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„Ein richtig cooler Kampf“ – Luxemburgs Animationsindustrie und ihre Hoffnungsträger

„Ein richtig cooler Kampf“ – Luxemburgs Animationsindustrie und ihre Hoffnungsträger

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Millionen Menschen sind jedes Jahr von ihrer Arbeit begeistert – und ohne sie gäbe es nicht einen Disney-Klassiker. Aber das Leben eines Trickfilmzeichners ist nicht so märchenhaft, wie es scheint. Wie viel Arbeit und Engagement von den Künstlern gefordert wird, wird auch bei einem Blick hinter die Zeichentrick-Kulissen in Luxemburg klar.

Von Marie Schusterschitz

Draußen scheint die Sonne, aber im Inneren des kleinen Saals ist es stockdunkel. 50 Menschen haben sich in den engen Kinoraum der Kulturfabrik in Esch gezwängt. Sie wollen Animationsfilme sehen – und zwar Made in Luxembourg.

Die Protagonisten des Nachmittags sind nervös. Es sind die BTS-Studenten des Studiengangs „dessin d’animation“ des „Lycée des arts et métiers“. Und die drei Animationsfilme, die sie jetzt zum ersten Mal dem Publikum vorführen werden, sind nichts weniger als ihre Abschlussarbeiten. Jeder der Gäste – ob Animationsprofi oder nicht – hat beim Eintritt in den Saal einen Papierbogen in die Hand gedrückt bekommen. Darauf kann man Bewertungen zu Filmen abgeben, die gleich gezeigt werden – und sogar Kommentare zu ihnen festhalten.

Die Filme wurden jeweils von zwei bis drei der insgesamt neun Studenten des Abschlussjahres hergestellt. Jede Gruppe hatte dabei einen Gruppenleiter, der sich die eigentliche Geschichte ausgedacht hat – und oft den Großteil der Animation übernommen hat. Die restlichen Mitglieder des Teams kümmerten sich um andere Arbeiten – sie zeichneten beispielsweise den Hintergrund oder erstellten die Spezialeffekte in den Szenen.

Ein Bär und eine Möwe als Kunstgenies

Der erste Film, der an diesem Nachmittag gezeigt wird, ist das Projekt „L’Ours et la Mouette“. Zwei Studentinnen haben den Streifen geschaffen, vier Minuten dauert die komödiantische Erzählung, in der ein Bär beim Malen von einer Möwe sabotiert wird. Die beiden Figuren kreieren unabsichtlich ein Werk, das auch noch 1.000 Jahre später als „primitive Kunst“ in einem Museum ausgestellt wird.

Marie Dufaye baselt an ihrem Projekt L’ours et la Mouette

Marie Dufaye, die Gruppenleiterin des Projektes, erklärt, dass sie beim Film vor allem auf die Gesichtsausdrücke der Charaktere achten wollte und dass sie beabsichtigte, einen „durchaus lustigen Film“ zu kreieren. Deshalb habe sie, mit der Hilfe von Gruppenmitglied Gloria Lavey, die Mimik der Figuren in den Fokus gesetzt – und als den zentralen Aspekt des Humors verwendet.

Tagträumen als Ausdruck der Fantasie

Die zweite Gruppe des Nachmittags wird von Pauline Peysson geleitet. „Daydream“ heißt die Produktion, bei der auch Charline Joly und Rena Miliner mitmachen. Es geht um ein gelangweiltes junges Mädchen, das von seinem Plüsch-Affen in eine Fantasiewelt gezogen wird und dort mit ihm Abenteuer erlebt, bevor es wieder ins echte Leben zurückgeworfen wird.

Charline Joly zeichnet eine Figur für ihren Film „Daydream“.

Die Produzenten des Filmes erklären, wie wichtig ihnen vor allem der Bildhintergrund und die Bedeutung der Farben in den einzelnen Szenen war. Laut Renan Milliner, der sich um die Animation der Umgebung kümmerte, wurden die Farben der Anfangsszene bewusst sehr bedeckt gehalten, um die Langeweile des kleinen Mädchens in ihrem Wohnzimmer zu illustrieren. Nachdem es aber in seiner Fantasiewelt Spannendes erlebt und wieder in dieses Zimmer zurückkehrt, sind die Farben wärmer, da „sich durch seine Erlebnisse etwas in ihm getan hat“

Ein Kampf gegen sich selbst

Auch in „Warriorkid“, dem letzten Film des Nachmittags, verändert sich die Hauptfigur. Wie im vorigen Projekt geht es um ein junges Mädchen. Allerdings erlebt es keine lustigen Abenteuer, sondern muss seinen eigenen Schatten bekämpfen, um seine Angst vor der Dunkelheit zu überwinden.

Marianne Le Moigne und Cameron Harsch bei der Präsentation von „Warriorkid“

Der Animationsfilm ist von Marianne Le Moigne, Cameron Harsch und Darryl Madsen gestaltet. Er sei aus einer gemeinsamen Liebe zu diversen Aspekten der heutigen Popkultur entstanden, erzählt Gruppenleiterin Le Moigne. So soll die Transformationsszene, in der sich das kleine Mädchen in eine Kämpferin verwandelt, eine „Ode“ an japanische Animes sein. Die Geschichte von „Warriorkid“ entstand aus der Motivation, „einen richtig coolen Kampf“ darzustellen, wie man ihn in Actionfilmen sehe, sagt Le Moigne.

