Dienstag30. Dezember 2025

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Ukraine-Krieg„Endlich frei“: Kiew hofft nach Cherson auf weitere Siege

Ukraine-Krieg / „Endlich frei“: Kiew hofft nach Cherson auf weitere Siege
Blumen und Umarmungen für einen ukrainischen Soldaten in Cherson Foto: AFP

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Der Jubel in Cherson nach der Befreiung ist riesig. Die Gefechte im Ukraine-Krieg bleiben trotzdem heftig. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj spricht von einer „Hölle“. 

Die Rückeroberung der südukrainischen Gebietshauptstadt Cherson hat in der Ukraine Jubel und Hoffnungen auf weitere Vorstöße ausgelöst. „Wir vergessen niemanden, wir werden niemanden zurücklassen“, versprach der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in einer Videobotschaft in der Nacht zu Sonntag. Russland hatte seine Truppen aus allen am Nordwestufer des Dnipro gelegene Teilen des zuvor von ihm annektierten Gebiets Chersons abgezogen – darunter auch der Hauptstadt des Gebiets.

Ein Einwohner von Cherson küsst einen ukrainischen Soldaten
Ein Einwohner von Cherson küsst einen ukrainischen Soldaten Foto: dpa/Efrem Lukatsky

Einwohner in Cherson sprachen von einem „großen Gefühl der Erleichterung“, wie ein AFP-Korrespondent berichtete. Menschen standen in der Stadt für Essen an – einige von ihnen waren in die ukrainische Flagge gehüllt. Mehrere Menschen versammelten sich auf dem zentralen Platz, um das Satelliteninternet zu nutzen. „Sie haben alles mitgenommen. Sie haben die Geschäfte geplündert“, sagte Viktoria Dybowska, eine 30-jährige Verkäuferin. Tierschützern zufolge stahlen die Besatzer sogar Tiere aus dem Zoo der Stadt.

Auch in Kiew und in anderen ukrainischen Städten wurde die Befreiung groß gefeiert. „Meine Stadt, wo ich geboren bin und mein gesamtes Leben verbracht habe, ist endlich frei“, sagt die 17-jährige Nastia Stepenska mit Tränen in den Augen in Kiew. Sie werde in ihre Heimatregion zurückgehen, sobald „es möglich und sicher ist“.

Minen und Getreide

Jaroslaw Januschewitsch, Leiter der ukrainischen Militärverwaltung der Region Cherson, zeigte sich in einem im Internet veröffentlichten Video „sehr glücklich, heute hier (in Cherson) zu sein, in diesem historischen Augenblick“. Es werde alles für eine „Rückkehr zu einem normalen Leben“ getan. Neben der Räumung von Minen wurde eine Ausgangssperre verhängt und der Zutritt zur Stadt eingeschränkt, wie Januschewitsch sagte. Allerdings verzeichnen auch die russischen Truppen nach eigenen Angaben einen Erfolg in Donezk.

Svitlana und Galina fallen sich nach der Befreiung in die Arme
Svitlana und Galina fallen sich nach der Befreiung in die Arme Foto: AFP

Unterdessen richtet sich der Blick auf das am kommenden Samstag auslaufende Getreideabkommen, das seit Juli ukrainische Exporte durch das Schwarze Meer ermöglichte. Moskau hatte die Exporte seit Beginn seines Angriffskriegs gegen die Ukraine blockiert. Russland moniert, dass es wegen westlicher Sanktionen kaum in der Lage ist, eigene Exporte von Nahrungs- und Düngemitteln auf den Weltmarkt zu bringen. Die Vereinten Nationen riefen Länder weltweit auf, Hindernisse für den Export von Düngemitteln aus Russland aus dem Weg zu räumen. „Die Welt kann es sich nicht leisten, dass die weltweiten Probleme bei der Verfügbarkeit von Düngemitteln zu einer weltweiten Nahrungsmittelknappheit führen“, teilten die UN am Freitagabend nach Gesprächen mit dem russischen Vizeaußenminister Sergej Werschinin und seiner Delegation in Genf mit.

Wir vergessen niemanden, wir werden niemanden zurücklassen

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in einer Videobotschaft in der Nacht zu Sonntag

Die Verwaltung der Stadt Nowa Kachowka in Cherson ziehe sich zusammen mit den Bürgern der Stadt an einen sicheren Ort zurück, teilte derweil der örtliche Besatzungschef Pawel Filiptschuk nach Angaben der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Tass mit. Befürchtet wird, dass der Staudamm durch Beschuss zerstört und das Gebiet überflutet werden könnte. Russen und Ukrainer werfen sich seit Wochen gegenseitig vor, eine solche Provokation zu planen.

Putin spricht mit Raisi

Kremlchef Putin und Irans Präsident Raisi haben unterdessen über den weiteren Ausbau der Beziehungen ihrer beiden von westlichen Sanktionen betroffenen Länder gesprochen. In dem Telefonat habe der Fokus auf der „Zusammenarbeit in den Bereichen Politik, Handel und Wirtschaft“ gelegen, teilte der Kreml anschließend mit. Der Iran unterhält gute Beziehungen zu Moskau und war zuletzt für die Unterstützung des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine in die Kritik geraten. Vor rund einer Woche hatte Teheran erstmals zugegeben, an Russland auch Kampfdrohnen geliefert zu haben.

Viktor Galak freut sich zusammen mit seiner Familie und seinen Katzen
Viktor Galak freut sich zusammen mit seiner Familie und seinen Katzen Foto: AFP

Der geplante verpflichtende Militärunterricht an russischen Schulen soll nach britischer Einschätzung die Bereitschaft zu Mobilisierung und Wehrdienst bei jungen Menschen erhöhen. Das Training ziele darauf ab, Schüler, die sich dem Wehrpflichtalter nähern, mit militärischen Fähigkeiten auszustatten, teilte das Verteidigungsministerium in London am Sonntag unter Berufung auf Geheimdiensterkenntnisse mit. „Diese Initiative ist wahrscheinlich auch Teil eines umfassenderen Projekts, um der russischen Bevölkerung eine Ideologie des Patriotismus und des Vertrauens in öffentliche Institutionen einzuflößen.“

Dugins abrupte Kehrtwenden

Der kremlnahe Ideologe Alexander Dugin hat Präsident Wladimir Putin nach dem russischen Truppenabzug aus Cherson seine weitere Loyalität zugesichert. Berichte des Westens, wonach „sich russische Patrioten und ich selbst seit der Kapitulation von Cherson von Putin abwenden und angeblich seinen Rücktritt fordern“, seien „Falschmeldungen“, erklärte Dugin am Samstagabend im Onlinedienst Telegram. „Wir sind Putin gegenüber loyal und werden die Militäroperation (in der Ukraine) und Russland bis zum Ende unterstützen.“
Noch am Freitag hatte Dugin eine Nachricht veröffentlicht, in der er den Kreml nach dem Rückzug der russischen Truppen aus Cherson zu kritisieren schien. Dugin schrieb, dass Russland nicht noch weitere Orte aufgeben dürfe und „die Grenze erreicht“ worden sei. Die US-Denkfabrik Institute for The Study of War (ISW) interpretierte Dugins Kommentar als „ideologischen Bruch“ zwischen radikalen Unterstützern des Kriegs und Putin. Dugin wies dies zurück. „Wenn wir etwas zu beanstanden haben, dann ist es, dass die Mitglieder der herrschenden Elite anfangen sich abzusetzen, und nun einer nach dem anderen den obersten Befehlshaber verrät“, schrieb er auf Telegram.