Nach den Gemeindewahlen im Oktober 2017 schlossen sich die Wahlgewinner CSV, «déi gréng» und DP zu einer Dreierkoalition zusammen und schickten die traditionell stärkste Partei in Esch, die LSAP, in die Opposition. Wie hat sich die neue Mehrheit in den ersten sechs bis sieben Monaten nach Amtsantritt geschlagen? Wir ziehen mit Bürgermeister Georges Mischo (CSV) sowie den Schöffen Martin Kox («déi gréng») und Pierre-Marc «Pim» Knaff (DP) eine erste vorläufige Bilanz.
Von Laurent Graaf und Luc Laboulle
Tageblatt: Georges Mischo, wie haben Sie Ihre ersten sechs Monate im Amt des Bürgermeisters erlebt?
Georges Mischo: Am Anfang war alles ganz neu. Ich hatte mir schon vorgestellt, wie es sein könnte, doch als es so weit war, kam es ganz anders. Ich war zwar schon vorher Mitglied des Gemeinderats gewesen, doch als Bürgermeister bekommt man viel mehr Anfragen für Unterredungen und andere Termine. Hinzu kommt noch die Mitgliedschaft in den Gemeindesyndikaten. Ich musste in sehr kurzer Zeit sehr viel lernen.
Wie meinen Sie das?
G.M.: Erst einmal musste ich die Leiter der verschiedenen Gemeindedienste und ganz viele andere Leute kennenlernen. Ich musste lernen, wie diese Leute ticken, und sie mussten lernen, wie ich funktioniere, damit wir zusammenarbeiten können. Aus organisatorischen Gründen haben wir neben den administrativen Schöffenratssitzungen noch technische Sitzungen eingeführt, zu denen wir alle Dienstleiter aus den technischen Bereichen einladen, um uns über die einzelnen Projekte zu informieren, damit wir Entscheidungen treffen können.
Pim Knaff, Sie waren lange Jahre in der Opposition und sind nun seit November im Schöffenamt. Wie war dieser Wechsel für Sie?
Pim Knaff: Es ist viel spannender, wenn man selbst Dinge umsetzen kann. Man kann das aber nicht ohne die Gemeindedienste tun, die einem beistehen und helfen. Deshalb habe ich versucht, gute Kontakte zu den Dienstleitern aufzubauen. Ich musste mich erst einmal darüber informieren, welche Projekte bereits angelaufen waren und noch beendet werden müssen. Danach ging es darum, erste Empfehlungen zu geben, wie wir unsere eigenen Projekte gerne umgesetzt hätten.
Mein Hauptressort ist die Kultur. Es ist ein sehr wichtiges Ressort für die Zukunft der Stadt Esch. Deshalb habe ich viel Zeit in der «Maison Mousset» (Sitz des «Service de la culture»; Anm. d. Red.) verbracht und versucht, mich in Dokumente wie den «Plan communal à la culture» und die Agenda 21 einzuarbeiten. Ich glaube, dass ich gut verstanden habe, was wir umsetzen sollen. Innerhalb des Schöffenrats gehen wir nicht als Einzelkämpfer an die Dossiers heran, sondern versuchen, ressortübergreifend zusammenzuarbeiten.
Martin Kox, Sie waren seit 2014 Mitglied des Schöffenrats in der vorigen LSAP-«déi gréng»-Mehrheit und hatten nach dem politischen Wechsel als Einziger schon Erfahrung in diesem Amt. Was hat sich mit der neuen Zusammensetzung für Sie geändert?
Martin Kox: Die Situation ist jetzt eine ganz andere. Ich gehe nicht darauf ein, wie es vorher war, ich werde keine Vergleiche ziehen. Ich musste nach den Wahlen in eine Dreierkoalition, was im Prinzip schwieriger ist als ein Zweierbündnis. Die einzelnen Wahlprogramme haben wir zugunsten des Koalitionsabkommens zurückgestellt. Das ist es, was nun zählt. Dadurch kommt es natürlich zu Diskussionen, aber ich bin sehr zufrieden, dass ich in diesem Team mitarbeiten darf.
