Dienstag30. Dezember 2025

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UN-KonferenzErfolg bei Klimaschäden, aber nicht beim Klimaschutz

UN-Konferenz / Erfolg bei Klimaschäden, aber nicht beim Klimaschutz
Eine von vielen Protestkundgebungen in Scharm el-Scheich: Teilnehmer am UN-Klimagipfel COP27 demonstrieren mit einer Installation  Foto: Christophe Gateau/dpa

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Nach mühsamen Verhandlungen ist die UN-Klimakonferenz in Scharm el-Scheich mit einem Kompromiss zu Ende gegangen, der zumindest ein Zurückfallen hinter frühere Vereinbarungen verhindert.

Der wichtigste Erfolg in der mit anderthalbtägiger Verspätung beschlossenen Abschlusserklärung ist die Weichenstellung für einen Fonds zum Ausgleich klimabedingter Schäden, in puncto Klimaschutz-Anstrengungen wurde allerdings kaum nachgelegt.

UN-Generalsekretär António Guterres kritisierte, die Konferenz habe nicht den notwendigen Plan zu „drastischen Emissionssenkungen“ vorgelegt. „Unser Planet ist in der Notaufnahme“, unterstrich er den dringenden Handlungsbedarf im Kampf gegen die Erderhitzung. Der neue Klimaschäden-Fonds sei immerhin ein „Schritt zu mehr Gerechtigkeit“. UN-Klimachef Simon Stiell erklärte, die Ergebnisse der COP27 hätten die UN-Klimaverhandlungen „vorangebracht“. Auch EU-Kommissionsvize Frans Timmermans äußerte sich „enttäuscht“ über den unzureichenden Klimaschutz-Ehrgeiz vieler Länder.

Die Konferenz hatte zuvor das Ziel bekräftigt, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Auch wurde anerkannt, dass dafür „sofortige“ und „nachhaltige“ Senkungen der Treibhausgasemissionen erforderlich sind. Diese sollen bis 2030 um 43 Prozent verglichen mit dem Stand von 2019 sinken. Ein Aktionsprogramm zur Senkung der Emissionen blieb aber ebenso vage wie Forderungen nach einer Abkehr von allen fossilen Energieträgern und zum Ausbau erneuerbarer Energien.

Zum Ausgleich für klimabedingte Schäden brachten die Delegierten einen Fonds auf den Weg, wie es Entwicklungsländer und kleine Inselstaaten schon lange gefordert haben. Die USA hatten den neuen Entschädigungsfonds zunächst blockiert, während die als G77 bekannte Gruppe aus mehr als 130 Entwicklungsländern zusammen mit China Druck aufbaute. Die Europäische Union schwenkte nach anfänglicher Zurückhaltung schließlich um. Die EU und andere Industrieländer setzten durch, dass die Unterstützung auf besonders gefährdete Staaten beschränkt wird.

Rolle Chinas beim Klimaschutz umstritten

Die pakistanische Klimaministerin Sherry Rehman sagte, nach „30 Jahren“ sei beim Thema „Loss and Damage“ endlich der „erste positive Meilenstein“ erreicht worden. Die Allianz der kleinen Inselstaaten (Aosis) lobte die Einigung auf den Klimaschäden-Fonds als „historisch“. Konkret beschlossen wurde die Einsetzung einer Kommission für den Aufbau des Fonds, über deren Empfehlungen dann auf der nächsten UN-Klimakonferenz Ende 2023 in Dubai beraten werden soll. Zur heiklen Frage der Finanzstruktur und des Einzahlerkreises gelangen keine Festlegungen.

