Drei Werke von Johannes Brahms und eines von Béla Bartók hatten der Violinist Frank Peter Zimmermann und der Pianist Martin Helmchen bei ihrem Konzert in der Philharmonie im Gepäck. Der Pizzicato-Mitarbeiter hat sich das Konzert im Kammermusiksaal angehört. Die Sonaten für Violine und Klavier Nr. 2 & 3 von Johannes Brahms stellen besondere Anforderungen an die Interpreten. Vor allem die 2. Sonate „Thuner Sonate“ verlangt höchstes gestalterisches Vermögen, um den liedhaften Charakter mit seinen melancholischen Melodien in Einklang mit einer sich steigernden positiven Stimmung zu bringen.
Frank Peter Zimmermann begann diese Sonate eher schwach; im Gegensatz zu dem souveränen Martin Helmchen fand er in den beiden ersten Sätzen nicht so recht den richtigen Ton. Erst im dritten Satz hatten sich die Musiker gefunden und mit der 2. Sonate für Violine und Klavier von Béla Bartók begann dann das Konzert, ein außerordentliches Niveau anzunehmen. Zimmermann fühlte sich hörbar wohl bei Bartók und den sperrigen ersten Satz gestaltete er mit einer ungeheuren Intensität, deren Stärke in den leisen, intimistischen Passagen lag. Helmchen konterte mit einem fast surrealistisch wirkenden Klavierspiel, ehe beide sich dann mit viel Spiellust in den virtuosen, mit Tänzen und Dissonanzen gespickten Schlusssatz warfen.
Nach der Pause dann Brahms’ Sonate für Klarinette (Viola) und Klavier in der selten zu hörenden Bearbeitung für Violine. In der Tat kann die Violine den warmen, runden und beweglichen Klang der Klarinette nicht wirklich ausgleichen, Zimmermanns wunderbares Spiel aber ließ uns diese Sonate trotzdem auf höchstem spielerischen Niveau erleben. Vor allem Martin Helmchen am Klavier hatte einen außerordentlich guten Lauf. Sein wunderschönes, immer präsentes und wohlklingendes Spiel machte diesen Abend zu einem Genuss. Und gerade bei der abschließenden 3. Sonate für Violine und Klavier konnte er den symphonischen Charakter der Musik voll ausspielen und bot Frank Peter Zimmermann einen idealen Klangteppich, um feinste Nuancen und leichtfüßige Virtuosität auf kongruente Weise und in bester Balance nahtlos miteinander zu verweben. Der jubelnde Applaus war berechtigt und das Duo bedankte sich mit der erst zweiten Aufführung einer vor kurzem entdeckten Romanze von Bohuslav Martinu; die Uraufführung hatte es vor einigen Tagen in der Wigmore Hall in London gegeben. Es folgte dann abschließend noch ein Adagio von Ludwig van Beethoven.
Polnisches Doppel
Das OPL-Konzert, das im Rahmen der „Grands rendez-vous“–Serie stattfand, darf man getrost als sensationell bezeichnen. Völlige Einheit herrschte demnach zwischen dem einfach atemberaubend spielenden Pianisten Jan Lisiecki und dem großartigen Dirigenten Krzystof Urbanski, der ein Maximun an Klangkultur, Raffinesse und Interpretationstiefe aus den spielfreudigen Orchestermusikern herausholte. Bereits die einleitende kurze Little Suite des polnischen Komponisten Witold Lutoslawski ließ aufhorchen. Da war ein Dirigent am Werke, der selbst diesen charmanten Opener kunstvoll ausleuchtete und wunderbar musikantisch aufspielen ließ. Bereits hier überraschten die intonationssicheren OPL-Musiker mit einer fast selbstverständlichen Leichtigkeit. Urbanski zeigte, worauf es ihm ankam: auf musikantisches Spiel, Präzision und ein aufgelichtetes Klangbild.
