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PolizeiDie Unberechenbarkeit fährt mit: Wie Beamte auf Verfolgungsjagden vorbereitet werden

Polizei / Die Unberechenbarkeit fährt mit: Wie Beamte auf Verfolgungsjagden vorbereitet werden
Das Vorgehen bei Verfolgungsjagden ist bei der Polizei durch Dienstvorschriften geregelt Foto: Editpress/Vincent Lescaut

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Wie werden Polizisten auf Verfolgungsjagden vorbereitet? Welche Richtlinien müssen sie in solchen Situationen befolgen? Beim Prozess um den tödlichen Unfall zwischen zwei Polizeifahrzeugen in Lausdorn wurde die diesbezügliche Ausbildung stark kritisiert. Nun reagiert die Polizei. 

In Lausdorn kommt im April 2018 bei einer Verfolgungsjagd ein Polizist ums Leben. Eine Beamtin wird für ihr Leben gezeichnet, ein weiterer Ordnungshüter schwer verletzt. Vor Gericht werden Experten später Kommunikationsprobleme als mögliche Ursache für den schweren Unfall zwischen einem Streifenwagen und einem Polizeitransporter nennen. Mehr noch: Verfolgungsjagden kämen bei der Ausbildung der Beamten viel zu kurz, wie ein Ermittler der „Inspection générale de la Police“ (IGP) vor Gericht bemängelte.

Der Unfall ereignet sich auf einer langen Geraden – zu einem Zeitpunkt, an dem die Insassen des Streifenwagens nach einer Wagenkontrolle wenden wollen. Der Fahrer des Streifenwagens setzt nach links zum Manöver an. Zeitgleich will der Fahrer des Polizeitransporters am Streifenwagen vorbei. Mit dem Wendemanöver habe er einfach nicht rechnen können, wird der betroffene Beamte später vor Gericht aussagen. Dann kommt es zum Aufprall.

Vor Gericht hält sich der Experte der IGP nicht mit Kritik zurück: Es fehle an offiziellen Richtlinien, schriftlich seien Angaben zu Verfolgungsjagden nur in einer Broschüre aus dem Jahr 2008 festgehalten worden. Man habe diese Mängel bereits mehrmals bei der Polizeidirektion angesprochen. Passiert sei jedoch nichts, so der Ermittler. Bis heute fehle es an einer ordentlichen Vorgehensweise.

Eigensicherung im täglichen Polizeidienst

Vorwürfe, auf die sich die Polizeiführung nicht weiter einlassen möchte. „Wir werden uns nicht konkret zum Prozess äußern, also auch nicht zu den Aussagen, die während der Verhandlung gemacht wurden“, erklärt Polizeisprecher Frank Stoltz. Gegen Erklärungen zur Herangehensweise in Sachen Verfolgungsjagden sei jedoch nichts einzuwenden.

Generell wird das Thema in den Dienstvorschriften im Zusammenhang mit Straßensperren erwähnt. Des Weiteren werden Verfolgungsjagden auch im Kapitel „Einsatz- und Verfolgungsfahrten“ der Broschüre „Eigensicherung im täglichen Polizeidienst“ zur Sprache gebracht. „Wie der Name es bereits andeutet, steht hierbei die Eigensicherung im Fokus. Also wie der Beamte sich verhalten muss, um das Risiko auf ein Minimum zu begrenzen“, so der Polizeisprecher.

Aus diesem Grund werde das Kapital schon in der Grundausbildung thematisiert. Dort seien die Dienstvorschriften und die Broschüre zur Eigensicherung im täglichen Polizeidienst ein wichtiger Bestandteil des Programms. Außerdem stünden besagte Dokumente sämtlichen Beamten ständig zur Verfügung.

Was nun den praktischen Teil angeht, muss jeder Einsatzbeamte alle drei Jahre ein Fahrsicherheitstraining in Colmar-Berg absolvieren. „Leider ist es nicht möglich, Verfolgungsjagden auf offener Straße zu trainieren – ganz einfach, weil es nicht erlaubt ist“, meint Stoltz. „Dieses Risiko wäre auch nicht vertretbar, weil die Gefahr für Beamte und andere Verkehrsteilnehmer einfach zu hoch ist.“

Mehrere Entscheidungen auf einmal

Die Unberechenbarkeit im Straßenverkehr ist denn auch ein Grund, weshalb es sich nur um Richtlinien handelt. „Präzisere Direktiven zu Verfolgungsjagden können wir keine erstellen, weil es nicht möglich ist, sämtliche potenzielle Situationen zu erfassen. Gerade weil die Beamten oft situationsbedingt handeln müssen und viele Faktoren in ihre Entscheidung mit einfließen lassen“, erklärt der Sprecher.

