„Bitte einsteigen!“
So heißt unsere Artikelserie zum öffentlichen Personenverkehr in Luxemburg. Das Tageblatt beleuchtet mit Interviews, Selbsttests und Analysen alle denkbaren Aspekte des öffentlichen Transports, um in den nächsten Wochen herauszufinden, wie gut Bus, Zug und Co. im Großherzogtum funktionieren. Teil sechs ist ein Gastbeitrag und Meinungsartikel von Francis Wagner, der von 1986 bis 2019 Tageblatt-Journalist mit den Schwerpunkten Außenpolitik und Verkehrswesen war.
Konkret: Zählungen zeigen immer wieder, dass zu dem Zeitpunkt in zehn Autos im Schnitt gerade mal zwölf Menschen sitzen. Dies bedeutet nichts weniger, als dass gerade dann, wo wir uns eine derartige Verschwendung von Beförderungskapazität nun aber wirklich am wenigsten leisten können, 76 Prozent der verfügbaren Plätze (38 von 50) in den Autos ungenutzt bleiben. Wer alleine mit dem Auto zur Arbeit fährt, hat denn auch kein Recht, sich über den Stau zu ärgern, denn er gehört zu seinen Hauptverursachern.
Die nackten Vergleichszahlen zur Effizienz von motorisiertem Individualverkehr und Öffentlichem Transport (ÖT) sind sowohl beeindruckend wie auch den wenigsten Autopendlern bewusst. Im Gegensatz zum Auto sind in den Spitzenstunden Bus, Zug und Tram meist vollständig ausgelastet. In einer voll besetzten Luxtram werden zum Beispiel 420 Menschen befördert. 420 geteilt durch zwölf ergibt 35. Mit anderen Worten: Um die Passagiere einer einzigen vollbesetzen Tram zu befördern, kommen derzeit auf der Straße sage und schreibe 350 (dreihundertfünfzig!) Autos zum Einsatz*. Selbst die 150 Passagiere eines vollbesetzten 24-Meter-Doppelgelenkbusses würden sich demnach auf immerhin noch 120 Autos verteilen.
Der reine Wahnsinn!
Denn selbst wenn es sich bei diesen Autos fiktiv um 350 Kleinwagen à vier Metern Länge handelte, die Stoßstange an Stoßstange führen, ergäbe das bereits einen 1.400 Meter langen Konvoi. Eine Tram mit der gleichen Anzahl von Insassen ist 45 Meter lang. Um die gleiche Transportleistung zu erzielen, wie eine einzige 45-Meter-Tram zu bieten imstande ist, besetzt der motorisierte Individualverkehr in der Praxis gut zwei Kilometer Fahrbahnlänge.
Und da haben wir die Ursache unserer Megastaus: nämlich die absolut obszöne Ineffizienz des motorisierten Individualverkehrs.
Weltweit nutzen viele Hundert Millionen täglich den ÖT, um zur Arbeit zu gelangen. Sie tun dies zwar meist nicht zu ihrem Pläsier, aber dennoch mit großer Selbstverständlichkeit. Wobei – und das ist das Entscheidende – ein nicht unerheblicher Teil davon sehr wohl ein Auto besitzen. Zwar gibt es weltweit Staus, doch ist vielerorts der Modal Split, also das Verhältnis der Nutzung von Auto und ÖT, deutlich günstiger als bei uns.
Es stimmt allerdings schon, dass derzeit Qualitätsprobleme bei der CFL etlichen Pendlern den Umstieg vom Auto auf die Bahn als keine sehr gute Idee erscheinen lassen. Diese Probleme sind aber im Wesentlichen einer populistischen Verkehrspolitik zu verdanken, welche über Jahrzehnte hinweg den Ausbau von Straßen und innerstädtischen Parkhäusern förderte, während der Schienenverkehr sträflich vernachlässigt wurde. Immerhin werden der CFL seit ein paar Jahren massive finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt, welche es erlauben werden, die Qualität des Angebotes massiv zu verbessern.
Hierzulande sowie in den Grenzregionen legen eingefleischte Autofahrer indes ein erstaunliches Maß an Kreativität zutage, sobald es darum geht, zu erklären, warum die Nutzung des ÖT ausgerechnet für sie selbst leider nun mal grundsätzlich nicht infrage komme. Dabei ist es mit dem ÖT wie mit dem Straßenverkehr: Er setzt zur optimalen Nutzung ein gewisses Know-how voraus.