Zwischendurch gab es eine Zeit, in der ich eine Art Pseudo-Bürgermeister war, weil ich als Einziger Erfahrung hatte. In dieser Zeit habe ich davon profitiert, Gemeindedienste zu besuchen, in denen ich in den drei Jahren davor nie gewesen war, weil sie nicht zu meinen Ressorts gehörten. Zusammen mit der neuen Schöffin Mandy Ragni habe ich mir den Schuldienst und die einzelnen Schulgebäude angesehen. Es war eine sehr interessante Zwischenperiode, nachdem ich vor drei Jahren hier reingeworfen wurde, weil mein Vorgänger aus gesundheitlichen Gründen aufhören musste. Ich habe meinen Beruf in den letzten drei Jahren noch weiter ausgeübt, wenn auch weniger intensiv. Das könnte ich mir aber mittlerweile nicht mehr vorstellen.
Bei der Vorstellung der Budgetvorlage stellten Sie fest, dass wegen der vielen in der vergangenen Legislaturperiode begonnenen Projekte kaum noch finanzieller Spielraum für eigene Vorhaben bleibt. Wo sehen Sie trotzdem noch Gestaltungsspielraum für neue Projekte?
G.M.: Der finanzielle Spielraum war begrenzt, weil die Budgetvorlage eigentlich von der vorigen Mehrheit aufgestellt wurde. Wir konnten kaum noch darauf einwirken, weil wir im November vereidigt wurden und der Haushalt bis Ende Dezember stehen musste. Es war ein unheimlicher Druck, der auf uns lastete. Wir mussten uns doch erst einmal gegenseitig kennenlernen. Es war schon sportlich, so ganz nebenbei auch noch mit den Gemeindediensten ein Budget aufzustellen. Beim nächsten Mal haben wir nicht nur viel mehr Zeit, sondern auch die Möglichkeit, unsere Politik in der Haushaltsvorlage zu zeigen.
M.K.: Es sind aber neue Projekte entstanden. Zum Beispiel das Projekt zur Redynamisierung des Escher Zentrums. Diese Form der Bürgerbeteiligung hat es bislang noch nicht gegeben.
G.M.: Es ist eines unserer Hauptprojekte, das wir dementsprechend schnell und seriös umgesetzt haben. Über 1.000 Menschen haben sich an der Umfrage beteiligt und Verbesserungsvorschläge eingereicht. Natürlich können wir nicht alle diese Vorschläge umsetzen. Es muss finanziell und technisch machbar sein.
Wie geht es bei diesem Projekt jetzt konkret weiter?
P.K.: Das Architektenbüro WW+ wird die Fragebögen auswerten und mögliche Maßnahmen vorschlagen. Mich beeindruckt der straffe Zeitrahmen, in dem das passieren soll. Im Sommer erfolgt die Ausarbeitung und im Herbst sollen bereits die ersten Vorschläge vorliegen.
M.K.: Wir haben erst einmal nur eine Beobachterrolle. Die politische Diskussion soll noch nicht sofort erfolgen. Nachdem alle Vorschläge vorliegen, steht erst am Ende des Prozesses die politische Entscheidung darüber, was schlussendlich infrage kommt.
Auf der Tagesordnung der ersten Arbeitssitzung des Gemeinderats sollte eine Anpassung der kommunalen Gewerbesteuer diskutiert werden. Der Punkt wurde damals jedoch gestrichen. Ist diese Diskussion nun vom Tisch?
P.K.: Der Grund, weshalb der Punkt von der Tagesordnung genommen wurde, war, dass die zuständigen Kommissionen noch nicht besetzt waren. Der Gemeinderat hatte den Wunsch geäußert, dass die kommunale Gewerbesteuer zuerst in den Kommissionen diskutiert werden soll. Das Thema ist aber nicht vom Tisch, weil wir uns von einer Anpassung des Gewerbesteuersatzes erwarten, den ein oder anderen Betrieb nach Esch anziehen zu können. Das würde nicht nur Arbeitsplätze schaffen, sondern zusätzlich auch unsere Kassen füllen.
