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ForumErfindergeist statt Vergötterung der Natur: Bessere Technik ist überall auf dem Vormarsch

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Viele Biotope entstanden erst durch menschliche Eingriffe in die Natur. Ein Beispiel sind die Baggerweiher bei Remerschen. Foto: Erliefnis Baggerweieren asbl

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In dem Maße, wie sich immer mehr Menschen von den traditionellen Religionen abwenden, gibt es eine erstaunliche Rückkehr zum animistischen Glauben der Urvölker. Die überall Geister und Götter am Werk sahen. Jedes Unwetter, Blitz wie Donner, wurde höheren Gewalten zugeschrieben. Schutz suchte man in Opfergaben, verehrte heilige Tiere, gar Steine oder Pflanzen. Natur wie Naturereignisse galten als „allbeseelt“.

Laut dem vorherrschenden Diskurs feiert die „beseelte“ Natur ihre Wiederkehr. Indem sie sich an den Menschen rächt, etwa durch das Coronavirus. Seit der Dichter Johann Gottfried von Herder den schönen Begriff „Mutter Erde“ erfand, idealisiert der Zeitgeist die „Natur“.

Dabei ist die Natur weder gut noch böse. Der dehnbare Begriff „Natur“ umfasst eigentlich alles. Nicht nur Pflanzen und Tiere, Ozeane, Wälder, Wüsten und Gebirge. Auch die tektonisch bedingte Migration der Kontinente, die vulkanischen Aktivitäten unseres heißen Planeten sowie die klimatischen Umwälzungen, von Eis- bis Heißzeiten.

Es gibt natürliche Heilmittel, aber auch natürliche Gifte. Menschliche Moral bleibt bloß diejenige der Menschen. Viele Tiere, viele Fische erjagen sich ihre Nahrung auf Kosten anderer Lebewesen. Sie zu Vegetarier zu erziehen, wäre vermessen.

Der Mensch hat Landwirtschaft und Tierhaltung erfunden, um sich besser zu ernähren. Die zunehmend gesicherte Ernährung führte zur immer mehr Menschen und zu ihrer verstärkten Dominanz über die Ressourcen des Planeten. Dennoch ist der Planet nicht in Gefahr. Dieser wird noch Millionen Jahre seine Bahn um die Sonne ziehen. Mit oder ohne Menschen.

In Gefahr befindet sich bloß die menschliche Zivilisation. Mit seinem Erfindergeist hat der Mensch immer neue Energiequellen genutzt, seine Mobilität über Land und Wasser verbessert, selbst das Fliegen gemeistert. Er schuf immer größere Behausungen, die zu Riesenstädten heranwuchsen.

Für eine zunehmend angenehmere Lebensqualität wurden nicht nur die vorhandenen Ressourcen in Anspruch genommen. Der Mensch schuf Materialien, die es im Naturzustand nicht gibt. Er erfand Kommunikationsmittel, welche die Welt zum „globalen Dorf“ machen.

Der Homo sapiens wurde vom Untermieter der Natur zu einem Gestalter, der in seine Umwelt eingreift und sie verändert. Das tun auch Ameisen, Termiten, Biber und andere Lebewesen, etwa Korallen. Aber in einem viel beschränkterem Ausmaß. Weil der Mensch Savannen umpflügt, Wälder rodet, aber auch neue pflanzt, weil er Berge abträgt, Tunnels bohrt, Mauern, Straßen und Brücken errichtet, hat unsere Spezies ihre Umwelt neu geformt, manchmal stark beeinträchtigt.

Doch ist die Natur viel resilienter als oft geglaubt. Selbst Riesenstädte verflossener Kulturen wie Tikal in Guatemala oder Angkor Wat in Kambodscha wurden innerhalb von wenigen Jahrzehnten von der Vegetation geradezu „verschlungen“.

Viele Biotope entstanden erst durch menschliche Eingriffe in die Natur. In Luxemburg etwa die Baggerweiher bei Remerschen. Oder die früher im Tagebau ausgebeuteten Minette-Minen. Die sich zu reichen Natur-Gebieten entwickelten und nunmehr als Unesco-geheiligtes Welt-Kulturerbe gelten.

