Rund zwei Wochen nach Beendigung der Weinlese hat das Tageblatt detaillierte Informationen über Gewinner und Verlierer des hektischen Herbstes eingeholt. Unser erstes Interesse galt der vorläufigen Bilanz der Privatwinzer. Aus berufenem Mund erfuhren wir von Biowinzer Guy Krier aus Ellingen-Gare, in Personalunion auch neuer Präsident der „Organisation professionnelle des vignerons indépendants“ (OPVI), dass als Fazit der Lese die Adjektive „schwierig“ und „anspruchsvoll“ angeführt werden können.
„Wegen der ergiebigen Regenfälle Ende Juli bis Mitte August haben sich die Trauben sehr gut und schnell entwickelt“, erklärt der Winzer. Die hohen Temperaturen hätten dann jedoch auch das Fäulnisrisiko erhöht, besonders die Rebsorten mit sehr kompakten Trauben – Pinot gris und Pinot noir – zeigten relativ früh, ab der zweiten Septemberwoche, Fäulnisnester. „Die Kirschessigfliege, eine asiatische Variante unserer heimischen Fruchtfliege, hatte optimale Vermehrungsbedingungen und vor allem die rot gefärbten Sorten befallen“, berichtet Guy Krier weiter. „Die hohen Temperaturen und die feuchten Böden haben für optimale Bedingungen bei der Fäulnisentwicklung gesorgt. Daher galt es schnell und selektiv vorzugehen; die Handlese war die effizienteste Methode, um saubere und wertige Weine herstellen zu können. Der größte Teil der Pinot-noir-Trauben wurde zu Rosé oder Crémant-Grundweinen verarbeitet. Rotweine aus 2023 werden wohl eher die Ausnahme bleiben.“
Im weiteren Gespräch erfahren wir, dass sich aufgrund der Tatsache, dass es aber während der Ernte relativ trocken blieb, sich die weniger kompakten Sorten mit dickeren Beerenhäuten und die später reifenden Sorten wie der Pinot blanc und der Riesling noch sehr gut entwickeln konnten. Eine typisch Luxemburger Sorte, der Auxerrois, hat auch 2023 wieder bewiesen, dass sie zu den autochthonen Sorten unserer Region gehört und auch unter schwierigen Bedingungen tolle Qualität bringt.
Unterschiedliche Ernteresultate
Es gab je nach Bodenbeschaffenheit sehr unterschiedliche Ergebnisse. Die Weinberge, die schnell unter Trockenheit leiden, haben die besten Resultate erbracht, wogegen die tiefgründigen Böden das Fäulnisproblem eher gefördert haben. Es wird in der Breite aber ohne Frage möglich sein, qualitativ hochwertige Weine zu produzieren, leider mit dem Makel, dass durch die Fäulnis die Erntemenge massiv reduziert wurde.
Der Präsident bezeichnet 2023 als neidischen Jahrgang, der dem Winzer alles abverlangt hat. Von Mai bis August waren akkurate Laubarbeit, gezielter Pflanzenschutz, kaum Bodenbearbeitung und moderate Düngung die Lösungsansätze für ein erfolgreiches Jahr. Abschließend war der Riesling offensichtlich der absolute Gewinner, mit sehr hohen Mostgewichten, ausgewogener Säure mit wunderbarer Aromatik, welche die Qualitäten der letzten fünf Jahre wohl deutlich übertreffen werden.
Zu seiner persönlichen Bilanz bemerkt Guy Krier abschließend: „Als Bio-Winzer blicke ich sehr zufrieden auf mein Ergebnis. Die Bewirtschaftungsmethoden des biologischen Weinbaus haben gezeigt, dass sie auch in schwierigen Jahren funktionieren. Als Beispiel erwähne ich hier die Anwendung von Natriumbikarbonat (auch als Backpulver bekannt, Anm. d. Red.). Dieses Salz hilft uns bei der Bekämpfung des echten Mehltaus, härtet aber auch die Beerenhäute ab und verringert somit das Fäulnisrisiko. Wir haben über das gesamte Sortenspektrum gute bis sehr gute Resultate im Keller.“
Optimales Jahr für PIWIs
Ins nahezu gleiche Horn stößt André Mehlen, Generaldirektor der Genossenschaftskellerei Vinsmoselle. Die Mitgliedswinzer beklagen im Schnitt rund 30 bis 35 Prozent Ernteeinbußen, insbesondere bei den Pinot-Rebsorten. Riesling, Auxerrois und Chardonnay gehen auch hier als „Gewinner“ hervor. Bestätigung hierzu erfahren wir auch von Corinne Kox, Betriebsleiterin beim Domaine Laurent & Rita Kox in Remich. Hier hat ein Hagelschauer Mitte September noch zusätzlich für Schäden gesorgt. Ideales Lesegut konnte aber zur Crémant-Produktion eingebracht werden: Alles in allem ein klassisches Moseljahr, so ihr Fazit.
