Das Pult bleibt leer. Verwaist steht es auf dem Parkplatz des Park-and-Ride Bouillon. Vielleicht hat es jemand von der Regierung herangekarrt. Doch der zurzeit omnipräsente Wirtschafts- und Kooperationsminister Franz Fayot – er scheint momentan der einzige Ressortleiter der Regierung zu sein, der keinen Urlaub braucht – kann auf die Vorrichtung verzichten. In der prallen Mittagshitze lässt er sich die Fahrzeuge zeigen, die am Samstag in den frühen Morgenstunden in die Ukraine aufbrechen. Im Innern eines Omnibusses, in Großbritannien zu einem sogenannten Rettungsbus umgebaut, erklären ihm Nicolas Zharov, Präsident der luxemburgisch-ukrainischen Organisation LUkraine, und dessen Vizepräsidentin Inna Yaremenko die Einzelheiten.
Im Innern des Busses befinden sich vier fest installierte Liegen sowie Rollstühle, Sauerstoffflaschen und allerlei medizinisches Gerät. Insgesamt sind es sechs Fahrzeuge, neben dem Bus unter anderem ein Krankenwagen und eine mobile Zahnarztpraxis. Die von der Regierung mit 300.000 Euro kofinanzierte Mission kann beginnen. Die knapp 2.500 Kilometer lange Fahrt nach Dnipro soll weniger als drei Tage dauern. Am Montagabend wollen die freiwilligen Helfer in der Millionenstadt an dem gleichnamigen Fluss in der zentralöstlichen Ukraine, ungefähr 400 Kilometer von der Hauptstadt Kiew entfernt, ankommen. Thomas Jankowoy und Petz Robert haben einige Kartons mit orthopädischem Material bereits verstaut und die Gepäckfächer des Busses verschlossen.
Freiwillige Hilfe mit Überzeugung
Für Jankowoy ist es mittlerweile schon die fünfte Fahrt in die Ukraine. Der 57-jährige Luxemburger mit litauischen Wurzeln sieht es als eine Ehrensache. Er ist seit Kurzem im Ruhestand – will helfen. Für die lange Fahrt durch Deutschland, Polen und einen großen Teil der Ukraine wechselt er sich mit Petz Robert ab, der zum ersten Mal dabei ist. „Thomas hat mir von seinen Fahrten erzählt und mich gefragt, ob ich mitmachen möchte“, sagt er. „Das ließ ich mir nicht zweimal sagen.“ Auch Romain Pepin ist Pensionär und ebenso mit von der Partie. Er fährt eines der anderen Fahrzeuge. „Einmal war ich dabei, wie wir eine von der freiwilligen Feuerwehr gespendete Drehleiter nach Poltawa brachten“, erzählt er. Es sind Erlebnisse, die prägen und anspornen, weiterzumachen. Er bewundere die Herzlichkeit der Menschen in der Ukraine, sagt Pepin. Trotz des Leids gebe es auch kurze heitere Momente.
Ähnliches kann auch Thomas Jankowoy berichten: „Mich hat der Krieg von Anfang an beschäftigt. Es darf doch nicht sein, dass wir heute noch Krieg in Europa haben. Deshalb wollte ich helfen. Als ich von den Hilfsaktionen las, meldete ich mich“, sagt er. In Gefahr sei er in der Ukraine bisher nicht geraten, sagt er. Schlechte Erfahrungen habe er allgemein nicht gemacht. „Selbst an den Luftalarm gewöhnt man sich. Was mich aber erschreckt, sind die zerstörten Häuser.“ Hinter diesen Bildern verbergen sich die Schicksale ganzer Familien. Was ihn ärgere, „ist die zunehmende Gleichgültigkeit, die man hier zu spüren bekommt, und diejenigen, die mit Putin sympathisieren“. Gegen das abnehmende Interesse im Westen der Ukraine kämpfen auch Nicolas Zharov und Inna Yaremenko von LUkraine an. Beide werden den Konvoi begleiten. Sie haben auch mit den örtlichen Hilfskräften die Übergabe der Hilfsgüter und Fahrzeuge, die vor Ort verteilt werden, koordiniert.
„Die Solidarität ist noch zu spüren, obwohl sie nachgelassen hat, was man auch an den Spenden sieht“, weiß Zharov. Es sei aber auch nicht anders zu erwarten gewesen. Schließlich dauere der Krieg schon fast anderthalb Jahre an. „Deshalb müssen wir die Leute immer wieder aufwecken und auf die benötigte Hilfe aufmerksam machen.“ Nach wie vor seien etwa 4.000 Geflüchtete aus der Ukraine in Luxemburg. „Einige sind wieder in ihre Heimat zurückgekehrt“, sagt der LUkraine-Präsident. „Andere wiederum haben sich dafür entschieden, zumindest vorerst hier in Luxemburg eine neue Existenz aufzubauen.“ Im Juli waren es noch 81 Personen, die im Großherzogtum einen vorübergehenden Schutz beantragten, meldete das Außenministerium. Insgesamt waren es dieses Jahr 582 solcher Anträge, die von Ukrainern gestellt wurden.
Lions Club mit an Bord
Die Partner der Hilfsmission sind unter anderem die Venari Group aus Großbritannien, Special Truck Parts aus den Niederlanden, die die Fahrzeuge umrüsteten, sowie Ukraine Charity, ebenfalls aus Großbritannien, die Lions Clubs aus Luxemburg, die ein Fahrzeug mitfinanzierten. Die Hilfsgüter seien an jene gerichtet, die momentan keinen Zugang zur medizinischen Hilfe und Katastrophenhilfe haben. Neben den internationalen Hilfsorganisationen wie unter anderem Rotes Kreuz oder Ärzte ohne Grenzen, aber auch das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR), die in der Ukraine im Einsatz sind, mühen sich auch nach wie vor kleinere Nichtregierungsorganisationen und Privatleute, ihre Unterstützung aufrechtzuerhalten, auch wenn Russland Hilfsgüterausgaben attackiert haben soll. Im Gegensatz zu dem anfänglichen Medien-Hype läuft mittlerweile vieles still im Verborgenen ab. Zu Beginn des russischen Angriffskrieges waren zahlreiche Menschen aus dem Westen spontan in Richtung polnisch-ukrainischer Grenze aufgebrochen. Sie brachten Hilfsgüter und nahmen Flüchtlinge aus dem vom Krieg heimgesuchten Land mit zurück.
Hoffentlech fiert de Franz och mat. Do sin nämlech esou multitasking Typen gesicht.