Am 1. Oktober 1931 wurde die NS-Frauenschaft gegründet. 1934 übernahm Gertrud Scholtz-Klink die Leitung der NSF, welche ein Jahr später zu einer Gliederung der NSDAP wurde. Die NSF wurde als Eliteorganisation konzipiert. Zur Wahrung dieses Elitecharakters konnten ab 1936 nur noch Frauen ab 21 Jahren, die sich über einen Zeitraum von eineinhalb Jahren in anderen NS-Organisationen bewährten, der NSF beitreten. Der NSF unterstand das 1933 gegründete DFW. Beide NS-Frauenorganisationen waren wie die NSDAP in Gaue, Kreise, Ortsgruppen, Zellen und Blöcke gegliedert und wurden von den jeweiligen Frauenschaftsleiterinnen in Personalunion geführt.
Aufbau und Entwicklung
In Luxemburg wurden NSF und DFW von der Gaufrauenschaftsleiterin des Gaues Koblenz-Trier (später Moselland) Else Schrimpf geleitet. Unterhalb der Gauebene stellten vier Kreise sowie deren jeweilige Ortsgruppen das organisatorische Gerüst in Luxemburg dar. Innerhalb der Ortsgruppen gab es in der Regel auch Zellen- und Blockfrauenschaftsleiterinnen. Erste Ortsgruppengründungen des DFW sind ab Ende 1940 nachweisbar. Die bestehenden Frauenorganisationen in Luxemburg wurden ins DFW überführt oder aufgelöst. Hierzu zählte z. B. die Action féminine, eine Organisation, die sich für die Interessen und Rechte der Frauen einsetzte.
Ab Juni 1941 änderten sich die Rekrutierungsmechanismen schlagartig, da eine erste Zwischenbilanz der Mitgliedschaftsentwicklung Gauleiter Gustav Simon vermutlich nicht zufrieden gestellt hatte. Fortan wurden alle weiblichen Mitglieder der Volksdeutschen Bewegung (VdB) automatisch auch Mitglieder des DFW und umgekehrt. Was die NSF betraf, so wurden die ersten Luxemburgerinnen, aufgrund der anderthalbjährigen Bewährungsfrist, erst in den Sommermonaten 1942 offiziell aufgenommen.
Verlässliche Zahlenangaben zur Mitgliederstärke der NSF und des DFW auf nationaler Ebene gibt es kaum. Aus den Monatsberichten geht hervor, dass der gesamte Kreis Diekirch im September 1941 mehr als 2.200 DFW-Mitglieder umfasste. Dies lässt den Rückschluss zu, dass die im Jahr 1941 für das gesamte Großherzogtum in der gleichgeschalteten Presse angeführten Zahlen für das DFW, welche sich zwischen 10.000 und 14.000 bewegten, nicht komplett realitätsfern sind. 1943 wird in der Presse hingegen von ca. 20.000 NSF-Mitgliedern berichtet. Diese Zahl ist anzuzweifeln und kann wohl ohne Einberechnung der DFW-Mitglieder nicht stimmen.
Aktivitäten und Funktionen
Der Aufbau der Abteilung Mütterdienst stellte im besetzten Luxemburg eine Priorität dar, weil die Mehrheit der luxemburgischen Bevölkerung von der NS-Elite als „volksdeutsch“ und somit als „ethnisch wertvoll“ angesehen wurde. Diese Abteilung organisierte sogenannte Mütterschulungskurse und nahm eine zentrale Rolle in der nationalsozialistischen Bevölkerungspolitik ein. Hierdurch sollte dem Gefahrenmoment einer abnehmenden Geburtenrate sowie einer hohen Säuglingssterblichkeit entgegengewirkt werden. Gleichzeitig gehörte die Vermittlung der rassistischen Sichtweise der NS-Ideologie zu den Zielen der Mütterschulung. Derartige bevölkerungspolitische Maßnahmen sollten die Frauen dazu animieren, möglichst viele in den Augen der Nationalsozialisten „rassenreine“ Kinder zur Welt zu bringen. Im Idealfall sollten über die Mütterschulungskurse auch Frauen, die keine überzeugten Nationalsozialistinnen waren oder dem nationalsozialistischen Staat sogar tendenziell ablehnend gegenüberstanden, als Anhängerinnen gewonnen werden.
Eine wichtige Funktion kam ebenfalls der Abteilung Hauswirtschaft-Volkswirtschaft zu. Kernaufgabe dieser Abteilung war es, die Frauen so zu schulen, dass sie in der Lage waren, einen Mangel an Konsum- und Ernährungsgütern aufzufangen. Hierbei sollte nicht unterschätzt werden, dass das Realisieren oder Nichtrealisieren dieser Aufgabe einen erheblichen Einfluss auf die allgemeine Stimmung innerhalb der Bevölkerung haben konnte.
