Differdingen und seine Italiener – eine Erfolgsgeschichte der Integration

Differdingen und seine Italiener – eine Erfolgsgeschichte der Integration

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Differdingen ist ein gutes Beispiel für die Integration der italienischen Mitbürger hier in Luxemburg. Erklärungen.

Von unserem Korrespondenten Robert Fleischhauer

Das «Merde alors» unseres Außenministers gegenüber dem rüpelhaften italienischen Innenminister wird wohl in die Geschichte eingehen. Zu Recht! Es stimmt, dass Luxemburg vor mehr als 120 Jahren die italienischen «Wirtschaftsflüchlinge» aufgenommen hat. Es stimmt, dass sich ihre Nachfahren komplett in der Luxemburger Gesellschaft aufgelöst haben. Nur noch ihre Namen erinnern an das Ursprungsland ihrer Vorfahren. Es stimmt aber auch, dass der Anfang sehr schmerzhaft war und sich der Prozess der Eingliederung über mehrere Generationen hingezogen hat. Die Schmelz brauchte dringend Arbeiter und siehe da: Es kamen Menschen.

Nehmen wir als Beispiel die Arbeiterstadt Differdingen. Hier begann die komplette Aufmischung der Bevölkerung Ende des 19. Jahrhunderts durch den Zuzug der Italiener. Sie brachten im Laufe der Jahre junge Menschen in die eher dröge Bevölkerung Differdingens und beeinflussten das gesellschaftliche und kulturelle Leben. Um das Jahr 1910 überstieg der Anteil der ausländischen Bevölkerung der Gemeinde, so wie heute, denjenigen der Luxemburger. Und 59% der Ausländer waren Italiener. Es handelte sich hierbei meist um fest etablierte Einwohner.

Daneben gab es aber auch italienische Saisonarbeiter, von denen ein großer Teil nicht mitgezählt wurde. Es handelte sich meistens um Junggesellen und unqualifizierte Arbeiter. Der größte Teil stammte aus den nördlichen Regionen Italiens, hauptsächlich aus L’Aquila und Macerata. Die jährliche Migration zwischen Heimatort und Arbeitsstelle hatte für das Differdinger Werk den großen Vorteil, dass es die Zahl seiner Arbeiter haargenau der Konjunktur anpassen konnte. Ein italienisches Wohnviertel wie in Düdelingen gab es in Differdingen aber nicht, wenn man einmal von den «Wangert»-Straßen absieht. Die Nachfahren dieser Italiener treffen sich noch heute zum sogenanntern «Wingo».

Niedrigste Aufgaben

Es gab jedoch ebenfalls Wanderarbeiter, welche im Süden Luxemburgs und in Lothringen von einem Stahlwerk zum anderen und von einem Bergwerk zum anderen zogen. Sie wurden von der Straße weg vom Meister oder Obersteiger engagiert. Gefiel die Arbeit ihnen nicht mehr, zogen sie weiter.

Die Italiener waren durchweg unqualifiziert. Sie verrichteten die niedrigsten und schmutzigsten Arbeiten. Ihre Löhne lagen im Durchschnitt bei 20 bis 40% unter den der Deutschen und Luxemburger. Die Italiener arbeiteten in der Differdinger Schmelz in der Möllerei, wo die Minettesteine per Hand umgeladen wurden, um die «Charge» für den Hochofen vorzubereiten. Es wurde in Schichten von 12 Stunden geschaufelt. Sonntags beim «laangen Tour» waren es sogar 24 Stunden. Wenn die Zeiten schlecht waren, gab es unbezahlte Feierschichten in der Woche. Ordnungsstrafen, also Lohnabzüge, waren an der Tagesordnung. Das Fass zum Überlaufen brachte jedoch die Einführung der «Alters- und Invalidenversicherung». Den Beitrag von 70 Pfennig sahen die Italiener ganz einfach als Lohnkürzung. Die Folge war ein «wilder» Streik im Jahre 1912, bei welchem es sogar vier Tote gab.

Fremdenfeindlich

Solidarität war damals ein Fremdwort. Die deutsche Direktion des Stahlwerks sprach von «italienischem Gesindel». P. Christnach, «berittener Zollaufseher» im Ruhestand, schrieb im Hinblick auf die Ereignisse von 1912 in Differdingen von einem «Pöbelhaufen», «Abschaum aller Länder», «Menschen, die vor Mord und Raub nicht zurückschreckten» … Nur der Differdinger Schuster und Gewerkschaftler Georges Droessaert stellte sich damals resolut hinter die Italiener und deren Forderungen.