Womit wir beim Stichwort multimodale Mobilität wären: Im Großherzogtum hätten wir schon einiges erreicht, wenn weniger Menschen versuchten, ihr Auto von der Haustür bis möglichst nahe an den Arbeitsplatz zu nutzen. Die Fahrt mit dem Privatfahrzeug zu einem Park&Ride, also einem sog. „Pôle d’échange modal“, wo der Umstieg u.a. vom Individualverkehr auf den ÖT stattfindet, würde es so zum Beispiel einer ganzen Menge von Pendlern erlauben, die Vorteile von Auto und ÖT miteinander zu verbinden und dergestalt unsere Straßen nachhaltig zu entlasten. Dies zum unschätzbaren Vorteil von Mensch und Umwelt.
Doch für viele Zeitgenossen ist gerade im Grand-Duché die exklusive Nutzung ihres Privatautos auch eine Frage des sozialen Prestiges: ÖT ist für sie bestenfalls was für Arme und Ausländer. Eine, man muss es leider feststellen, reichlich kleinbürgerliche und spießige Mentalität, die aber nunmal nicht nur hier ausgesprochen typisch für die Provinz zu sein scheint.
Doch es hilft alles nichts: Wer nicht im Stau stehen will, sollte sich gar nicht erst in den Stau stürzen. Sondern so weit wie möglich den ÖT, das Velo und … ruhig auch mal seine Füße nutzen.
(* Wer für einmal zwölf Passagiere einmal zehn Autos benötigt, der braucht für fünfunddreißigmal zwölf Passagiere fünfundreißigmal zehn Autos.)
„Bitte einsteigen!“
1. Der große Überblick: Öffentlicher Transport vs. Auto – wer ist schneller?
2. Selbstfahrende Züge sollen Pünktlichkeit und Kapazität der Bahn in Luxemburg verbessern
3. Drei Jahre gratis öffentlicher Transport: „Qualität wichtiger als Kostenlosigkeit“
4. Multimodalität im Selbsttest: Wie gut funktioniert der Arbeitsweg mit Rad und Zug?
5. „Es ist ja ziemlich kaputt hier“: Mobilitätsexpertin Katja Diehl über Luxemburg
6. Eine Tram = 350 Autos: Zu den wirklichen Ursachen der Staus
7. Umständlich, unmöglich, fantastisch: So erleben Grenzgänger das Pendeln mit Bus und Bahn
8. Wenn Bus und Bahn zu spät kommen: So (un)pünktlich ist der öffentliche Transport
@Luc/ "mit 17 hat man noch Träume". Peggy March
Wer mit einem Auto innerorts unterwegs ist, sollte auch dafür zahlen. Egal ob er dort wohnt, oder nicht. Eine Vignette pro Auto für jede Gemeinde à 45 Euro pro Monat und der Spuk hat schnell ein Ende. Dann wird es auch mehr Fahrgemeinschaften geben. Und das mit den Parkplätzen im öffentlichen Raum (Stichwort "parking résidentiel", also Klientelismus-Parkraum exklusiv für Wahlberechtigte) sollte auch mal überdacht werden.
@Bella: Wat e Blödsinn! Weist mir en Zuch, den zu Letzebuerg 140 km/h firt. An nördlech vun Ettelbréck fueren d'Zich genau 0 km/h.
@Viviane: Wat e Blödsinn! Z.B. ass d'Groussgaass an aner Plazen am Zentrum längst fir den Autoverkéier gespart.
@déi 2 (oder 2x déselwechten): Déi wierklech "Ewiggestrigen" sidd dir, well dir wellt zeréck an de Mettelalter.
Hier im Saarland stehen abends die Dörfer und Städte voll mit Lieferwagen, mit L- Schild. Die fahren aber totsicher nicht mit dem ÖTV dahin !!!!
@ Bella / .... bis ihm, dem Zug, ein anderer Zug mit 140Km/h entgegengedonnert kommt. Oder überhaupt noch ein Zug fährt wie momentan im ZUG-LOSEN Norden unseres Landes ;-). Quelle: höre und lese nationale und internationale Nachrichten. Ursachen gibt's viele. Soviel zu Stinkern und Ewiggestrige. Grüsse in die Pampa des Südens und ein schönes Wochenende.
