Der Gemeinderat benötigt eine gute Zusammenarbeit und konstruktive und faire Diskussionen, um in Esch etwas zu bewegen. Das sagte der Escher Bürgermeister Georges Mischo (CSV) am Freitagmorgen während der ersten Gemeinderatssitzung mit den neugewählten Kommunalpolitikern. Der erste Punkt auf der Tagesordnung war die Vereidigung der Gemeinderäte. Ein Politiker nach dem anderen sprach die drei magischen Worte „Je le jure“ aus, lächelte kurz für die Kamera und machte der nächsten Person unter Händeklatschen Platz.
Weniger harmonisch ging es allerdings in den darauffolgenden Stunden weiter. Die neuen Gemeinderäte hielten zuerst ihre Antrittsreden. LSAP-Spitzenkandidat Steve Faltz machte den Anfang und betonte ein weiteres Mal, dass die LSAP als meistgewählte Partei aus den Wahlen gekommen sei. „Unsere Aufgabe ist es, die Arbeit der Mehrheit zu kontrollieren – wir werden zeigen, dass wir zum Teil bessere Lösungen für Esch haben“, sagte Faltz. „Auch wenn verschiedene hier im Saal öfters in der Stadt sein werden, wir sind hier und arbeiten für Esch – und das jeden Tag“, sagte Faltz. Trotzdem würde man auch gute Ideen und Projekte unterstützen und auf eine konstruktive Zusammenarbeit hoffen.
Ähnliche Töne schlugen auch die anderen LSAP-Politiker während ihren Antrittsreden an. „Wir hinterfragen kritisch, wir halten alle Entscheidungen im Auge und sind demonstrativ dagegen, sensible Dossiers unter den Teppich zu kehren“, sagte Liz Braz. Gleichzeitig stimmte auch jeder der neuen Räte zu, dass der Ton während der nächsten sechs Jahre respektvoll bleiben solle. „Jeder, der hier sitzt, hat sich auf seine Art engagiert, das verdient Respekt. Wir sollen den Ball spielen und nicht den Mann bzw. die Frau“, sagte CSV-Politiker Pascal Bermes.
Kritik am Koalitionsvertrag
Nach den Antrittsreden stellte Mischo den Koalitionsvertrag kurz vor. „Wir sind uns bewusst, dass wir vor sehr großen Herausforderungen stehen“, sagte der Bürgermeister. Auf 30 Seiten behandelt das Dokument alle möglichen Bereiche (das Tageblatt berichtete). Es sei das „kompletteste“ Abkommen, das Esch je hatte und beruhe zum Teil auch auf bereits geplanten Projekten wie dem „Handwierkerhaff“, der Erneuerung der Alzettestraße, dem „Plan local de la mobilité“, dem „Plan local de la sécurité“ und der Entwicklung von „Metzeschmelz“ und „Rout Lëns“. Oder, mit den Worten des Koalitionsvertrags: „Von zentraler Bedeutung für unsere Stadt ist: Kontinuität und Stabilität.“
Doch genau diese angepeilte Kontinuität kritisierten viele Oppositionspolitiker. „Wir können nicht mit den Ideen von gestern unsere Probleme von morgen lösen“, sagte Sascha Pulli (LSAP). Seine Parteikollegin Liz Braz bemerkte, dass der Ausdruck Stabilität bei einer knappen Mehrheit von zehn zu neun gewagt sei.
Marc Baum („déi Lénk“) benutzte die Stichworte „Kontinuität und Stabilität“ als zentrales Element seiner Rede. So hoffe er, dass die Mehrheitsparteien in vielen Punkten einen anderen Weg als bisher einschlagen. Beispiel „Gemengebuet“: Im Abkommen stehe zwar, dass dieser analytische Bericht der Gemeinderatssitzungen wieder zurückkehren solle, doch das würde die momentane Koalition schon seit Jahren versprechen. „Ihr versteht also, wenn ihr ‚Kontinuität und Stabilität‘ schreibt, dass ich dann fürchte, dass Kontinuität darin besteht, dass dieser ‚Gemengebuet‘ erst in sechs Jahren fertig ist“, sagte Baum.