 

 

Vom springenden Ball zum Narnia Film 

Einen Zeichentrickfilm zu animieren – auch wenn dieser nur wenige Minuten lang ist – ist nicht einfach. Die BTS-Studenten haben zwei Jahre damit verbracht, diese Arbeit zu lernen. Um in den Studiengang „dessin d’animation“ überhaupt aufgenommen zu werden, müssen Zeichentalente erst die Sekundarschule abschließen. Jedes Jahr macht die Schule drei Aufnahmetests. Zudem werden die persönlichen Portfolios der Kandidaten bewertet, um festzustellen, ob die potenziellen Studenten das benötigte zeichnerische Talent besitzen.

Um dann den Einstieg in den zweijährigen Studiengang – den es schon seit 1990 gibt – zu erleichtern, beginnen die Studenten mit Übungen auf Papier. Bei diesen ersten Schritten wird ihnen beigebracht, ein einfaches Objekt – wie einen springenden Ball – darzustellen. Laut den Teilnehmern ist der Springball das beste Objekt, um Timing zu lernen – und ein Gefühl für die Bewegungen von Objekten zu bekommen.

Perspektive, Mimik, Gestik

Langsam, aber sicher wird von den Studenten dann verlangt, dass sie Perspektive in ihre Zeichnungen einbauen. Dann erst beginnen sie, Charaktere mit all ihrer Mimik und Gestik zu entwerfen.

Sind sie an diesem Punkt angelangt, so intensivieren sich die Aufgaben. Die Studenten müssen fließende Gehbewegungen kreieren und an der Lippensynchronisation ihrer Charaktere arbeiten. Student Darryl Madsen erzählt: „Dieser Prozess kann oft sehr lange dauern, abhängig davon, wie detailreich die Figur ist.“

Unterrichtet wird hauptsächlich von Kunstlehrern, obwohl es auch Lehrer gibt, die hin und wieder in der Trickfilm-Industrie tätig sind. Einem Studenten zufolge hat einer seiner Lehrer bei der Animation des dritten Teils der Filmreihe „Die Chroniken von Narnia“ mitgearbeitet. „Er hat sich dann aber entschieden, Lehrer zu werden.“

Luxemburg als Animationshub

Wie es für die Absolventen des Studiengangs weitergeht, ist für manche noch nicht klar. Andere wollen aber weiter an ihren Kompetenzen arbeiten. Ein Student erzählt, dass er sich schon für einen 3D-Animationskurs in England beworben hat. Dort will er seine erlernten Fähigkeiten noch mehr verfeinern.

Man muss aber nicht unbedingt ins Ausland gehen, um Karriere in der Animationsindustrie zu machen. Auch in Luxemburg finden sich für Zeichentrick-Zeichner Arbeitsmöglichkeiten. Fünf Animationsstudios gibt es in Luxemburg, zudem haben sich zwei Produktionsstudios, die Filmaufträge betreuen und an die Animationsstudios weitergeben, im Land niedergelassen. Hinzu kommen 15 Nachbearbeitungsstudios, Tonstudios und Studios für Spezialeffekte, die sich um alles kümmern, das außerhalb der Animation einen Film ausmacht.

Der Großteil der Aufträge dieser Firmen kommt aus dem Ausland, wie Caroline Origer erklärt. Origer ist Regisseurin bei der „Fabrique des Images“, ein Produktionsstudio in Differdingen. Man arbeite hauptsächlich mit Firmen aus Belgien, Frankreich oder Deutschland zusammen, um Animationsfilme und Serien zu produzieren. Aber: Auch hier werden Erfolgsgeschichten produziert. Zum Beispiel die kanadisch-irisch-luxemburgische Koproduktion „The Breadwinner“, die teilweise vom Produktionsstudio „Melusine Productions“ aus Contern gestaltet wurde – und sogar für einen Oscar nominiert war.

 

Zeitdruck und Zeitaufwand

Bekommt man einen Auftrag, so kann es laut Cherifa Bakhti – auch sie ist Regisseurin bei der „Fabrique des Images“ – zwei bis drei Jahre dauern, um ihn zu erfüllen. Das liege daran, dass es viele verschiedene Schritte gebe, bevor man das Produkt mithilfe des Computers zum Leben erweckt.

Anfangen müssen die Zeichner mit einem Storyboard, das die Geschichte und den Stil der Animation grob vorgibt. Dann werden die Charaktere und der Hintergrund so detailreich wie möglich entworfen, bevor mit einer groben Animation begonnen wird. Diese wird dann „gereinigt“ und mit Farbe ausgefüllt. Schließlich hilft der Computer, die Kamerabewegungen und Spezialeffekte des Films einzufügen. Diese zeitaufwendigen Schritte seien laut Bakhti notwendig, weil „der Computer ja nicht alles alleine machen kann“.

Doch nicht nur die Profis, sondern auch die „dessin d’animation“-Studenten mussten sich viel Zeit nehmen, um an ihren Projekten zu arbeiten. Wie eine der Zeichnerinnen erzählt, kam es häufig vor, dass man „bis in den späten Abend“ in den Klassenzimmern bleiben musste, um seine Designs zu fertigen und zu optimieren.

Festivalbesuche

Die langen Stunden hinter dem Computerbildschirm und vor einem Blatt Papier zahlen sich aber aus. Die Studenten im dunklen Kinosaal in Esch können sich nach der Vorstellung ihrer Filme Hoffnungen machen. Denn die Gäste, die fleißig ihre Bewertungsbögen ausgefüllt haben, küren mit ihrem Urteil den besten Film. Und der darf sein Werk auf dem internationalen Animationsfilmfestival in Annecy 2020 vorführen.

Noch ist nicht bekannt, wer dieses Mal gewonnen hat. Erst bei der Diplomverleihung im Oktober erfahren die jungen Animatoren, ob ihr Werk es geschafft hat.


Für mehr Informationen über den BTS Dessin d’animation Kurs: 

https://www.ltam.lu/bts-animation/

https://www.facebook.com/btsanimation.luxembourg.lam/