Bewusster leben

Es ist positiv, dass die Menschheit versucht, den Impakt der menschlichen Termiten-Arbeit auf Natur und Umwelt zu minimisieren. Dass gegen Verschmutzung von Wasser oder Verschwendung von Rohstoffen vorgegangen wird. Dass verstärkt Abfälle reduziert, besser, vermieden werden. Dass die Menschen sich über die Auswirkungen ihrer Aktivitäten auf das Klima sorgen. Selbst wenn die klimatischen Verhältnisse auf dem Planeten nie konstant waren.

Doch wie so oft in der menschlichen Geschichte schlägt der Pendel zu weit aus. Die angestrebte Ökologisierung der Gesellschaft wird zusehends punitiv. Der Mensch soll Buße leisten für seine „Versündigung“ an der vergötterten Natur. Für die neuen Reiter der Apokalypse wird der Mensch zum eliminierenden Störfaktor.

In „Sauver la Terre, punir l’homme“ zitiert Pascal Bruckner eine lange Liste selbsternannter Retter von „Mutter Erde“. Welche, wie der Meeresbiologe Cousteau, die Menschheit auf maximal 500 Millionen Erdbewohner beschränken wollte. Was zur massiven Elimination von Milliarden Menschen führen müsste. Oder zumindest zur Abstinenz beim Kindernachwachs anhalten müsste. Ein Baby, so ein grüner Abgeordneter der „Assemblée nationale“, stelle den „Pollutions-Gegenwert von 620 Flügen von Paris nach New York und zurück dar“. Um weiter nach New York zu fliegen, sollen folglich keine Babys mehr gezeugt werden? Oder?

Sicher ist, dass mit der steten Zunahme der Weltbevölkerung der Druck auf die Ressourcen zunimmt. Doch kann man zur „Rettung des Planeten“ die „Liquidierung“ von Milliarden Mitmenschen anstreben, wie ein Cousteau dies andachte?

Alle Demografen sind sich einig, dass überall dort, wo sich die Frauen emanzipieren, über bessere Bildung und besseren Zugang zur medizinischen Versorgung verfügen, die Geburtenrate fällt. Die Weltbevölkerung wird sich stabilisieren oder gar fallen.

Dennoch müssen in den kommenden Jahrzehnten Millionen Menschen besser ernährt werden. Das geht nicht ohne genetische Selektion von Saatgut, ohne Schädlingsbekämpfung, ohne Düngung, ohne intelligentere Nutzung der Bewässerung.

Eine Rückkehr zum angeblich glücklicheren, aber kurzlebigen Leben der Jäger und Sammler ist bei demnächst 8 Milliarden Menschen nicht möglich. Rein „biologische“ Landwirtschaft ist zu unproduktiv. Neue Technologien, etwa die Genschere „CRISPR/Cas9“, deren Erfinderinnen mit dem Nobel-Preis geehrt wurden, könnten zu Pflanzen führen, die resistenter gegen Hitze, Wassermangel und Schädlinge sind.

Den Erfindergeist nicht bremsen

Der menschliche Erfindergeist soll gefördert, nicht dämonisiert werden. Der Überfischung der Ozeane ist durch Fisch-Farmen zu begegnen. Über 50 Prozent der weltweit verspeisten Fische und Meeresfrüchte stammen heute schon aus Aufzucht. Ein Beispiel aus der Bucht des Mont St Michel: Dort wurde ab 1954 mit der Aufzucht von „Moules bouchots“ begonnen. Die auf in den Meeresboden gerammten Pfählen heranwachsen und sich vom Benthos, der organischen Materie im Meereswasser, ernähren. Heute werden dort jährlich 10.000 Tonnen leckere Muscheln geerntet.

Auch die Wasserprobleme sind lösbar. Einige Golfstaaten, aber auch Israel beziehen bereits über 50 Prozent ihres Wasserbedarfs durch Entsalzung von Meereswasser. Leider eine sehr energieintensive Technologie. Jedenfalls sollte man auch in Luxemburg überlegen, wie man zusätzliche Wasserreserven anlegen könnte, womöglich gekoppelt mit Energie-Produktion.

Der Zeitgeist setzt auf Pessimismus. Zu viele Wissenschaftler gefallen sich darin, immer neue Untergangsszenarien auszumalen. Seit den 1990er Jahren war das Mantra, die durchschnittliche Welt-Temperatur dürfe nicht über 2 Grad Celsius ansteigen. Was immer das heißen mag in einer Welt, wo täglich die Temperaturen zwischen den Polen und den Wüsten von minus 60 bis plus 60 Grad variieren. Weil die Staatengemeinschaft in den Augen mancher Klima-Aktivisten ungenügend Fortschritte machte, wurde 2015 auf der Pariser Klimakonferenz ein neues Ziel „erfunden“: Maximal 1,5 Grad plus. Seitdem häufen sich die Angstszenarien, was vielen Jugendlichen ein frustrierendes „no future“ einbläut.

