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Forum / Dieser Kalte Krieg ist anders
Gipfeltreffen der Brics-Staaten Brasilien, Russland, Indien, China, und Südafrika Ende August in Johannesburg. Sechs neue Länder sollen dem Bündnis demnächst beitreten. Foto: AFP/Gianluigi Guercia

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Kürzlich hat US-Präsident Joe Biden die Staatschefs seiner Verbündeten Japan und Südkorea nach Camp David eingeladen, um mit ihnen darüber zu diskutieren, wie China eingedämmt und der russische Einfluss abgewehrt werden kann – beispielsweise in der afrikanischen Sahel-Region, in der es kürzlich eine Reihe von Staatsstreichen gab. Außerdem haben sich Politiker der Brics-Länder – Brasilien, Russland, Indien, China, und Südafrika – in Johannesburg getroffen, um die westliche Dominanz über die nach dem Zweiten Weltkrieg eingeführten internationalen Institutionen zu kritisieren. Dies war genug, um den Historikern, die sich mit dem Kalten Krieg beschäftigen, ein Déjà-vu zu geben.

Der Hauptgegner des Westens ist heute nicht mehr die Sowjetunion, sondern China, und die Brics sind nicht der Warschauer Pakt. Aber inzwischen ist die globale Ordnung, die nach dem Kalten Krieg entstanden war, im Niedergang begriffen, und wir stehen vor einer weltweiten Unsicherheit. Dabei gibt so viele Parallelen zur Zeit vor 1989, dass einige Akteure anhand der damaligen Erklärungsmodelle zu verstehen versuchen, was auf uns zukommt. Dies gilt auch für die USA und China, die dabei aber auf unterschiedliche Modelle setzen.

Zwischen dem Ende des Zweiten Weltkriegs und dem Fall der Berliner Mauer war die internationale Ordnung durch zwei große Kräfte definiert: ideologische Konflikte, die die Welt in zwei Lager gespalten haben; und das Streben nach Unabhängigkeit, das zur Gründung immer neuer Staaten führte – von 50 Staaten im Jahr 1945 auf über 150 in den Jahren 1989 bis 1991. Diese beiden Tendenzen haben sich gegenseitig beeinflusst, aber der ideologische Konflikt war dominanter: Die Bemühungen um Unabhängigkeit führten häufig zu Stellvertreterkriegen und die Länder waren gezwungen, sich entweder einem Block anzuschließen oder sich selbst als „blockfrei“ zu bezeichnen.

Die USA scheinen zu glauben, die Dynamik sei diesmal ähnlich. Erstmals seit der Auflösung der Sowjetunion haben sie wieder einen ernsthaften Konkurrenten und so versuchen sie, ihre Verbündeten zu einer Strategie der „Entkoppelung“ und des „Risikoabbaus“ zu drängen – was letztlich einer wirtschaftlichen Version der „Eindämmung“ im Kalten Krieg entspricht.

Trend zu einer fragmentierten Weltordnung

Aber während die USA einen zweiten Kalten Krieg zu erwarten scheinen, der in erster Linie durch ideologische Polarisierung geprägt ist, scheint China auf globale Fragmentierung zu setzen. Ja, das Land hat versucht, nichtwestlichen Ländern eine Alternative zu den westlich dominierten Institutionen – wie den G7 oder dem Internationalen Währungsfonds – zu bieten. Aber laut chinesischer Sichtweise lässt sich die Bemühung um Souveränität und Unabhängigkeit mit der Bildung von Blöcken im Stil des Kalten Krieges grundsätzlich nicht in Einklang bringen.

Stattdessen rechnet China mit einer multipolaren Welt. Einen Kampf gegen den westlichen Block unter der Führung der USA kann es zwar nicht gewinnen, aber Präsident Xi Jinping scheint davon überzeugt zu sein, dass China in einer fragmentierten Weltordnung seinen Platz als Großmacht einnehmen kann.

Obwohl die US-Politiker alles versucht haben, um dies zu verhindern, sind sogar Amerikas engste Verbündete gegen den Trend zur Fragmentierung nicht immun. Nehmen wir den letzten Camp-David-Gipfel: Obwohl die Medien schnell einen „neuen Kalten Krieg“ ausgerufen haben, hatten die Teilnehmer in verschiedener Hinsicht unterschiedliche Interessen.