Sehr dramatisch ging es dann bei Griegs Klavierkonzert zu, wo der polnische Pianist Jan Lisiecki sich zu einer Weltklasseleistung aufschwang. Tolle Virtuosität im ersten Satz, eine Kadenz, bei der einem der Mund offen stehen blieb, wundervoll zarte, fast impressionistische Klänge im langsamen Mittelsatz und eine Mischung von beidem im Schlusssatz. Anschlag und Spiel waren in jeder Hinsicht perfekt, sodass der aufmerksame Dirigent das Orchester von der Leine lassen konnte und es sich dabei fast in einen Klangrausch spielte. Die 5. Symphonie von Dimitri Schostakowitsch interpretierte der ebenfalls aus Polen stammende Krzysztof Urbanski mit viel Gefühl und immer im Bewusstsein der versteckten Botschaft. Es würde hier zu weit führen, um auf alle Details einzugehen, denn deren gab es viele, aber so intensiv, so geschlossen und so klangschön, wobei der Dirigent dem Pathos des doppelbödigen Werkes geschickt aus dem Weg ging, können selbst die besten Orchester der Welt diese Symphonie nicht spielen. In diesem Sinne war dieses Konzert auch eines der besten OPL-Konzerte der letzten Jahre. Demnach würden wir uns freuen, dieses polnische Doppel bald wieder in der Philharmonie begrüßen zu dürfen.
Frische und Lebensfreude
Im Gegensatz zu vielen anderen Orchestern hat die 1958 von Sir Neville Marriner gegründete Academy of St Martin in the Fields absolut nichts von ihrer Frische verloren. Das Ensemble wirkt beim Musizieren wie ein Jungbrunnen; hier wird dann auch so alles, was an Virtuosität, Spielkultur und Klangschönheit möglich ist, mit einer Natürlichkeit ins Feld geführt, dass man nur hören und staunen kann. Marriner zu ersetzen, war sicherlich schwierig gewesen, die erste Konzertmeisterin Iona Brown hatte nie das Charisma gehabt wie eben Marriner. Mit Joshua Bell, der die Academy nun seit 2011 als erst zweiter Chefdirigent ihrer Historie leitet, hat man einen ebenso würdigen wie hochkarätigen Nachfolger gefunden. Als primus inter pares und Violinist leitet es das Orchester von der ersten Violine aus. Damit unterstrich er auch die Tatsache, dass die Academy of St Martin in the Fields sowohl Symphonieorchester als auch Kammermusikensemble ist. Und das konnte das Publikum an diesem Abend auf schönste Weise erleben.
Bereits mit den drei Stücken aus Carnaval von Robert Schumann in der stimmigen Orchestrierung von Maurice Ravel durfte das Orchester glänzen. Bell unterstrich dabei die hellen, optimistischen und vorwärtsdrängenden Charakteristika der Musik, etwas, das sich dann auch in den beiden folgenden Werken wiederholen sollte. Wunderschön gelang der Academy das unterschätzte, wenn auch etwas reaktionäre Violinkonzert von Samuel Barber. Joshua Bell, der dann auch den Solopart übernommen hatte, begeisterte mit einer makellosen und faszinierenden Interpretation, die ganz der Musik selbst gewidmet war und somit keine musikalischen Erklärungen suchte bzw. neue Wegen zu gehen versuchte. Optimistisch und frisch, dazu wunderbar leicht und virtuos gespielt erklang Robert Schumanns 2. Symphonie nach der Pause. Joshua Bell hatte das Ensemble bestens eingeschworen und brauchte von seiner Violine aus nur manchmal ordnend oder, besser formuliert, stimulierend einzugreifen. Die Academy spielte wie eine gut geölte Schweizer Uhr, präzise, aufmerksam und mit viel innerer Beteiligung. Kein Wunder also, dass nach dem letzten Ton der Großteil des Publikums begeistert aufsprang und die Academy und Joshua Bell für dieses hundertprozentige Konzert mit Standing Ovations und jubelndem Applaus lautstark feierte.
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