Eine frische Brise weht durch die Tour: Ciccone führt, aber Thomas hat die Rundfahrt fest im Griff

Eine frische Brise weht durch die Tour: Ciccone führt, aber Thomas hat die Rundfahrt fest im Griff

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Ein Fahrer wie Julian Alaphilippe tut dem Peloton gut. Der Franzose, der anfangs der Woche mit einem „Sieg nach Ansage“ in Reims triumphierte und danach erstmals das „Maillot jaune“ überstreifte, ist neben Peter Sagan, dem Gewinner von Colmar, einer der wenigen Akteure, die ein Rennen wie die Tour de France auf den sogenannten „étapes accidentées“ durch emotionale Farbtupfer verschönern können.

Chalon-sur-Saône, den 12. Juli

Dass der kleine Springinsfeld mit dem dunklen Ziegenbart das Gelbe Trikot nach drei Tagen in La Planche des Belles Filles abgeben musste, weil er sich im steilen Anstieg zu viel zumutete und ein halbes Dutzend Sekunden zu langsam war, tut seinem Verdienst keinen Abbruch. Er bleibt der erste Franzose seit Tony Gallopin im Jahre 2014 (14./15. Juli), der an die Spitze des Gesamtklassements fuhr. Und darauf sind seine Landsleute, die es mit Nicolas Chauvin, dem imaginären und patriotischen Soldaten von anno dazumal halten, mächtig stolz.

Alaphilippe, der Intimus von Bob Jungels, polierte die Rundfahrt bereits letztes Jahr auf mit einigen sportlichen Kapriolen wie den Etappenerfolgen in Le-Grand-Bornand und Bagnères-de-Luchon sowie dem Gewinn des weißen Trikots mit den roten Punkten, das den Ersten im Bergpreisklassement belohnt.

Apropos „Maillot à pois“. Vielleicht ist es dem verehrten Leser schon aufgefallen, dass dieses Trikot „relooked“ wurde, wie die Briten so schön sagen. Es ist zwar immer noch weiß, aber die Punkte sind kleiner geworden. Und es zieren auch nicht ausschließlich rote Tupfer das Hemd, sondern auf der linken Brustseite haben sich ein oranger und ein blauer Punkt unter die roten Flecken verirrt. Dies als Anspielung auf die Farben des neuen Sponsors, dem damit von den Organisatoren der Tour ein kleiner Gefallen getan wurde. Gegen bare Münze, versteht sich. Schöner wurde das Leibchen dadurch nicht, höchstens kitschiger und demnach absolut reif für den nächsten Karnevalsumzug.

Auf Radwegen

Auf der Etappe nach Colmar verließen die Konkurrenten die normalen Straßen. Um das Spektakel, das aus allen Winkeln von den Kameras eingefangen wird, fernsehgerechter zu machen, bogen sie zwischen Ribeauvillé und Kientzheim in die wunderschönen Elsässer Weinberge ein und fuhren auf Wegen, die im Alltag den landwirtschaftlichen Maschinen der Winzer und den … Fahrrädern vorbehalten sind. Für die „Caravane publicitaire“ und den Begleittross der Tour war diese Strecke kein Zuckerschlecken. Umso mehr als es danach über Kopfsteinpflaster durch die winkligen Gassen von Kientzheim ging, wo man sich morgens redlich darum bemüht hatte, das Rathaus aus dem 18. Jahrhundert so zu schmücken, dass auch nur ein kleines, gedankliches Souvenir im Kopf der vielen schnell vorbeiflitzenden „Suiveurs“ haften bleibe.