Von Ostasien bis zur Sahel-Region

Südkoreas Schwerpunkt liegt weiterhin auf Nordkorea. Bei den – nach dem Gipfel angekündigten – Abkommen zum Austausch geheimdienstlicher Informationen und zur nuklearen Abstimmung ging es nicht nur um die Abwehr von China, sondern ebenso um den Widerstand gegen Kim Jong-uns Regime. Japan wiederum will eine strategische Eskalation um Taiwan unbedingt vermeiden – da diese sein Wirtschaftsmodell gefährden würde, das erheblich vom Handel mit China abhängt (wozu auch der Austausch von Halbleitertechnik gehört). Und den Eifer, mit dem Amerika seine Strategie zum „Risikoabbau“ vorantreibt, lehnen sowohl Südkorea als auch Japan ab.

Was in der Sahel-Zone passiert, hat alle Merkmale eines klassischen Stellvertreterpatts aus der Zeit des Kalten Krieges. Nach den Staatsstreichen in Burkina Faso, Guinea und Mali wurden die USA und Frankreich in der Region nur noch von der Regierung in Niger unterstützt. Unter dem verstorbenen Jewgeni Prigoschin hat die russische Söldnerarmee Wagner erheblichen Einfluss über Mali erlangt und praktisch die Kontrolle über die Zentralafrikanische Republik übernommen. Das Letzte, was die USA und Frankreich wollen, ist, dass sich Wagner in der Region ein weiteres Standbein verschafft.

Aber nun, da auch die Regierung in Niger vom Militär gestürzt wurde, gingen die Reaktionen Amerikas und Frankreichs stark auseinander, was den neuen Machthabern des Landes quasi einen Freibrief erteilt hat. Die Militärjunta hat Wagner um Hilfe gebeten, um eine mögliche Intervention abzuwehren, scheint aber gleichzeitig – zumindest vorerst – einverstanden zu sein, dass die USA im Land weiterhin Drohnenbasen betreibt.

Neue Brics-Mitglieder

Die vielleicht größte Überraschung der letzten Wochen war allerdings die Ankündigung der Brics, Anfang nächsten Jahres sechs Staaten – Argentinien, Ägypten, Äthiopien, Iran, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate – als neue, vollwertige Mitglieder aufzunehmen. Und entgegen einiger Kommentare vor dem Gipfel rechnet China nicht damit, dass das Bündnis mit der Aufnahme von Staaten wie Saudi-Arabien und den Emiraten zu einem echtem antiwestlichen Block wird, sondern verfolgt subtilere Ziele.

Der Beitritt zu den Brics erhöht die Handlungsfreiheit der Länder – beispielsweise durch besseren Zugang zu alternativen Finanzierungsquellen, oder dadurch, dass das Bündnis hinsichtlich Handel, Investitionen und Währungsreserven eine echte Alternative zum US-Dollar bieten könnte. Eine Welt, in der die Länder nicht mehr vom Westen abhängen, sondern frei sind, andere Möglichkeiten auszuprobieren, kommt Chinas Interessen viel mehr entgegen, als es ein engeres und loyaleres pro-chinesisches Bündnis jemals leisten könnte.

Was gerade zu entstehen scheint, ist eine Welt, in der die Großmächte nicht mehr genügend wirtschaftlichen, militärischen oder ideologischen Einfluss haben, um den Rest der Welt – insbesondere die immer souveräneren „Mittelmächte“ – dazu zwingen zu können, sich für eine Seite zu entscheiden. Von Südkorea über Niger bis hin zu den neuen Brics-Mitgliedern müssen die Länder nun nicht mehr den Großmächten Treue schwören, sondern können ihre eigenen Ziele und Interessen verfolgen.

Auch wenn es einigen Beobachtern – nicht zuletzt in den USA – anders erscheinen mag, beruht der neue Kalte Krieg nicht mehr auf der alten Logik der Polarisierung, sondern auf einer neuen Logik der Fragmentierung. Und dem Wachstum der Brics nach zu urteilen mangelt es nicht an Ländern, die diese neue Logik verlockend finden.


Aus dem Englischen von Harald Eckhoff.

Copyright: Project Syndicate, 2023

www.project-syndicate.org

Mark Leonard ist Direktor des European Council on Foreign Relations und Verfasser von „The Age of Unpeace: How Connectivity Causes Conflict“ (Bantam Press, 2021)
Mark Leonard ist Direktor des European Council on Foreign Relations und Verfasser von „The Age of Unpeace: How Connectivity Causes Conflict“ (Bantam Press, 2021)
luxmann5656
9. September 2023 - 23.16

Alles was die terrormacht USA schwaecht ist zu begruessen.