M.K.: Eine Anpassung der Gewerbesteuer könnte auch neue Investoren anziehen. Wir konnten bereits Tracol und Ikogest davon überzeugen, in Esch zu investieren. Das ist vielleicht nicht unser Verdienst, aber es zeigt, dass sich in Esch etwas bewegt. Unternehmen aus der Hauptstadt lassen sich hier nieder. Sicherlich gehen im Gegenzug auch andere weg. Aber ich glaube, nach sechs Monaten können wir sagen, dass Esch richtig gut dasteht.
Um den Stadtkern zu beleben, ist bereits seit Jahren eine bessere Anbindung von Belval an das Stadtzentrum im Gespräch. In einem Tageblatt-Interview Ende Oktober 2017 hatte der Bürgermeister erklärt, eine Machbarkeitsstudie von Agora solle Anfang 2018 vorgestellt werden. Wieso ist in dieser Hinsicht noch nichts passiert?
G.M.: Ein Weg für Fußgänger und Radfahrer soll mithilfe einer Brücke über das noch aktive Stahlwerksgelände führen, um eine möglichst direkte Verbindung zwischen Belval und dem Escher Zentrum zu schaffen. Wir warten noch immer auf die Resultate dieser Machbarkeitsstudie. Aufgrund der Sicherheitsbestimmungen auf dem Gelände ist die Umsetzung dieses Weges nicht so einfach. Wir wissen natürlich, dass nicht immer jeder auf den vorgegebenen Pfaden bleibt. Deshalb will sich ArcelorMittal absichern, dass nichts passieren kann. Ich erinnere nur an den tragischen Unfall vom Oktober 2016, als eine Frau mit ihrem Auto verunglückte und in den Kühlweihern in Belval ertrank.
M.K.: Die Verhandlungen für diesen Zugang wurden schon vom vorigen Verkehrsschöffen begonnen. Für den «Escher Kulturlaf» wird der Weg jedes Jahr geöffnet. Als Präsident der «Kulturlaf asbl.» habe ich gute Kontakte zum Direktor des Belvaler Werks, Roland Bastian. Die Sicherheitsbestimmungen auf dem Gelände sind natürlich sehr streng. Es besteht aber eventuell die Möglichkeit, eine Bahnstrecke zum ehemaligen Werk Esch-Schifflingen, die nicht mehr gebraucht wird, abzubauen und dort einen Weg anzulegen. Allerdings ist hinter der Rockhal noch eine aktive Bahnlinie, die man dann mit einem Tunnel oder einer Brücke umgehen müsste. Das Ganze ist nicht ohne.
Auf dem Gelände der Garage Muzzolini in Lankelz will die Baufirma Tracol eine neue Sporthalle für die Stadt Esch bauen. Wo ist dieses Projekt zurzeit dran?
G.M.: Das Timing stimmt zu hundert Prozent. Wir gehen ganz offensiv an die Sache ran. Ende 2021 soll die Sporthalle stehen. Ich habe schon eine Versammlung mit allen betroffenen Sportvereinen einberufen, wo diese ihre Wünsche und Forderungen äußern konnten. Zudem sollten sie ihre Anliegen schriftlich einreichen, damit wir ein Programm erstellen können, wer in der alten Sporthalle bleibt und wer in die neue einzieht, damit sich später niemand beschweren kann. Denn wenn die Halle erst steht, dann ist es zu spät, um noch zusätzliche Tribünenplätze oder andere Vorrichtungen anzulegen.
