Tageblatt: Seit wann tätowieren Sie und wie sind Sie dazu gekommen?
Dunia Ciuferri: Ich tätowiere seit Anfang letzten Jahres. Ich lebte fast neun Jahre in Berlin und kam Ende 2021 mit einem konkreten Ziel nach Luxemburg: Ich wollte meiner langgehegten Leidenschaft für Tattoos nachgehen. Bis dahin hatte ich nie den Schritt gewagt, dies professionell zu tun. Als ich im Dezember in Luxemburg ankam, klopfte ich bei jedem Tattoo-Studio an. Schließlich landete ich im „Lions Grave“, wo ich meine Ausbildung zur Tätowiererin absolvierte.
Was hat Sie vor anderthalb Jahren dazu bewogen, dieser Leidenschaft beruflich nachzugehen?
Der Auslöser kam während der Covid-Pandemie. Zu diesem Zeitpunkt war ich bereits seit zwei Jahren als Booker bei einer Berliner Modelagentur angestellt. Mein Alltag bestand primär darin, Jugendliche zu managen, ganz im Sinne von: „Du darfst deine Haare nicht schneiden, du darfst nicht zunehmen.“ Ich war gezwungen, in eine Rolle zu schlüpfen, die überhaupt nicht meinen persönlichen Werten entsprach. Im Homeoffice wurde mir innerhalb kürzester Zeit klar, dass ich nicht mehr zur Agentur zurückkehren würde. Stattdessen begann ich, mich wieder kreativ zu betätigen: T-Shirts, Tassen, Untersetzer mit meinen Designs entstanden. Ich blühte regelrecht auf. Dieses Momentum wollte ich mir zunutze machen und so frönte ich gleichzeitig meiner Leidenschaft fürs Tätowieren. Irgendwie hat sich alles zusammengefügt.
Wie würden Sie Ihren Tattoo-Stil beschreiben? Und wie hat er sich im Laufe der Zeit verändert?
Meine Tattoo-Designs lassen sich dem „Ignorant Style“ zuordnen. Das ist eine relativ junge Gegenbewegung zu fotorealistischen Tattoo-Motiven. Grundsätzlich geht es darum, alles formal zu vereinfachen und sich selbst nicht zu ernst zu nehmen. Ich nenne meine Tattoos manchmal gerne „Quatsch-Tattoos“. Die meisten meiner Entwürfe sind von einem unterschwelligen Humor geprägt. Ich lege auch viel Wert darauf, Wiedererkennungsmerkmale einzusetzen, was bei der Vielzahl an talentierten Tattoo-Künstler*innen nicht immer leicht ist.
Ich habe mitbekommen, dass manche Studios Jugendliche nicht ernst nehmen oder taktlos mit Frauen und queeren Menschen umgehen
Apropos Wiedererkennungsmerkmal: Die meisten Ihrer Figuren haben keine Pupillen. Wie kommt das?
Ich hatte Aktzeichnen im Gymnasium. Schon damals habe ich weitgehend auf Pupillen verzichtet, weil ich Angst hatte, meine Figuren würden schielen. Also habe ich sie weggelassen, einerseits der Einfachheit halber, andererseits ist es ein Wiedererkennungsmerkmal geworden. Außerdem verleiht es meinen Illustrationen, die eigentlich gar nicht so düster sind, ein gewisses Gothic-Element.
Ein weiteres Erkennungsmerkmal ist, dass Sie meistens nur mit Schwarz und Rot arbeiten. Was ist der Grund dafür?
Ich richte mich in erster Linie nach den Klient*innen, sprich ich passe mich ihren Wünschen und Vorstellungen an – auch in Bezug auf die Farbpalette. Ich arbeite vor allem mit Schwarz und Rot, weil Rot meine Lieblingsfarbe ist und ich diese Farbkombination sehr mag. Das kommt wahrscheinlich daher, dass ich in meiner Jugend viel My Chemical Romance gehört habe. Die Band hatte 2004/05 eine Phase, in der alles schwarz und rot war: Sie trugen rotes Augen-Make-up, schwarze Anzüge und rote Krawatten. Das hat mich nachhaltig geprägt.
Warum haben Sie sich für den Instagram-Namen „gude__laune“ entschieden?