Eigentlich werden bei dieser Tour immer wieder Erinnerungen aufgefrischt. So auch in Colmar, wo ein älterer Herr in kurzen Hosen, dem niemand Beachtung schenkte, die Überreichung des „Maillot jaune“ an Julian Alaphilippe vornahm. Bei dem Senioren mit graumeliertem Haar handelte es sich um Roger Hassenforder, den Spaßvogel aus den 50er- und 60er-Jahren, der acht Etappen der Tour, darunter zwei in Colmar, gewann und mittlerweile fast 89 Jahre (geb. am 23.7.1930) auf dem Buckel hat. Der schöne Roger, der aus Sausheim, nahe Mulhouse, stammt, verbrachte eigenen Aussagen zufolge als junger Sportler mehr Zeit mit hübschen Mädchen als beim Training. Seine zweite Leidenschaft war die Jagd. Hassenforders ausgestopfte „Trophäen“ findet man haufenweise in dem Hotel-Restaurant, das er nach seiner Sportlerkarriere in Kaysersberg, dem Geburtsort des Dr. Albert Schweitzer, eröffnete und das inzwischen in den Händen einer Gesellschaft ist.

Ein neuer Wind

Eines steht nach der ersten Woche fest: Romain Bardet wird die Tour auch 2019 nicht gewinnen. Als mögliche französische Sieger kommen theoretisch nur noch Julien Alaphilippe und Thibaut Pinot in Frage. Mit größter Wahrscheinlichkeit aber darf Bernard Hinault, der letzte Gewinner aus dem Hexagon (1985), sich abends sorglos zur Ruhe legen. Sowohl Alaphilippe als auch Pinot zeigten in dem hochprozentigen Anstieg von La Planche des Belles Filles zwar echte Kletterqualitäten, doch scheinen sie kaum in der Lage zu sein, in den Pyrenäen- und Alpen-Etappen ihre Zeitfahr-Defizite gegen Vorjahressieger Geraint Thomas, dessen Teamgefährten Egan Bernal oder auch Astana-Leader Jakob Fuglsang wettzumachen.

Die größte Erkenntnis aus der total verrückten Schotterweg-„Eskalade“ zu den „schönen Mädels“ aber dürfte die Tatsache gewesen sein, dass die Tour im Begriff ist, sich zu erneuern. Der belgische Etappensieger Dylan Teuns (27) und der neue Leader der Gesamtwertung, der junge Italiener Giulio Ciccone (24), ließen eine frische Radsport-Brise über den Hang wehen. Beide bestreiten ihre erste Tour. Teuns war bereits Etappensieger beim Dauphiné, Ciccone im Giro d’Italia, wo er auch die Bergpreiswertung gewann.

Mit ihm haben die Italiener vielleicht einen Nachfolger für Vincenzo Nibali gefunden. Der Toursieger von 2014 sah die Ankunft in La Planche des Belles Filles als eine Art Zwischenexamen im Hinblick auf das spätere Schlussklassement an. Das Resultat war ungenügend, Nibali büßte fast eine Minute auf seine Hauptgegner ein. Er wird sich in Zukunft nicht mehr auf die Gesamtwertung konzentrieren, sondern in erster Linie versuchen, einen Etappensieg herauszufahren.

Nibali und Bardet sind also weg vom Fenster, es bleiben die andern großen Favoriten mit Vorjahressieger Geraint Thomas und seinem „Akolythen“ Egan Bernal an der Spitze. Beide zu verdrängen wird nicht so einfach sein, denn die Ineos-Truppe ist stark. Sehr stark sogar …

Josy Miersch Junior
14. Juli 2019 - 14.44

Sehr spannende TdF ! Auch wenn Geraint THOMAS sehr präsent ist belauern sich die Matadoren. Fest steht aber auch dass Patrick LEVEFERE auch mit dem Feuerwerk von Julian am 14ten Juli in Gelb so noch immer keine Grand-Tour gewinnen wird. Die Hoffnung Enric MAS der wieder keine Unterstützung hat soll zudem die Mannschaft verlassen. Das Bergtrikot von WELLENS müsste dann als Trost auch noch von Julian geknackt werden, was jetzt immer schwieriger wird ! Herr LAHURE bitte informieren Sie jedem Tag über die TdF die online beim Tageblatt fast nicht existiert ! Danke und bester Gruss !