Am Mittwoch stellte Wagener, die einst für die Grünen im Parlament saß und auch als Journalistin arbeitete, ihr Buch in der hauptstädtischen Villa Pauly, dem ehemaligen Hauptquartier der Gestapo, vor. Der Ort war passend gewählt. In ihrem Buch zeichnet die Historikerin die Haltung von Staat, Mehrheitsgesellschaft und jüdischer Minderheit nach, vom Zeitalter der Industrialisierung im 19. Jahrhundert über die beiden Weltkriege und die Nachkriegszeit bis in die Gegenwart. So werden die Auseinandersetzungen mit dem Themenkomplex Shoah wie auch die relativ rezenten Diskussionen zur Wiedergutmachung beleuchtet. „Wagener nimmt Äußerungen eines katholisch geprägten Antisemitismus unter die Lupe, aber auch antisemitische Tendenzen bei Liberalen und Linken. Eingebettet in den internationalen Forschungskontext, liegt damit sowohl eine Geschichte der jüdischen Minderheit im Großherzogtum vor als auch eine umfassende historische Analyse zum Antisemitismus in Luxemburg“, heißt es einleitend zum Buch.
Zeitzeugen erinnern sich
Die Historikerin zeigt unter anderem, wie die Dreyfus-Affäre das Leben der jüdischen Minderheit veränderte und wie Antisemitismus in Europa und Luxemburg schleichend salonfähig wurde. Im Gegensatz dazu sank die Bereitschaft in der Bevölkerung, der jüdischen Minderheit zu helfen, wie es die Historikerin an Hand von Zahlen aufzeichnet. Am 10. Mai 1940, dem Tag der Besatzung Luxemburgs durch Nazideutschland, hielten sich immerhin noch 3.907 Personen jüdischen Glaubens in Luxemburg auf. 1.005 von ihnen hatten die luxemburgische Nationalität. Sie wurden jedoch aufgrund der von den Nazis festgelegten Kriterien der jüdischen Rasse zugeordnet. Im Jahr 1947, zwei Jahre nach der bedingungslosen Kapitulation der Nazis, waren es nur noch 870 Überlebende. Auch die dokumentierten Fälle, in denen Luxemburger ihre jüdischen Mitbürger vor den Nazis versteckt hielten, fallen laut Renée Wagener ziemlich überschaubar aus. So sind laut ihrer Aussage bislang nur sechs solcher Fälle dokumentiert.
Das Buch, das in Zusammenarbeit mit dem „Comité Auschwitz“ veröffentlicht wurde, streckt sich über 720 Seiten. Neben historischen Quellen und alten Zeitungsartikeln, die ausgewertet wurden, hat die Historikerin sich auch mit Zeitzeugen unterhalten. Das Buch ist beim deutschen Metropol-Verlag erschienen und kostet in der gedruckten Ausgabe 36 Euro. (AH)
Guten Tag Frau Wagener,
erklärt sich die äußerst geringe Zahl von Hilfestellungen von luxemburger BürgerInnen gegenüber jüdischen MitbürgerInnen nicht aus den eindeutigen Aussagen zur Kollaboration im päpstlichen "Luxemburger Wort" seit 1933? Die Nazis haben seit 1933 mit Hilfe des Papstes nicht nur einen jüdischen, sondern auch einen medizinisch-eugenischen Holocaust gepredigt und salonfähig gemacht.
▪ La collaboration
Regarder en face tous les aspects de la collaboration
(…) La Shoah, en amont, c'est ca: l'isolement, l'exclusion, puis la déportation d'une partie de la population, déclarée inférieure. Cet isolement, cette exclusion, puis la déportation, s'accompagnent d'un vaste effort administratif qui répertorie, organise, coordonne, contrôle (…).
• Exécutions de malades mentaux
La politique raciale nazie a le souci de préserver la pureté de la race arienne. La législation du Reich, qui sera appliquée au Luxembourg, signifie aussi stérilisations forcées, exécutions de malades mentaux et de personnes handicapées mentales. Qui étaient-ils? Combien étaient-ils? Des listes doivent exister. A partir de la prise en main de l'administration par le Gauleiter, celle-ci travaille pour le régime nazi. Certains ont refusé de le faire, instituteurs, professeurs, juges, avocats, médecins, infirmières, pharmaciens, employés (…). L'histoire, en posant des questions, réunit des informations sur notre passé, sur la société dans laquelle nous vivons. Ces informations permettent à chacun de se situer, par rapport à ce qui a été, par rapport à ce qui est, par rapport à soi-même. Au Luxembourg, de larges pans de notre passé récent restent dans l'obscurité. Il est temps de crever l'abscès. De regarder en face tous les aspects de la collaboration et des règlements de compte qui l'ont suivie. L'air que nous respirons n'en deviendra que plus sain. En 2013, le courage, l'honnêteté et la qualité de ce travail sont de notre responsabilité.
(Georges BÜCHLER, Tageblatt, 01.03.2013)
▪ Die Änderung der alten Denkweisen
"Die grössere Herausforderung liegt darin, alte Denkweisen und Verhaltensmuster zu ändern."
(Prof. Dr. med. Wulf Rössler, Letzebuerger Land, 27.02.2009)
MfG
Robert Hottua