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Forum / Ein starkes Handwerk für Luxemburg
 Symbolfoto : Editpress-Archiv/Fabrizio Pizzolante

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Mit dem Ende des Schuljahres beginnt für viele Jugendliche die Suche nach einem Studienplatz, einer Ausbildungs- oder einer Arbeitsstelle. Dass dies eigentlich der spätmöglichste Zeitpunkt ist, ist hoffentlich auch den Betroffenen klar. Zukünftige Studenten müssen sich hingegen schon im Jahr vor dem Abitur nicht nur mit der Auswahl der Studienrichtung, sondern auch mit der Wahl des Studienlandes auseinandersetzen. Jene, die einen Ausbildungsplatz beziehungsweise eine Arbeitsstelle suchen, können sich damit ein wenig mehr Zeit lassen. Dies aber nur unter der Bedingung, dass der Berufswunsch klar definiert ist.

Und genau hier hapert es! Seit Jahren, wenn nicht schon seit Jahrzehnten, wird in den klassischen Ausbildungsberufen nach dem Prinzip des „Choix par l’échec“ vorgegangen: Haben die Jugendlichen nicht die benötigten Schulnoten, um im Sekundarunterricht in die nächste Klasse zu kommen, dann wird ihnen zu einer Berufsausbildung geraten. Dass dies weder im Sinne von Handwerk und Handel noch im Interesse der Jugendlichen ist, dürfte jedem einleuchten. Den seit Jahren währenden Worten des Bildungsministers, laut welchen das Handwerk einen besonderen und wichtigen Stellenwert im Schulsystem hat, sind in den letzten Jahren keine Taten gefolgt.

Marc Spautz ist CSV-Abgeordneter
Marc Spautz ist CSV-Abgeordneter Foto: privat

Wo ist das versprochene Projekt der doppelten Qualifizierung: Sekundarschulabschluss und Diplom in der Berufsausbildung? Wo bleibt die Aufwertung der dualen Ausbildung? Was wurde getan, um beispielsweise die Technikerausbildung als Bestandteil der Berufsausbildung fester in der Arbeitswelt zu verankern? Gibt es Überlegungen, um zum Beispiel wie in Frankreich diesen Ausbildungsweg als „Bac professionnel“ einzustufen und so die direkte Möglichkeit fachbezogener weiterführender Studien zu garantieren, anstatt wie bisher mit der Lösung der bestandenen „Modules préparatoires“ zu arbeiten? Warum findet die Technikerausbildung noch immer überwiegend in der Schule, zwar mit Praktika, aber nicht direkt bezogen auf eine duale Ausbildung in den Betrieben statt? Hier besteht die Gefahr, dass an der Arbeitswelt vorbei ausgebildet wird. Wann wurden die staatlichen Beihilfen für Betriebe, die ausbilden, einer Evaluation unterworfen, um sie eventuell anzupassen?

All diese Fragen wurden in den letzten Jahren nicht oder nur unzureichend beantwortet. Und dabei ist eine starke duale Ausbildung als Garant für eine stabile und diversifizierte Wirtschaft in Luxemburg wichtig, wenn nicht sogar überlebenswichtig. Anstatt auf ausgebildete Grenzgänger zurückzugreifen, müsste sich unser Arbeitsmarkt auf ein gut organisiertes und funktionierendes Bildungssystem stützen können. Dazu gehört neben der Aufwertung der Ausbildungsberufe und deren gesellschaftlicher Anerkennung auch eine angemessene Berufsorientierung. Und da ist in Luxemburg noch viel Luft nach oben.

Adäquate Schul- und Berufsberatung fehlt

Mit der Einführung der „Maison de l’orientation“ war bei vielen die Hoffnung geweckt worden, endlich eine nationale Strategie der Schul- und Berufsberatung zu erhalten. Leider wurden die Erwartungen nicht erfüllt, obwohl die Anleitung zur Umsetzung einer nationalen Strategie im OECD-Bericht vorgezeichnet wurde. Luxemburg krankt daran, dass die verschiedenen Ministerien nicht bereit waren und sind, ihre jeweiligen Kompetenzen an eine einzige nationale Struktur abzutreten. Eine optimale Vorbereitung auf die Auswahl eines zukünftigen Berufes geschieht nicht erst ein Jahr vor dem Eintritt in die Arbeitswelt.

Bis heute fehlt es an einer adäquaten Schul- und Berufsberatung, bereits ab der siebten Klasse. Nur jenen Schülern, für die das Schulsystem frühzeitig entscheidet, dass sie den Weg in die duale Ausbildung einschlagen müssen, wird eine Beratung innerhalb der Schule angeboten. Ob es sich aber hier um eine optimale Berufsberatung handelt, bleibt dahingestellt. Wenn Schüler den Arbeitsmarkt nicht kennen, nicht wissen, wie dessen Mechanismen funktionieren, was die Voraussetzungen und die Herausforderungen sind, dann wird es schwierig, eine richtige Entscheidung zu treffen. Dies wird auch an den vielen Abbrüchen in den ersten Monaten einer Ausbildung ersichtlich: Vorstellung und Realität passen nicht zusammen. Die Luxemburger Wirtschaft ist aber auf gut orientierte und gut ausgebildete Jugendliche angewiesen.

Und mit der fortschreitenden Digitalisierung aller Berufe wird es umso wichtiger, dass alle Schüler frühzeitig einen Einblick in die Mechanismen der Arbeitswelt erhalten. Schulberatung und Berufsberatung zu trennen, ist nicht angebracht und vor allem nicht zeitgemäß: Beides muss Hand in Hand funktionieren, und vor allem muss diese Beratung in allen Schulen angeboten werden – auch in den klassischen Lyzeen. Optimal wäre es, aus der Schul- und Berufsberatung ein verpflichtendes Fach zu machen und es in die Schulcurricula zu integrieren. Punktuelle Veranstaltungen wie die „Schoulfoire“ können die Beratung in den Klassen nicht ersetzen.

Wenn die Verantwortlichen es nicht schaffen, aus den schönen Sonntagsreden Realität werden zu lassen, werden immer weniger Jugendliche den Weg in die duale Ausbildung einschlagen. Ihre Eltern werden ihnen wegen der mangelhaften Anerkennung in der Gesellschaft von diesem Weg abraten. Und Luxemburg wird in Zukunft einen noch größeren Mangel an qualifizierten Facharbeitern haben. Verlierer werden wir alle sein.