Ich habe diesen Profilnamen während Corona gewählt, um meine Illustrationen auf Instagram zu bewerben. Als ich mit dem Tätowieren angefangen habe, habe ich mir überlegt, ob ich den Namen ändern soll, habe mich aber dagegen entschieden. Denn für mich ist es wichtig, dass während des Tätowierprozesses immer eine gute Stimmung herrscht. Ich will eine Situation schaffen, in der sich die Klient*innen wohlfühlen und stets das Gefühl haben, im Fall der Fälle eingreifen zu können. Mein Ziel ist es, dass meine Kundschaft gute Laune beim Betreten und eine noch bessere Laune beim Verlassen des Studios hat.
Sie haben kürzlich das Studio Scuro eingeweiht. Was war Ihre Motivation, Ihr eigenes Studio zu eröffnen?
Es ging alles ziemlich schnell, aber natürlich habe ich mir gründlich Gedanken gemacht, denn sich selbstständig zu machen und etwas in Luxemburg zu eröffnen, überlegt man sich zweimal. Zunächst habe ich mir die Frage gestellt, ob so ein Tattoo-Studio, wie ich es mir vorstelle, überhaupt gebraucht wird. Es gibt nämlich viele Studios im Land. Mir ist aber aufgefallen, dass es nur relativ wenige gibt, die diesen „Ignorant Style“ anbieten. Ein weiterer Punkt war, dass das Studio als Safe Space fungieren sollte. Ich habe mitbekommen, dass manche Studios Jugendliche nicht ernst nehmen oder taktlos mit Frauen und queeren Menschen umgehen. Das Studio, in dem ich vorher gearbeitet habe, hat sich in dieser Hinsicht schon sehr bemüht, aber ich habe mir oft gesagt, dass ich dieses und jenes anders machen würde. Wenn solche Ideen erst einmal aufkeimen, kann man sie nicht mehr aufhalten und dann muss man sich eingestehen: Okay, entweder du machst das jetzt oder du schmollst weiter. Schließlich habe ich den Schritt gewagt, auch mit dem Hintergedanken, dass die Räumlichkeiten Kreativen dienen sollen, wo man miteinander arbeiten und sich gegenseitig unterstützen kann. Deshalb auch die Creator-Ecke, in der abwechselnd unterschiedliche Künstler*innen die Möglichkeit haben, ihre Werke auszustellen.
Sie organisieren auch Veranstaltungen im Studio. Können Sie mehr darüber erzählen?
Die Events dienen dazu, Gleichgesinnte zu treffen. Insbesondere für Neuankömmlinge in Luxemburg ist es schwierig, seinesgleichen kennenzulernen. Mir macht es Spaß, Personen mit gemeinsamen Interessen zusammenzubringen. Wenn ich mit den Klient*innen ins Gespräch komme, entdecke ich immer wieder Gemeinsamkeiten. Es wäre fast zu schade, diese Menschen nicht miteinander in Kontakt zu bringen. Die Veranstaltungen sind vielfältig: Jamsessions, Zeichenkurse, aber auch spezielle Events für Tätowierer*innen. Mein Traum wäre es, dass sich Leute hier im Studio kennenlernen und infolgedessen eine queere Bar in der Stadt eröffnen.
Auf welchen Moment und/oder welches Tattoo in Ihrer Karriere sind Sie besonders stolz?
Einer der schönsten Momente meiner Karriere war, als ich meine 90-jährige Nonna tätowiert habe. Ich bin noch bei keinem Tattoo so ins Schwitzen gekommen, auch wenn es nur ein kleines Blumenmotiv war. Das Tattoo war in drei Minuten gemacht, aber ich hatte noch nie eine Seniorin tätowiert. Es war eine so schöne Geste des Vertrauens, die meine Großmutter mir entgegengebracht hat. Das werde ich nie vergessen.
Die "Kunst" das größte menschliche Organ mit Farbe zu massakrieren um "toll" auszusehen! Als hätte die Haut nicht schon genug mit Sonnenstrahlung und anderen Beeinträchtigungen zu tun. Und wenn mit zunehmendem Alter das Halsspinnennetz oder das Arschgeweih durchhängen sieht das auch lustig aus.