UN-Generalsekretär António Guterres nannte den neuen Fonds für Klimaschäden einen wichtigen Schritt in Richtung Gerechtigkeit. „Sicherlich ist das nicht ausreichend, aber es ist eine dringend notwendiges Signal, um verloren gegangenes Vertrauen wieder aufzubauen.“ Umstritten bei dem Thema ist unter anderem die Rolle Chinas. Das Land, das beim Ausstoß klimaschädlicher Emissionen den ersten Platz belegt, will im internationalen Klimaschutz weiter als Entwicklungsland behandelt werden. So wurde es vor 30 Jahren im Kyoto-Protokoll festgelegt. Westliche Staaten wollen das Land wegen seiner Wirtschaftskraft und der Rolle als größter Verursacher von Treibhausgasen aber nicht länger als Empfängerland einstufen. Chinas Unterhändler Xie Zhenhua sagte, Entwicklungsländer sollten das Geld erhalten, räumte „verletzlichen Staaten“ aber Vorrang ein. Die EU konnte sich demnach mit ihrer Forderung, auch China dem Kreis der Einzahler zuzuordnen, nicht durchsetzen.

Risiko unkontrollierbarer Kettenreaktionen

Die ägyptische Konferenz-Präsidentschaft wurde vielfach als intransparent und zu wenig ehrgeizig kritisiert. COP27-Präsident Sameh Schukri sagte, ihm sei es immerhin gelungen, ein Zurückfallen hinter das bisher Erreichte zu verhindern.

2015 hatte die Weltgemeinschaft in Paris vereinbart, die Erwärmung möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen, im Vergleich zur vorindustriellen Zeit. Die Welt hat sich nun schon um gut 1,1 Grad erwärmt, Deutschland noch stärker. Ein Überschreiten der 1,5-Grad-Marke erhöht nach Warnungen der Wissenschaft deutlich das Risiko, sogenannte Kippelemente im Klimasystem und damit unkontrollierbare Kettenreaktionen auszulösen.

Wegen der vielen bis kurz vor Schluss noch offenen Fragen war die Konferenz verlängert worden. Am Samstag hatte es zeitweise sogar nach einem Scheitern ausgesehen, als die EU in drastischen Worten mehr Ehrgeiz bei den Emissionszielen einforderte. Die nächste Weltklimakonferenz findet Ende 2023 in den Vereinigten Arabischen Emiraten statt.

Treibhausgasemissionen, Klimafinanzierung, Just Transition

– Beschlossen wurde ein Aktionsprogramm zur Senkung der Treibhausgasemissionen, allerdings weniger ehrgeizig als etwa von der EU gewünscht. Um die Lücke bis zum 1,5-Grad-Pfad zu schließen, sollen die Staaten bis zur nächsten Klimakonferenz im November 2023 ihre nationalen Ziele für 2030 entsprechend nachbessern. Grundlage ist der Glasgow Climate Pact von 2021. Das Programm läuft zunächst bis 2026, kann aber verlängert werden.Ein lange umstrittener Punkt, wonach das Programm und die darin vorgesehenen jährlichen Berichte nicht zu einer Verschärfung von Zielvorgaben über die des Pariser Klimaschutzabkommens hinaus führen sollten, wurde entschärft.

– Die Konferenz äußerte sich „sehr besorgt“ darüber, dass die Zusage der Industrieländer von 2009, bis 2020 jährlich 100 Milliarden Dollar (96,6 Milliarden Euro) für Klimaschutz und -anpassung zur Verfügung zu stellen, immer noch nicht vollständig eingelöst wurde. Die Industriestaaten werden aufgefordert, dies nachzuholen. Zudem gibt es weitere Verfahrensschritte hin zu einem neuen Finanzierungsziel für Klimaschutz und -anpassung, das 2024 beschlossen werden soll.

– Entwicklungsländer sollen beim klimafreundlichen und zugleich sozial verträglichen Umbau ihrer Wirtschaft („Just Transition“) unterstützt werden. Dafür soll ein Arbeitsprogramm entwickelt werden. Internationale Finanzinstitutionen wie die Weltbank sollen reformiert werden, um sie auf Klimaschutz und -finanzierung auszurichten. Zudem soll privates Kapital dafür mobilisiert werden.

– Diverse Vereinbarungen und Initiativen gab es am Rande des eigentlichen Konferenzgeschehens. Etwa der sogenannte „Global Shield“, der einige besonders verletzliche Länder gegen bestimmte Klimaschäden absichern soll. Zudem gab es unter anderem Initiativen zum Waldschutz einschließlich diesbezüglicher Versprechen des designierten brasilianischen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva sowie zum Schutz der Biodiversität. (AFP)