Das Tageblatt hat auch beim Weinbauinstitut IVV in Remich nachgefragt. Christopher Simon zeigte sich geradezu begeistert von den sogenannten PIWIs, den pilzwiderstandsfähigen Rebsorten. Durch ihre Pilztoleranz konnten sich diese gut gegen den sommerlichen Druck der Mehltau-Krankheiten behaupten. Da die PIWIs auch in der Regel lockerbeerig gezüchtet werden, konnte auch gegenüber Fäulnis und Sekundärpilzen sehr positives Material gelesen werden.
Gehört den PIWIs im Weinanbau die Zukunft, möchten wir noch gerne wissen. „Die PIWI-Bonituren unseres Hauses sind durchweg positiv zu bewerten, was auch einen kleinen Ausblick in die Zukunft ermöglicht. Dort sehen wir die PIWI-Reben immer zunehmender in der Anpflanzung. Die Qualitäten werden auch in Zukunft leichter positiv gehalten werden können durch PIWIs, da diese einfach deutlich abgehärteter und widerstandsfähiger gegenüber Wetterkapriolen und Pilzkrankheiten sind. Leider sind die Weine im Geschmacksbild noch nicht ganz so stark wie die klassischen Sorten, aber im Verschnitt oder Cuvée können beide Charaktere ihre Stärken zeigen“, weiß der Fachmann.
Eiszeit für Eiswein?
Beliebt als Aperitif- oder Dessertwein und bei Weinkennern nach wie vor gefragt ist der Eiswein. Hängt hier entlang der Mosel noch etwas am Stock? Die Antwort lautet: Nein. Dies von allen Seiten und begründet sich in erster Linie im Klimawandel, da für die Eisweinlese eine Temperatur von -7° C herrschen muss. Bei der Genossenschaftskellerei legt man den Fokus eher auf die Produktion von Strohwein. Die goldgelbe Köstlichkeit lässt sich wesentlich wetterunanhängiger produzieren, da die Beeren über einen längeren Zeitraum getrocknet werden.
Abschließend hat das Tageblatt bei der Winzerschaft noch einmal in eine offene Wunde gestoßen. Thema: Behördenwillkür bei unsäglichen Kontrollen und Hindernissen bei der Einstellung bzw. Rekrutierung von ausländischen Erntehelfern. In den vergangenen drei Jahren sind die Mitarbeiter des „Inspection du travail et des mines“ (ITM) unzählige Male während der Lese in den Weinbergen vorstellig geworden und haben Passkontrollen durchgeführt und Arbeitserlaubnis sowie ärztliche Bescheinigung der Erntehelfer gecheckt, dies sehr zum Unmut der Winzer. Überhaupt gestaltet sich die Suche nach geeigneten und vor allen Dingen arbeitswilligen Helfern als äußerst schwierig, heißt es von den meisten Winzern. Hier ist man zunehmend auf Arbeiter aus Drittländern angewiesen, was bürokratische Hürden birgt. Vor der Lese gab es eine „Table ronde“ mit Ministerium, ITM und Winzerschaft, bei der erklärt wurde, dass für die Landwirtschaft keine „Extrawürste“ ausgearbeitet werden könnten. Umso erstaunter war man dann allerdings, dass es offensichtlich für die Schausteller der Schobermesse eine Sonderregelung gab.
Warten wir also erwartungsfreudig auf das, was die Weinmacher in die Flaschen zaubern werden und überbrücken die dunklen Monate mit dem, was noch in unseren Weinregalen schlummert.
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