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EditorialEs gibt ein Leben nach Putins Krieg

Editorial / Es gibt ein Leben nach Putins Krieg
Soldatenfriedhof in Verdun: Tote können sich nicht mehr für Frieden einsetzen Foto: Editpress-Archiv

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Wenn russische Bürger, Arbeiter, Künstler, Intellektuelle sich scheinbar schwertun, Putins völkerrechtswidrigen Angriffskrieg zu verurteilen, ist man geneigt, dies als eine deutliche Botschaft zu verstehen. Ist sie das wirklich?

Wer gibt eigentlich jemandem, der klare Kante verlangt, die moralische Hoheit über eine solche Forderung? Wie hat sich derjenige selbst bisher positioniert – bei Guantanamo, Kuba, Taiwan, China, bei Menschenrechten in Ungarn (LGBTQ-Gesetz) oder Malta (Abtreibung), zum Beispiel? Oder, wenn’s eine Nummer kleiner sein soll: Wie steht eine solche Person zu Rassismus und Armut in der Welt, was und wo kauft sie ein, wo macht sie Urlaub? Wo bringt sie sich ein, wo sagt sie Nein, wen unterstützt sie unterschwellig? Wird sie selbst ihren an andere gestellten Anforderungen gerecht? Der Alltag zeigt leider oft ein Bild der Angepasstheit und Gleichgültigkeit.

Aber Putins Krieg sei doch nun wirklich etwas ganz anderes, wenden Sie ein, liebe Leserin, lieber Leser. Ist das wirklich so? Sie haben recht. Aber hat irgendwann jemand aus vergnüglichster Laune heraus einen Krieg vom Zaun gebrochen? Ist es nicht stets bereits vorher zum Sündenfall gekommen – durch Unterlassung, Gleichgültigkeit und Billigung?

Ja, es stimmt: Putins Krieg(e) und Putins Tote, jetzt in der Ukraine, sind eine grausame und verachtenswerte Tatsache. Unentschuldbar! Doch so bitter es angesichts der aktuellen Gräueltaten klingen mag, es wird eine Zeit nach diesem Krieg geben … müssen. Nicht das Gegeneinander, sondern das Miteinander wird dann gebraucht. Denn trotz allem Schrecklichen wird man Auswege finden müssen – außer man nimmt in Kauf, den mit atomaren Sprengkörpern gespickten Planeten in stellaren Staub zu verwandeln.

Die Forderung nach einem Nein zu Putin ist heute mehr als nachvollziehbar. Das mag kurzfristig das Gewissen beruhigen – eine nachhaltige Lösung ist es nicht. Man wird sich wieder an einen Tisch setzen, verhandeln statt diktieren müssen. Wichtig ist es deshalb, Brücken zu bauen. Es gilt, nach wie vor, Verflechtungen zu schaffen, welche die Menschheit vereinen, nicht trennen.

Unsere Welt ist weit davon entfernt, perfekt zu sein – oder gerecht. Sie lässt es zu, dass Kinder und Erwachsene täglich an Hunger sterben, dass Minderheiten bedroht und Diktatoren hofiert werden. Und was nun? Überlassen wir die Welt den Kriegstreibern oder den Brückenbauern?

All jene, die jetzt eine klare Distanzierung zu Putins Taten in der Ukraine fordern, sind in ihrem Recht. Bürger wie Politiker sollten trotzdem überlegen, ob sie nicht viel früher hätten Position beziehen und dafür Sorge tragen müssen, dass das Kind gar nicht erst in den Brunnen fällt. Was haben wir seit dem letzten großen Krieg gelernt?

Ja, man muss betrübt zur Kenntnis nehmen, dass einige russische Bürger, Arbeiter, Künstler, Intellektuelle sich nicht eindeutig von Putins Angriffskrieg distanzieren. Dass sie sich allerdings auch nicht klar für diesen Krieg aussprechen, darf man nicht ignorieren. Es ist ein Hoffnungsschimmer. Auf ihn sollte, muss, man aufbauen. Auch wenn’s zum jetzigen Zeitpunkt schwerfällt, darüber zu reden, dass man miteinander reden muss.

Miette
9. März 2022 - 22.24

@Robert Hottua
Es wird und wurde nicht aufgearbeitet, das ist leider so.
Versuchen wir doch es nun besser zu machen!
Mfg. Miette mit Roma Vorfahren

Robert Hottua
8. März 2022 - 9.13

Auch in Luxemburg unterblieb die Aufarbeitung der Auswirkungen ds Autoritätsgedankens des Faschismus und des Nationalsozialismus.
MfG
Robert Hottua