Zudem betreuten Mitglieder der NSF und des DFW die verletzten Soldaten in den Lazaretten. Neben der Beteiligung an Sammelaktionen wurden über diese Organisationen darüber hinaus Frauen für die Arbeit in den von der NSF betriebenen Nähstuben mobilisiert. Hierdurch sollte z. B. im kalten Winter entsprechende Kleidung für die Soldaten an der Ostfront angefertigt werden.
Insgesamt waren NSF und DFW für die Mobilisierung und ideologische Indoktrinierung der weiblichen Bevölkerung zuständig. Die beiden NS-Frauenorganisationen wurden demnach in die Nazifizierungs- und Germanisierungspolitik im besetzten Luxemburg eingebunden. Diese Einbindung in die Eindeutschungspolitik wird etwa an einem Vortrag deutlich, welcher 1941 im Rahmen einer Veranstaltung des DFW in Esch/Alzette stattfand. Dessen Titel lautete: „Deutsche Kinder, deutsche Namen“. Hierdurch sollten die luxemburgischen Mütter hinsichtlich der Namenswahl für ihre Kinder vom Rückgriff auf „rein deutsche Namen“ überzeugt werden. Ferner wurden die Ortsfrauenschaftsleiterinnen beispielsweise bei Schulungen in die sogenannte „NS-Sippenkunde“ eingeführt. Hierbei sollte ihnen die deutsche Abstammung der Luxemburger und Luxemburgerinnen veranschaulicht werden. Eine Ansicht, welche sie fortan als Multiplikatorinnen in ihren Ortsgruppen verbreiten sollten.
Die Beweggründe für einen Eintritt in die NS-Frauenorganisationen waren vielfältig und konnten u. a. zwischen ideologischer Überzeugung, Opportunismus, Druck und Zwang variieren. Auch das Familienumfeld spielte eine wichtige Rolle in den jeweiligen Entscheidungsprozessen. In der luxemburgischen Erinnerung herrschte lange das Klischee vor, dass es vor allem deutschstämmige Frauen waren, die ihre luxemburgischen Männer zum Nationalsozialismus „bekehrt“ hätten. Biografische Beispiele von Luxemburgerinnen, die sich als überzeugte Nationalsozialistinnen in der NSF engagierten, verdeutlichen jedoch die komplexere Wirklichkeit des Themas der Kollaboration.
Zum Artikel
Dieser Artikel ist eine Kurzfassung eines Beitrages im Sammelband „Im Griff des Nationalsozialismus. Fallstudien zu NS-Organisationen in Luxemburg und der Ortschaft Schifflingen“. Das Buchprojekt ist eine Zusammenarbeit der Schifflinger Gemeinde mit dem „Musée national de la Résistance et des droits humains“, mit Beiträgen der Historiker*innen Yann Duarte, André Marques, Steve Devé, Jérôme Courtoy und Elisabeth Hoffmann. Das Buch ist für 10 Euro im Rathaus der Gemeinde Schifflingen am Empfang erhältlich. Der Erlös geht an die „Schëffleng Hëlleft asbl“.
Zur komplexen Wirklichkeit des Themas "Kollaboration in Luxemburg" gehört vor allem die seit 1933 vom päpstlichen "Luxemburger Wort" geforderte Verpflichtung aller Katholiken zur mentalen Befürwortung und, wenn territorial möglich, zur aktiven Mitarbeit an der rassischen Werteunion des neuen Reiches.
In der Zeitung "Frankfurter Allgemeine Zeitung" fand ich heute im Artikel "Rassismus ohne Rassen" von Frau Susanne KUSICKE diese Beschreibung der ab 1933 vom "Luxemburger Wort" geforderten "Werte": "Unter Rassismus verstehen sie (die früher sozialisierten Menschen, also die älteren, R.H.) eine Zuschreibung oder Herabwürdigung, wie sie die Kolonialherren seit der Eroberung Amerikas und später die Nationalsozialisten mit grauenvollen Folgen trafen: äußere und charakterliche Merkmale wahnhaft einer vermeintlichen 'Rasse' zuzuschreiben, angebliche genetische Über- und Unterlegenheiten 'wissenschaftlich' zu beweisen und daraus das Recht abzuleiten, mit diesen 'Unterlegenen' und ihrem Besitz zu verfahren, wie es den 'Herren' beliebt."
Ein Teil der Konsequenzen dieser vom päpstlichen "Luxemburger Wort" seit 1933 von meinen katholischen luxemburgischen Eltern geforderten rassischen Kollaborationspflicht werden in diesem Artikel beschrieben:
https://www.merkur.de/lokales/freising/freising-ort28692/vortrag-ueber-die-ns-krankenmorde-das-dunkelste-kapitel-freisings-92056003.html (30.01.2023)
Weitere Informationen zur 'Reichsfrauenführerin' Gertrud SCHOLTZ-KLINK gibt es in diesem Artikel:
https://www.emma.de/artikel/nicht-vergessen-bald-ist-muttertag-265594 (01.05.1997)
MfG
Robert Hottua