitglied Luc Majerus, seines Zeichens Rechtsanwalt, weist auf die Probleme der jüngsten negativen Schlagzeilen der Polizei für die Rechtsstaatlichkeit hin: „Die Rechte des Polizisten gehen einher mit Pflichten. Ein Polizeibeamter muss also korrekt bleiben.“ Die Entschuldigung, dass die Gare ein schwieriges Viertel sei, könne nicht gelten. Schließlich sollten jene Beamte, die ihre Arbeit richtig machen, nicht darunter leiden. Majerus weist darauf hin, die Thematik im Kontext des Justizsystems zu sehen: „Die Justiz hat ein Problem, sie kommt nicht mehr nach.“
Frank Engel spricht zudem die „totale Aberration“ eines Polizeiministeriums, also des Ministeriums für innere Sicherheit, an. Doch Kox ist momentan hauptsächlich als Wohnungsbauminister gefordert. Für die Polizei müsse eigentlich das Innenministerium zuständig sein, sagt Engel. Er sieht die Ordnungshüter in diesem Ressort aufgehoben. Es geht also auch um eine strukturelle Frage – und nicht um eine Frage für oder wider die Polizei.
1933 wurden institutionelle Aberrationen in Luxemburg salon- und gesellschaftsfähig.
MfG
Robert Hottua