Dabei ist die Lage objektiv betrachtet viel besser als je zuvor. Besonders in den entwickelten Ländern hat sich die Energieintensität im Verhältnis zum Bruttosozialprodukt entkoppelt. Man benötigt immer weniger Energie zur wachsenden Produktion von Waren und Dienstleistungen. Vor 20 Jahren wurden in den USA pro Dollar BSP noch 0,8 Kilogramm CO2 emittiert. Heute sind es 0,25 kg. In Deutschland 0,22, in Frankreich 0,10, in Schweden 0,08, in der Schweiz 0,07 Kg. Letztere drei Staaten können auf emissionsarme Nuklear-Energie und Wasserkraft zurückgreifen.

Autos, Flugzeuge, Schiffe wurden effizienter, haben einen geringeren Energieverbrauch. Fotovoltaik-Zellen leisten mehr mit weniger Materialaufwand. Bei modernen Kohlekraftwerken kann ein steigender Anteil an CO2 ausgefiltert werden. Es gibt neue Verfahren, um CO2 in Zement einzubinden. Verbesserte Nukleartechnologien ermöglichen es, Energie aus gebrauchten Brennstäben zu gewinnen und somit die nuklearen Abfälle zu reduzieren.

Die Zukunft der Menschheit liegt nicht in einer Vergötterung der Natur, sondern in der Weiterentwicklung der Technologien, in der Förderung des Erfindergeistes der Menschen.

* Der Autor ist früherer LSAP-Minister und ehemaliger Europaabgeordneter

Realist
10. November 2021 - 7.07

Tragisch, dass Politiker glauben, erst dann vernünftig reden zu dürfen, wenn sie sich aufs Altenteil zurück gezogen haben. Ein aktiver Minister mit einer realistischen Weltsicht, wie sie Herr Goebbels in seinem Text offenbart, wäre dringend nötig.

jojo
9. November 2021 - 16.47

Nur wenn die "emissionsarmen Nuklearanlagen" einmal emittieren, dann geht's wirklich rund! Und das wird nicht ausbleiben. Bei dem dauernden Verlängern der Betriebserlaubnis für die alten Meiler muß man leider damit rechnen.
Aber ein Vorteil: man wird nichts riechen. Und Herr G. bietet sich bestimmt an abgebrannte Stäbe in seiner Garage einzulagern.

Lex Ikon
6. November 2021 - 8.52

@Wieder Mann,
sie scheinen ein begnadeter Wikipedia-User zu sein.Danke.

HTK
6. November 2021 - 8.50

"Dabei ist die Natur weder gut noch böse." Für alle Lebewesen ist die Natur erst einmal gut.Für alle gilt aber auch die erste und Hauptfrage jeden Tag zu beantworten. " Was gibt es heute zu futtern". Wie oder wo das passiert spielt dabei keine Rolle.Der Natur ist es aber egal was mit den Lebewesen passiert denn Natur ist vor allem eins: Eine Abfolge physikalischer und chemischer Prozesse und...dem Zufall. Wir und alles was vorher gelebt hat sind das Resultat.Nur war noch nie eine solche Spezies wie der Homo Rapiens unterwegs.Und der ist dabei sich den Ast abzusägen auf dem er sitzt.Aber richtig.Es wird ohne uns weitergehen.Wenigstens bis die Sonne wütend wird und dem Planeten den Garaus macht.Da ist Corona dann auch dabei und alle Götter.Denn die sterben mit uns.

Wieder Mann
5. November 2021 - 13.59

@Goebbels:Ich war immer der Überzeugung der Begriff der Mutter Erde schon in den Homerischen Hymnen , An Allmuttererde, (….Sei gegrüßt Mutter Erde,Gattin des gestirnten Himmel….) 5 bis 7 Jahrhundert v Chr, erwähnt wurde. Von Herder , geboren 1744 gestorben 1803 hat sich also genau wie unser werter Herr Staatsminister des Plagiats „ dem Ofschreiwen“ schuldig gemacht ohne seine Quelle anzugeben.