Im Vertrag stehe, dass die Kommunikation mit den Bürgern „noch besser“ werden soll. In der Straße, in der Baum wohne, werde momentan gearbeitet – die Gemeinde habe dies der Nachbarschaft allerdings nicht im voraus kommuniziert. „‚Stabilität und Kontinuität‘ – ich hoffe, dass das gebrochen wird und die Escher Bürger wirklich einbezogen werden“, meinte der Politiker.
Ungenaues Abkommen
Baum zeigte sich auch überrascht davon, wie wenige verbindliche Aussagen in dem Abkommen zu finden seien. „Das, was am meisten vorkommt, ist: ‚Wir prüfen‘. Dann wird noch gesagt, wir machen Studien, wir analysieren. Man hat das Gefühl, als hätte eine neue Koalition dieses Abkommen geschrieben, die nicht auf Daten oder ihre Dienste zurückgreifen kann“, sagte Baum. Der ADR-Gemeinderat Bernard Schmit lobte die Rede von Baum. Auch Mischo meinte grinsend, er habe die „Theaterrhetorik“ von Marc Baum vermisst.
Schmit und die LSAP kritisierten ebenfalls die Ungenauigkeit des Abkommens. Im Koalitionsvertrag stehe beispielsweise, dass die Gemeinde ihren eigenen Wohnungspark ausbauen wolle. „Das reicht uns leider nicht. Man muss sich viel konkretere Ziele setzen. Ich erinnere an unser Wahlprogramm, in dem wir 1.500 Wohnungen bis 2035 angegeben haben“, sagte Sascha Pulli. Die Koalition gebe außerdem an, sie wolle eine bessere Mülltrennung. „Was heißt ‚besser‘? Komm, wir geben Zahlen, wo wir in den nächsten sechs Jahren hinwollen“, sagte Faltz. Der LSAP-Politiker kritisierte ebenfalls, dass keine konkreten finanziellen Zahlen im Vertrag zu finden seien.
Auf die Vorwürfe antwortete Mischo, dass es momentan nicht möglich sei, Kosteneinschätzungen durchzuführen. Bei der neuen Lallinger Sporthalle sei das Holz beispielsweise 200 Prozent teurer geworden. Ein Koalitionsabkommen könne man nie chiffrieren. CSV-Schöffe Christian Weis argumentierte, dass das Budget dafür da sei, konkrete Zahlen zu nennen – nicht das Koalitionsabkommen. „Wir haben durchaus konkrete Ideen“, sagte hingegen der grüne Schöffe Meris Sehovic. Es sei allerdings wichtig, die präzisen Pläne mit dem Gemeinderat und den Bürgern auszuarbeiten.
„Ankündigen, ohne umzusetzen, das hatten wir die vergangenen sechs Jahre – unsere Aufgabe ist es, zu schauen, dass dieses Koalitionsabkommen auch so umgesetzt wird“, beendete Steve Faltz seine Rede. Die nächste Gemeinderatssitzung ist am 29. September.
Der neue Escher Gemeinderat
Erstmals im Escher Gemeinderat sind Steve Faltz, Liz Braz, Enesa Agovic, Sascha Pulli (LSAP), Pascal Bermes, Joy Weyrich (CSV), Bernard Schmit (ADR), Tammy Broers (Piraten) sowie Schöffe Meris Sehovic („déi gréng“). Zudem gibt Marc Baum („déi Lénk“) sein Comeback. Sie gesellen sich zu Georges Mischo, André Zwally, Christian Weis, Bruno Cavaleiro (CSV), Ben Funck, Jean Tonnar (LSAP), Pim Knaff, Daliah Scholl (DP) und Mandy Ragni („déi gréng“) hinzu.
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