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Endzeitstimmung im Kosovo-Poker: Dialog zwischen Belgrad und Pristina bringt noch keine Einigung

Endzeitstimmung im Kosovo-Poker: Dialog zwischen Belgrad und Pristina bringt noch keine Einigung
Gegen Präsident Hashim Thaci wächst der Widerstand

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Immer nervöser ringen Serbien und Kosovo um das von der EU geforderte Nachbarschaftsabkommen. Trotz der in Brüssel und Belgrad verbreiteten Endzeitstimmung ist eine Lösung weiter nicht in Sicht. In Kosovo wächst der Widerstand gegen den von Belgrad favorisierten Gebietsabtausch – und gegen Präsident Hashim Thaci als Verhandlungsführer.

Von unserem Korrespondenten Thomas Roser, Belgrad

Zumindest die Brüsseler Berufsoptimisten haben ihre Zuversicht noch nicht verloren. Es bestünden «realistische Chancen», dass die Präsidenten Serbiens und Kosovos zu einem Abkommen kommen könnten, das «alle offenen Fragen zwischen Belgrad und Pristina lösen» werde, verkündete EU-Außenbeauftrage Federica Mogherini hoffnungsfroh vor der Fortsetzung des von der EU forcierten Zwangsdialog der beiden streitbaren Ex-Kriegsgegner am heutigen Freitag in Brüssel: «Die nächsten Monate sind entscheidend.»

Immer nervöser ringen die unwilligen Verhandlungspartner um das von der EU bis zum nächsten Frühjahr geforderte Nachbarschaftsabkommen. Doch trotz der vor allem in Brüssel und Belgrad verbreiteten Endzeitstimmung ist ein baldiges Ende im zähen Kosovo-Tauziehen weiter nicht in Sicht. Denn in Pristina wächst der Widerstand gegen den von Belgrad favorisierten Gebietsabtausch – und gegen Präsident Hashim Thaci als Verhandlungsführer.

Seit 2008 ist der von mittlerweile über 110 UN-Staaten anerkannte Kosovo unabhängig. Doch dem Staatsneuling ist wegen des anhaltenden Sperrfeuers Belgrads und Moskaus noch immer der Zutritt zu wichtigen internationalen Organisationen verwehrt. Umgekehrt mehrt sich der Druck auf EU-Anwärter Serbien, den längst verlorenen Kosovo faktisch anzuerkennen: Denn auf einen Import bilateraler Probleme hat die ohnehin erweiterungsmüde EU keine Lust.

Lange fand Belgrad mit Forderungen nach einer Abtrennung des fast ausschließlich serbisch besiedelten Nordkosovo im Westen kaum Gehör. Jede Grenzkorrektur könnte in dem ex-jugoslawischen Vielvölkerreich eine gefährliche Kettenreaktion auslösen, so die einhellige Warnung von Politikern, Diplomaten und Bürgerrechtsgruppen: Wenn die Grenzen des Kosovo geändert würden, könnte dies den Sezessionsgelüsten der serbischen und kroatischen Minderheiten in Bosnien, aber auch denen der mazedonischen Albaner neue Nahrung geben.

Zustimmung für «Grenzkorrekturen»

Doch die USA und die EU sind von der Kosovo-Dauerbaustelle zunehmend ermattet. Zudem läuft im nächsten Jahr das Mandat der derzeitigen EU-Kommission aus. In einer Art konzertierten Aktion haben US- und EU-Diplomaten in den letzten Wochen ihre Zustimmung zu dem vor allem von Vucic, aber zuletzt auch von Thaci lancierten, aber bisher nicht näher erläuterten Szenario der «Abgrenzung» oder «Grenzkorrekturen» signalisiert. Doch nicht nur weil Berlin und London eine Änderung der Grenzen weiter ablehnen, ist Brüssels Kurswechsel problematisch. Auch in Serbien stößt eine etwaige Teilung des Kosovo auf Kritik – und in Pristina sowohl bei der Regierung als auch bei der Opposition auf klare Ablehnung.

Mit dem ihm eigenen Pathos hat Vucic für seine am Sonntag geplanten Kosovo-Visite «die wichtigste Rede» seines Lebens angekündigt, um die skeptischen Kosovo-Serben auf die Notwendigkeit eines Ausgleichs mit Pristina einzuschwören. Während Serbiens Dominator über die Medienmacht und den politischen Rückhalt verfügt, um seinen zweifelnden Landsleuten einen wie immer gearteten Deal durch die Nase zu bohren, ist Thaci mit seinem Vorstoß für Grenzkorrekturen zur Einverleibung von Serbiens albanischen Presevo-Tal im eigenen Land weitgehend isoliert: Selbst seine PDK ist in Sachen Gebietsaustausch skeptisch.

Präsident Thaci verfüge nicht über die Befugnis, um über Grenzen zu verhandeln, ärgert sich Premier Ramush Haradinaj. Doch bei dem eigentlich gemeinsamen Ansinnen, dem präsidialen Solisten Thaci die Grenzen im Grenzstreit aufzuzeigen, blockieren sich in Kosovos Parlament die Regierungs- und Oppositionsparteien gegenseitig. Statt einer Einigung droht der Brüsseler Dialog dem Staatsneuling einer der schwersten Krisen seiner zehnjährigen Geschichte zu bescheren: Selbst Neuwahlen werden in Pristina nicht mehr ausgeschlossen.