Neben dem Bau der neuen Sporthalle wird aber auch das «Centre sportif Henri Schmitz» komplett renoviert. Der Boden der Halle 1 wird ab Anfang Juli ersetzt. Die Eingangsbereiche der beiden Hallen werden renoviert. Die alte Sporthalle wird ausgebaut und um ein oder zwei Stockwerke erweitert. Niemand soll sich bestraft fühlen, weil er in der alten Sporthalle bleiben muss. Mit über 80 Vereinen ist der Bedarf an einer zusätzlichen Halle jedoch enorm. Zudem soll die neue Sporthalle ein nationales Zentrum für Behindertensport werden.
Das Problem mit dem Ausschank in der Lallinger Halle haben wir jetzt auch gelöst. Tagsüber soll entweder eine Firma oder die APEMH den Betrieb der «Buvette» übernehmen. Am Wochenende sollen dann die Vereine den Ausschank betreiben, damit sie ihre Kassen aufbessern können.
Für die «Lentille Terre-Rouge» sollte das Immobilienunternehmen Iko bis Mitte des Jahres ein privates Projekt vorstellen. Die Regierung hat die «Lentille» und den «Crassier» nun in den «Plan sectoriel logement» aufgenommen, wodurch sich die öffentliche Hand ein Vorkaufsrecht sichert. Hat diese Maßnahme Einfluss auf das Privatprojekt?
M.K.: Das Vorkaufsrecht hat keinen Einfluss auf das Projekt. ArcelorMittal und der private Bauherr sind sich quasi einig. Die notarielle Urkunde ist schon bestimmt. Die Priorität für den Wohnungsbau haben wir auf der «Lentille» nicht übernommen. Es soll eine Mischung aus Wohnungen, Arbeitsplätzen und Freizeit dort entstehen. Auch eine Schule und kleine Geschäfte sind geplant. Es soll ein ganz innovatives Projekt werden, in dem neben dem Wohnen auch andere Bereiche eine Rolle spielen. Die «priorité au logement» ist aber zumindest von unserer Seite her nicht mehr gegeben.
Was heißt das konkret? Soll nun etwa doch ein Stadion dort gebaut werden?
M.K.: (lacht) Auf dem «Crassier» werden noch viele Grundstücke frei. Dort kann man immer noch über ein Stadion nachdenken.
P.K.: Freizeit, vielleicht noch ein bisschen Kultur. Dafür halten wir uns etwas Platz frei.
M.K.: Das Projekt des Bauherrn ist noch nicht spruchreif. Erst müssen wir eine Änderung des Flächennutzungsplans vornehmen. Das Projekt für die «Lentille» wird voraussichtlich im Herbst vorgestellt.
Ein großes Wahlkampfthema waren die Schulen. «Op de Kleppen» geht gut voran. Doch im Viertel «Wobrécken» ist noch immer nichts passiert. Wo hakt es?
G.M.: Die Renovierung und der Ausbau der Bruchschule werden dem Gemeinderat mit Sicherheit noch vor den Sommerferien zur Abstimmung vorgelegt. Der Um- und Ausbau der «Groussgaass-Schoul» wird noch vor Ende des Jahres beschlossen. Die neue Schule «op de Kleppen» wird garantiert im September dieses Jahres eröffnet.
M.K.: Die PAG-Änderung für die Schule «Wobrécken» wird dem Gemeinderat morgen ein zweites Mal zur Abstimmung vorgelegt. Zurzeit wird dort schon nach den unterirdischen Leitungen geschaut, die sehr unkoordiniert verlaufen. Auch wegen des «Dipbach» war «Wobrécken» ein schwieriges Dossier. Dank der Kompromissbereitschaft der Stadt Esch und des Umweltministeriums geht es nun besser voran. Camille Gira hat uns sehr in diesem Dossier geholfen.
G.M.: Besonders hat uns gefreut, dass im Rahmen der PAG-Prozedur keine einzige schriftliche Beschwerde von Einwohnern des Viertels «Wobrécken» eingegangen ist.