Die Wohnverhältnisse der Einwanderer waren katastrophal. Hier ein Auszug aus einem Leserbrief im Luxemburger Wort von 1907: «Das Sparsystem, das die genügsamen Italiener hier einschlagen, ist in hygienischer Sicht gewiss kein empfehlenswertes, aber es lässt sie weit billiger leben als unsere Landsleute. Eine ganze Anzahl Arbeiter mietet zusammen ein Quartier und oft liegen acht bis zehn Mann in einem Raum zusammen. Derselbe dient zugleich als Stube, Küche und Schlafzimmer.» Tatsächlich lebten gemäß Jean Reitz bis zu 22 Italiener in einem Haus. Bei so vielen Junggesellen, die auf engstem Raum miteinander ausharren mussten, war es nicht verwunderlich, dass Alkohol und Messerstechereien an der Tagesordnung waren. Die Zeitungen berichteten genüsslich darüber. Auf diese Weise kämen die Einwanderer aus dem Süden Europas aber mit wenig Geld aus und könnten monatlich große Summen nach Italien schicken.

Außerdem sei es normal gewesen, dass den Italienern die schwersten Arbeiten zum geringsten Lohn zugeschoben würden, hieß es. Den italienischen Einwanderern und ihren unhygienischen Wohnverhältnissen schob man dann auch die Schuld an der Typhusepidemie von 1900 zu. Während der Krise von 1900 bis 1903 entließ man zuerst die unqualifizierten Italiener. Es blieb ihnen oft nichts anderes übrig, als bettelnd durch die Gegend zu ziehen, was wenig zu ihrer Beliebtheit beitrug.

Es ging bergauf

Es wurden dann aber viele italienische Cafés eröffnet, welche die Mehrheit der italienischen Arbeiter beherbergten. Überall wurden zudem italienische Vereine gegründet, die die italienische Kultur pflegten. Ein Beispiel ist die italienische Musikgesellschaft «Guiseppe Verdi», die Konzerte von klassischen italienischen Komponisten anbot. In Niederkorn entstand im Jahre 1900 indes eine italienische Unterstützungsorganisation «Regina Elena, Operaia italiena di mutuo soccorso». Sie kümmerte sich um die notleidenden Italiener der Gemeinde.

Nach und nach verbesserten sich die Wohn- und Lebensumstände jedoch. Die Familien der Arbeiter zogen ebenfalls nach Luxemburg. Es wurden italienische Sprachkurse für die Einwanderer organisiert. Die Integration der italienischen Kinder in unser Schulsystem wurde noch bis in die 80er Jahre durch einen speziellen Deutschunterricht gefördert. Dieser wurde von der italienischen Botschaft finanziert. Anfangs blieben die italienischen Einwohner unter sich und heirateten dementsprechend auch unter sich. Doch auch das änderte sich im Laufe der Jahre. Italienische Namen findet man heute bis in die höchsten Kreise der Stadt und des Landes. Niemand konnte sich in den Anfangstagen vorstellen, dass einmal ein Parlamentspräsident oder ein Differdinger Bürgermeister einen italienischem Namen tragen würde.

Vollständig integriert

Die Nachkommen der damaligen italienischen Einwanderer sind heute vollständig in unsere Gesellschaft eingegliedert. Witze über die damaligen «Bieren» oder «Bodjaren» werden heute höchstens noch von den italienischen Abkömmlingen selber gerissen. Differdingen ging im Jahre 1981 eine Städtepartnerschaft mit der Ortschaft Fiuminata (Provinz Macerata) ein, weil die meisten Einwanderer von dort stammten. Wer dahin fährt, kann sogar mit vielen Einwohnern luxemburgisch sprechen, da viele frühere Schmelzarbeiter nach ihrer Arbeitszeit in ihr Heimatdorf zurückgekehrt sind.

Das Dilemma des Einwanderers erklärt auf poetische Weise Jean Portante, Sohn italienischer Einwanderer. In seinem Werk «Mrs Haroy ou la mémoire de la baleine» vergleicht er den Einwanderer mit einem Wal. Dieser ist kein Landtier, aber auch kein Fisch. «N’étant donc chez elles ni dans la mer ni sur terre, les baleines vivaient, selon les dires de notre instituteur, une vie tragique.» Die italienische Einwanderung spielt jedenfalls eine herausragende Rolle in der Geschichte der Stadt.

Eddes
17. Oktober 2018 - 18.00

Die Italiener waren aber Europäer und keine fanatischen Moslems,und die Italiener haben sich schnell angepasst,ihre Kinder sind mit den Luxemburgern in die gleiche Schule gegangen,und bekamen keine extra Wurst gebraten,Herrn Asselborns merde alors war fehl am Platz,sein Beispiel ist nichts wert.