Europäische Kriegsschiffe könnten bald unmittelbar vor der libyschen Küste gegen Schleuserbanden eingesetzt werden und Flüchtlingsboote an der Abfahrt hindern. Im Verteidigungsministerium in Rom wird es für möglich gehalten, dass die Regierung bereits an diesem Freitag einen entsprechenden Einsatz der italienischen Marine beschließt. Auch auf EU-Ebene laufen nach Angaben eines Sprechers Diskussionen über eine Ausweitung des Einsatzes gegen libysche Schleuserbanden. Militärisch sei man bereits vorbereitet, sagte ein Sprecher am Donnerstag.
Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron forderte unterdessen die Einrichtung von Registrierungszentren in sicheren afrikanischen Ländern. Dort könnten Asylbewerber empfangen und Risiken einer gefährlichen Flucht nach Europa vermieden werden, sagte Macron. Nach ergänzenden Informationen der Nachrichtenagentur AFP sagte Macron, er wolle sogenannte Hotspots im nordafrikanischen Libyen einrichten. Derzeit seien dafür aber nach Angaben des Élyséepalastes die Sicherheitsvoraussetzungen nicht gegeben, so die Agentur.
Kanzlerkandidat wirbt für Verteilungsprinzip
Der deutsche SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz warb in Italien eindringlich für eine gerechte Verteilung von Flüchtlingen. Solidarität müsse wieder zum Grundprinzip in der EU werden, einzelne besonders beanspruchte Länder wie Italien dürften nicht alleine gelassen werden, sagte Schulz in Rom nach einem Gespräch mit Italiens Ministerpräsident Paolo Gentiloni. An italienischen Häfen sind in diesem Jahr bereits mehr als 93 000 Schutzsuchende angekommen. Italien fühlt sich mit der Lage überfordert und verlangt seit langem mehr Hilfe der EU-Partner.
Das italienische Verteidigungsministerium will für einen ausgeweiteten Libyen-Einsatz nach Informationen der Zeitung «Corriere della Sera» zwischen 500 und 1000 Soldaten sowie Drohnen und Hubschrauber bereitstellen. Migranten könnten nicht nur von der Abfahrt abgehalten, sondern auch zurück an die libysche Küste gebracht werden. Voraussetzung soll lediglich eine Garantie der libyschen Behörden sei, dass die Migranten dort menschenwürdig behandelt würden.
Wendepunkt in der Flüchtlingspolitik
Ein Libyen-Einsatz könne einen «Wendepunkt» markieren, sagte Gentiloni. Dabei gehe es nicht darum, libysche Behörden zu ersetzen, sondern mit ihnen zusammenzuarbeiten.
Er hatte am Mittwoch nach einem Treffen mit dem libyschen Ministerpräsidenten Fajis al-Sarradsch in Rom angekündigt, dass ein Einsatz der italienischen Marine vom Verteidigungsministerium geprüft werde und dafür plädiert, eine entsprechende «Einladung» der Libyer anzunehmen. Zunächst sollen am Dienstag die Ausschüsse für Verteidigung und auswärtige Angelegenheiten über Details der Operation informiert werden.
Seit 2015 Marineschiffe im Mittelmeer
Schiffe der Bundeswehr, der italienischen Marine und anderer europäischer Streitkräfte sind im Rahmen der Operation «Sophia» bereits seit 2015 im zentralen Mittelmeer im Einsatz, um den Menschenschmuggel aus Libyen zu bekämpfen. Weil sie bislang nicht in den Küstengewässern des vom Bürgerkrieg zerrütteten Landes operieren dürfen, konnten dabei allerdings kaum Erfolge erzielt werden.
Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur wird in Brüssel nun damit gerechnet, dass die Behörden in Tripolis bereits in der kommenden Woche offiziell ihre Zustimmung zu EU-Marineeinsätzen in der Zwölfmeilenzone signalisieren.
Positive Signale aus Lybien
Aus Diplomatenkreisen hieß es, dass die jüngsten innerlibyschen Entwicklungen Hoffnungen auf eine Ausweitung des EU-Einsatzes machten. So hatten sich am Dienstag Al-Sarradsch und sein mächtiger Gegenspieler General Chalifa Haftar auf einen Zehn-Punkte-Plan mit einer Waffenruhe und baldigen Wahlen verständigt.
Die professionellen Schlepper begleiten die Migranten nur noch höchstens bis an die Grenze der Hoheitsgewässer. Sie setzen dabei darauf, dass diese kurz nach dem Verlassen der sogenannten Zwölfmeilenzone von dort kreuzenden Schiffen gesichtet und aufgenommen werden.
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