In einem Tageblatt-Interview zur Braderie zeigte sich die Präsidentin des Escher Geschäftsverbands, Astrid Freis, zuversichtlich, dass es mit der Alzettestraße bald wieder bergauf gehen werde. Wie wollen Sie die Aufwertung der Geschäftswelt bewerkstelligen?
G.M.: Ich habe Astrid Freis vorgeschlagen, nach der Braderie vom 14. Juli ein Debriefing mit den Gemeindediensten zu machen. Ob sie es annehmen wird, weiß ich noch nicht.
P.K.: Um den Handel in der Alzettestraße steht es nicht zum Besten. Bei verschiedenen Geschäftsleuten herrscht ein gewisser Fatalismus, ein Phänomen, das in Esch nicht isoliert auftritt. Ein Grund dafür ist die Konkurrenz durch die großen Einkaufszentren, wo es mehr Parkplätze als in den Stadtzentren gibt. Hohe Mietpreise und ein Verlust der Kaufkraft tun ihr Übriges. Auf der anderen Seite hinterfragen viele Geschäftsleute nicht, ob sie noch die richtigen Produkte anbieten. Auch deshalb haben wir WW+ mit der Studie zur Revitalisierung des Stadtzentrums beauftragt. Jetzt warten wir die Resultate ab.
Die Gemeinde hat zudem eine Studie über ein globales Verkehrskonzept in Auftrag gegeben – auch, um das Parkplatzproblem zu lösen.
Im Koalitionsabkommen ging von der Förderung von Start-up-Unternehmen die Rede. Gibt es in diesem Bereich schon konkrete Pläne?
P.K.: In diesem Bereich sind wir noch nicht weitergekommen. Wir haben aber eine Kommission für Wirtschaftsförderung gegründet. Ich habe dieser die Aufgabe erteilt, über ein Konzept nachzudenken, wie man über den Weg von kleinen Start-ups den Handel beleben könnte und welche Auswahlkriterien für solche Firmen gelten könnten. Die einzige Möglichkeit wäre, dass die Gemeinde Lokale anmietet oder eigene Gebäude aufteilt und sie Leuten mit guten Ideen zu einem sehr günstigen Mietpreis zur Verfügung stellt.
Kurz vor den Wahlen hat die «Esch 2022 asbl.» ein Lokal in der Alzettestraße angemietet (das Lokal der «Agence Uelzecht»; Anm. d. Red.), von dem man jetzt der Meinung ist, man bräuchte es doch nicht. In einer ersten Phase könnten wir dieses Lokal für Start-ups nutzen. Idealerweise sollten es aber Geschäfte sein, die die Studenten ansprechen. Denn um die Studenten von Belval ins Stadtzentrum zu ziehen, müssen wir ihnen etwas bieten. In diesem Bereich sind wir noch etwas schwach aufgestellt, sowohl beim Handel als auch in der Gastronomie und beim Nachtleben.
G.M.: Wir brauchen Motoren. Wir brauchen keine Geschäfte, die es schon zehnmal in anderen Landesteilen oder in der Großregion gibt. Unsere neue Kirmes war solch ein Motor. Es bewegt sich was. Nicht nur, dass die Leute uns das sagen, wir merken es auch selbst. Initiativen wie die «Bildungsfondatioun» wollen sich in Esch niederlassen. Städte aus Japan, Armenien und Tschechien kommen auf uns zu, um eine Partnerschaft einzugehen, weil wir interessant sind. Der Trierer Tourismus zeigt Interesse an Esch. Weshalb? Weil wir Kulturhauptstadt werden.
P.K.: Auch die neue Version der «Nuit de la culture» war ein voller Erfolg. Solche Veranstaltungen brauchen wir. Es ist nicht wegen der großen Handelsketten, dass die Menschen nach Esch kommen.
Esch und die Südregion werden 2022 die Europäische Kulturhauptstadt ausrichten. Was fehlt noch an kultureller Infrastruktur?
