Die Arbeitszeitverkürzung war die erste politische Diskussion, zu der sich die Parteien in diesem Wahlkampf positionierten. Das Thema Arbeit könnte aber vor den Wahlen noch einmal in den Fokus rücken. Diesmal geht es nicht um die 38-Stunden-Woche, eine Flexibilisierung der Arbeitszeit oder die Work-Life-Balance, sondern um steigende Arbeitslosenzahlen. Die entwickeln sich nämlich gerade in die falsche Richtung. Im Juli 2023 waren erstmals seit Dezember 2021 über 16.000 Menschen bei der ADEM eingeschrieben. Den höchsten Anstieg gab es bei Hochschulabsolventen und jungen Menschen unter 30 Jahren.
„Das Gespenst kehrt zurück“ titelte das Tageblatt Anfang des Monats mit Bezug auf die Arbeitslosigkeit. Abgesehen von der Corona-Pandemie hatte sich die Lage in den vergangenen neun Jahren entspannt, nachdem die Arbeitslosenquote 2014 die Sieben-Prozent-Marke überschritten hatte. Es war das erste Regierungsjahr von Blau-Rot-Grün und damals, im Wahlkampf 2013, war die Arbeitslosigkeit eine der Hauptsorgen in Luxemburg. Die Arbeitslosenquote stieg seit Beginn dieses Jahres von 4,8 auf 5,2 Prozent. Sie ist zwar noch weit von den 6,8 Prozent aus dem Jahr 2013 entfernt, allerdings ist der Anstieg der Zahl der Arbeitssuchenden nicht das einzige Problem. Es ist nämlich zugleich ein Rückgang an offenen Stellen bei der ADEM zu verzeichnen. Eine Entwicklung, die riskiert, zu einer Vergrößerung der sozialen Ungleichheiten beizutragen, und die durchaus ernst genommen werden soll.
Die Arbeitslosigkeit hat nicht erst beim Verlust der Arbeitsstelle negative Folgen für den Menschen, sondern bereits dann, wenn man sich Sorgen darüber macht oder Angst hat, seinen Job zu verlieren. Das erklärte der britische Epidemiologe Richard G. Wilkinson im Interview mit dem Tageblatt. Wilkinson zufolge ist die soziale Ungleichheit die größte Stress-Ursache und Stress kann bekanntlich krank machen. Die Kluft zwischen Arm und Reich ist in den vergangenen Jahren bereits durch die Pandemie weiter angewachsen, wie eine vor wenigen Tagen veröffentliche Studie der Zentralbank belegt. Demnach hat sich die finanzielle Situation von 19 Prozent der wohlhabendsten Haushalte während der Corona-Krise verbessert, während 16 Prozent der ärmsten Haushalte durch die Pandemie zusätzliche Einbußen hinnehmen mussten. „Je ungleicher eine Gesellschaft ist, desto mehr hängt die Gesundheit vom Status innerhalb der gesellschaftlichen Hierarchie und von der Klassenzugehörigkeit der Menschen ab“, sagt Wilkinson und unterstreicht, dass sich in jeder Gesellschaft die Lebenserwartung von „unten“ nach „oben“ unterscheidet.
Ob die zunehmende Arbeitslosigkeit von den Parteien zum Wahlkampfthema gemacht wird oder nicht, ist im Endeffekt nebensächlich. Denn ganz gleich, ob Logement, Steuerreform, Energiepreise, Inflation oder die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, letztendlich geht es bei den Parlamentswahlen am 8. Oktober um den sozialen Zusammenhalt unserer Gesellschaft.
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