Ech sin onsem Här dankbar fir all Dag wou meng Gesondheet et zouléisst mech an mein Auto ze setzen an ze fueren wou ech well, wéini ech well, stoen ze bleiwen wou ech well an matzehuelen wien an wat ech well. An wann et och nëmmen ass fir en Kaffistour iwwer Land ze machen. Dee ganzen logisteschen an strategeschen Akt fir mat de Bazillenschléideren vun Bus, Zuch an Tram iergendwou hinzekommen brauch ech net. Genau esou wéi och déi "speziell" Gratis-Klientel, déi net nëmmen am Fuerpark, mä och op den Garen lungert. T'ass net fir näischt dass d'Chaufferen hannert kugelsëcherem (?) Glas setzen. ÖTV... villmools Merci fir Näischt!
Was für ein Stau?
Das sind nur die Ewiggestrigen, die in ihren Stinkern auf der Autobahn stehen, während der Zug mit 140km/h vorbei donnert.
@ J-M Grober :
Bravo, dei' setzt !
D'Freiheet ass wichteg an dei' duerf een nie ob ginn !
@Trierweiler
Die Ironie war wohl schwer zu verstehen. Noch geniesse ich die Freiheit, mit meinem Mustang V8 dorthin zu fahren, wo ich möchte. Ich brauche bislang weder Taxi noch Rufbus und auch keinen CIGL. Es gibt auch Menschen in meinem Alter, die ihre Freiheit lieben und nichts von Umerziehung und Verbotskultur halten.
@Jean-Marie Grober
"Vielleicht kann Francis Wagner mir einen guten Rat geben? Ich wohne in Düdelingen, Richtung Kayl, und muss zum Baumarkt in der Z.A.E. Wolser nahe Bettemburg und ebenfalls zum Supermarkt, mit dem Kaktus als Markenname, in der gleichen Richtung. Ich rechne mit jeweils 2 grossen, gut gefüllten Tragetaschen, mit denen ich mich herumplagen muss. Von meinem Haus bis zu diesen beiden Einkaufszentren und zurück sind es etwa 8 km. Soll ich nun also diese Strecke 1) zu Fuss gehen, 2) den Bus benutzen, 3) mit dem Zug dahin fahren, oder 4) mit meinem Auto aus meiner Garage dahin un zurück fahren? "
Weder noch.
Das Taxi zum Baumarkt kostet 4€, gesponsort von der Düdelinger Gemeinde, der Rufbus ist sogar gratis.
"Ich bin jetzt 68 Jahre alt und mein Knie ist auch nicht mehr so fit wie vor 40 Jahren. Was raten die Experten mir denn nun???"
Bleiben Sie aus dem Baumarkt weg und rufen Sie den CIGL, der macht kleinere Arbeiten für Menschen in Ihrem Alter.
Wenn endlich das Stadtzentrum für Autos gesperrt wird, dann geht's voran.
Déi Saach mat de 420 Mënschen an engem Luxtram gesinn ech e bëssche méi nüancéiert. An der Theorie an um Pabeier kléngt esou eppes schéin a gutt. An der Praxis um Terrain allerdings sinn d'Leit net begeeschtert, wa se wéi d'Hierken an der Tonn transportéiert ginn. Och wann dëst méiglecherweis "normgerecht" ass, droen Iwwerfëllten Zich, Bussen an Trammen dozou bäi, dass d'Leit sech nees hire Privatauto wënschen, wou se eng garantéiert Sëtzplaz hunn, a wou keen hinnen an d'Gesiicht houscht. D’Qualitéit vum ÖPNV spillt also eng enorm wichteg Roll.
Erstaunlich,dass eine stetige Zunahme der Zulassungen auf den Straßen Staus erzeugt? Der Süden des Landes wird bald eine einzige Großstadt bilden.(1 Mio Einwohner sic) Wenn Einwohner alle mit dem Auto unterwegs sind.....na ja. Und da reden wir nicht von den Pendlern.
Vielleicht kann Francis Wagner mir einen guten Rat geben? Ich wohne in Düdelingen, Richtung Kayl, und muss zum Baumarkt in der Z.A.E. Wolser nahe Bettemburg und ebenfalls zum Supermarkt, mit dem Kaktus als Markenname, in der gleichen Richtung. Ich rechne mit jeweils 2 grossen, gut gefüllten Tragetaschen, mit denen ich mich herumplagen muss. Von meinem Haus bis zu diesen beiden Einkaufszentren und zurück sind es etwa 8 km. Soll ich nun also diese Strecke 1) zu Fuss gehen, 2) den Bus benutzen, 3) mit dem Zug dahin fahren, oder 4) mit meinem Auto aus meiner Garage dahin un zurück fahren? NB.- Ich bin jetzt 68 Jahre alt und mein Knie ist auch nicht mehr so fit wie vor 40 Jahren. Was raten die Experten mir denn nun???