P.K.: Wir sind eigentlich recht gut aufgestellt. Dringend bräuchten wir noch eine große Ausstellungshalle oder Galerie, die einer Kulturhauptstadt würdig ist. Es wurden uns bereits eine Reihe von Gebäuden angeboten, die sich für hochwertige Ausstellungen eignen würden, doch wir haben noch keine Entscheidung getroffen. Das «Bid Book» setzt den Akzent auf Kultur, die sich im öffentlichen Raum abspielt. Und an öffentlichen Räumen fehlt es uns nicht.
Welche Gebäude wurden Ihnen angeboten?
P.K.: Das Ariston-Gebäude steht zum Verkauf, der Sitz von Luxcontrol eventuell auch.
G.M.: Auf der «Lentille» könnte sich auch etwas ergeben.
Im «Bid Book» ist die Gebläsehalle auf Belval dafür vorgesehen.
M.K.: Die Gebläsehalle können wir nicht allein stemmen. Ohne eine öffentlich-private Partnerschaft ist da nichts zu machen. Es gibt Ideen, die aber noch nicht spruchreif sind. Grundsätzlich besteht schon Interesse an der Halle. Wir werden von Leuten angesprochen, die auch das nötige Geld haben. Doch das Projekt müsste auf jeden Fall nachhaltig sein und auch nach 2022 noch Bestand haben.
P.K.: Im «Bid Book» sind 60 Millionen Euro für die Gebläsehalle vorgesehen. Das ist genauso viel wie die ganze Organisation der Kulturhauptstadt kostet. Nichtsdestotrotz wäre es ein interessanter Ort, wenn wir ihn finanzieren könnten. Doch bis 2022 kriegen wir eine Renovierung zeitlich nicht mehr hin. Es gibt aber andere längerfristige Projekte, die wir bestimmt noch in Betracht ziehen werden.
Wo ist die Organisation der Kulturhauptstadt dran?
P.K.: Unsere Aufgabe bestand darin, eine Struktur zu errichten, die die Europäische Kulturhauptstadt tragen kann. Das haben wir getan. Diese Struktur hat ein Organigramm und ein Finanzierungsmodell für die verschiedenen Projekte angenommen. Sie scheint jetzt zu funktionieren. Wenn die Ad-hoc-Arbeitsgruppe in einer nächsten Phase vorschlägt, alle Politiker sollten die «Esch 2022 asbl.» verlassen, dann würden Georges und ich nicht unbedingt darauf bestehen, im Vorstand zu bleiben. Es ist künftig nicht mehr an uns, das Projekt zu leiten.
Unsere Aufgabe besteht nun darin, die Infrastruktur bereitzustellen, damit die Veranstaltungen, die in Esch geplant sind, reibungslos ablaufen können. Und wir müssen unseren «Plan communal à la culture» umsetzen.
Hariko kommt nach Esch
Wie Kulturschöffe Pim Knaff im Rahmen des Interviews ankündigte, will die Begegnungsstätte für Jugendliche der «Croix-Rouge», Hariko, künftig nach Esch kommen. Als idealen Standort habe er das ehemalige Friedensgericht am Brillplatz ausgemacht, so Knaff. Doch dort hat kürzlich das nationale Resistenzmuseum für die Dauer der Renovierung des Hauptgebäudes seine Zelte aufgeschlagen. Als Alternative habe man zwei Immobilien in der Nähe der «Groussgaass-Schoul» ausfindig gemacht, die zwar irgendwann abgerissen werden sollen, aber noch nicht unmittelbar, so Knaff. Dort könnte Hariko zumindest provisorisch unterkommen.
Das Hariko-Projekt war seit dem Sommer 2015 im ehemaligen Sogel-Gebäude im «Dernier Sol» in Bonneweg untergebracht. Dieses Gebäude soll bald einem neuen Bauprojekt weichen und somit abgerissen werden. Seit mehreren Monaten hatte Hariko-Leiterin Marianne Donven nach einer neuen «Bleibe» für ihr Projekt gesucht.
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