Faktoren, wie das ursprüngliche Vergehen, die Umgebung, das Verkehrsaufkommen, die Straßenverhältnisse, die Wetterbedingungen, die Tageszeit, das Verhalten des Verdächtigen oder die globale Gefahrenlage. „Aus all diesen möglichen Einflüssen präzise Direktiven zu erstellen, aus denen die Beamten dann ableiten können, wie sie sich in ganz bestimmten Lagen zu verhalten haben, ist quasi unmöglich“, gibt Stoltz zu bedenken. „Dazu kommt, dass jeder Beamte während einer Verfolgungsfahrt in Windeseile mehrere Entscheidungen auf einmal treffen muss.“

Welche Richtlinien die Ordnungshüter bei Verfolgungsjagden nun konkret befolgen müssen, will die Polizei „aus Sicherheitsgründen“ nicht verraten. Beispiele könne man aber nennen: So sei es etwa die Aufgabe des Beifahrers, Blaulicht und Sirene zu bedienen und regelmäßige Updates per Funk durchzugeben. Der Fahrer müsse ständig mit falschen oder unlogischen Entscheidungen anderer Verkehrsteilnehmer rechnen und sollte riskante Manöver weitgehend vermeiden. „In erster Linie aber sollten die Beamten im Vorfeld abwiegen, ob eine Verfolgung mit Blaulicht und Sirene das Risiko überhaupt wert ist“, so Stoltz.

Bei ihren Entscheidungen müssen die Fahrer viele Faktoren mit einbeziehen, wie etwa die Verkehrslage, die Örtlichkeiten oder die Straßenverhältnisse
Bei ihren Entscheidungen müssen die Fahrer viele Faktoren mit einbeziehen, wie etwa die Verkehrslage, die Örtlichkeiten oder die Straßenverhältnisse Foto: Editpress/Vincent Lescaut

Aus für Zehn-Kilometer-Grenze

Die Zehn-Kilometer-Grenze bei grenzüberschreitenden Verfolgungsjagden nach Frankreich ist ab sofort Geschichte. Der Luxemburger Polizeiminister hat ein entsprechendes Memorandum mit dem französischen Innenminister Gérald Darmanin am letzten Montag unterzeichnet. Damit können Luxemburger Beamte die flüchtigen Verdächtigen künftig bei besonders schweren Verbrechen weit über die Grenze hinaus ins Nachbarland verfolgen.

Das Gleiche gilt natürlich auch für die französischen Ordnungshüter, die nach Luxemburg müssen. Bislang war nach zehn Kilometern Endstation. Es sei dies eine Maßnahme, um noch wirksamer gegen die grenzüberschreitende Kriminalität vorzugehen, heißt es in einer Mitteilung des Polizeiministeriums. Natürlich müssen die verfolgenden Ordnungshüter weiterhin die Behörden im Nachbarland in Kenntnis setzen und bei möglichen Festnahmen auf die Unterstützung der französischen Amtskollegen zurückgreifen. 

14 bestimmte Verbrechen wurden festgehalten, bei denen die Polizisten grenzüberschreitende Verfolgungen aufnehmen dürfen. Dazu gehören Mord, Totschlag, Brandstiftung, schwerer Diebstahl, Drogenschmuggel, Geiselnahme und Vergewaltigung. Diese Liste wird künftig beibehalten.

Mit Deutschland wurde indessen eine neue Abmachung getroffen: Verfolgungsjagden können bei sämtlichen Vergehen und Verbrechen aufgenommen werden, die zu einer Abschiebung führen könnten. In Deutschland und in Belgien haben Luxemburger Beamte auch das Recht, in bestimmten Fällen flüchtige Verdächtige zu verhaften. Die 10-Kilometer-Grenze ist in beiden Ländern ebenfalls Geschichte. 

Fantine
20. Juli 2022 - 12.25

@Romain "Wenn man etwas Unehrliches gemacht hat oder von der Polizei verfolgt wird, soll man halten-stehenbleiben. " LOL. Warum 'sollen' sie nicht einfach nichts Unehrliches tun? Dann können wir diese Ausbildungen und die ganze Polizei vergessen.

Filet de Boeuf
20. Juli 2022 - 10.10

Kox: viel Polizei, wenig Wohnung. Dabei bin ich mir sicher: Mehr Wohnung führt zu weniger Polizei.

jo
19. Juli 2022 - 13.47

Die jungen Polizisten inspirieren sich zu sehr im Fernsehen. Ein solides Fahrtraining wäre angebracht, nicht nur ein B - Führerschein.

Romain
19. Juli 2022 - 11.10

Eine Täterverfolgung ist jedes mal anders. Es gibt kein festgelegtes Handbuch. Wenn man etwas Unehrliches gemacht hat oder von der Polizei verfolgt wird, soll man halten-stehenbleiben. Die Polizei ist nun mal im Recht eine Person anzuhalten