KaufkraftDie Geschichte des Index: So funktioniert die Anpassung an die Inflation

Kaufkraft / Die Geschichte des Index: So funktioniert die Anpassung an die Inflation
Er ist eine Freude für alle Beschäftigten in Luxemburg: der Index Foto: Bloomberg/Simon Dawson

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Die lang erwartete Indextranche ist da: Ab dem 1. Januar 2020 steigen die Gehälter aller Angestellten in Luxemburg um 2,5 Prozent. Das hat Statec diese Woche mitgeteilt. Die Löhne werden an die Preissteigerungen der vergangenen Monate angepasst. Im Jahr 2020 feiert der Index seinen 99. Geburtstag.

Doch auch wenn das Gehalt steigt, so handelt es sich nicht um eine Lohnerhöhung. Die Steigerung ist nur ein Ersatz für den Kaufkraftverlust (durch die Inflation), den der Bezieher des Gehalts in der letzten Zeit erlebt hat. Erst wenn die Preise um 2,5 Prozent gestiegen sind, zieht das System nach und die Gehälter werden automatisch angepasst. Falls die Inflationsrate hoch ist, können mehrere Tranchen innerhalb eines Jahres anfallen. Bei niedriger Inflation, wie derzeit, können mehrere Jahre zwischen den einzelnen Indextranchen liegen.

Das System der automatischen Anpassungen der Gehälter an einen Warenindex geht zurück auf die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg. Damals war die Not der Menschen groß. Die Wirtschaft lag am Boden, die Preise stiegen schnell. Wer ein Gehalt bezog, konnte sich jeden Monat weniger dafür leisten.

Um die Kaufkraft der Mitarbeiter zu wahren, wurde dann 1921 erstmals der „Index“ in einen Kollektivvertrag beim Staat eingeführt. Seit jenem Jahr werden Gehälter und Pensionen von Bahnbediensteten und Beamten automatisch an die Preisentwicklung angepasst. 1927 folgte das Personal der Gemeinden. Rund zehn Jahre später fand der Index auch seinen Weg in die Kollektivverträge im Stahlsektor.

Untersucht wurde damals die Preisentwicklung von 19 Produkten, ein Warenkorb wie ihn ein durchschnittlicher fünfköpfiger Haushalt verbrauchen würde. Rund 70 Prozent der Ausgaben waren für Lebensmittel vorgesehen.

Seit 1975 allgemein gültig

Nach dem Zweiten Weltkrieg im Jahr 1948 wurde der Warenkorb auf 36 Güter ausgeweitet. Dieser sollte nun den Konsumgewohnheiten einer Familie mit vier erwachsenen Mitgliedern entsprechen.

In den folgenden Jahrzehnten wurde das System weiter ausgebaut und auf mehr Bevölkerungsgruppen ausgedehnt. Zu den Beamten kamen 1951 die anderen Mitarbeiter sowie die Arbeiter des Staates hinzu. Im selben Jahr wurde auch der Mindestlohn an die Preisentwicklung angepasst. Seit 1965 ist die automatische Anpassung der Gehälter an die Preisentwicklung in jedem Kollektivvertrag Pflicht. Ab 1972 finden die Anpassungen bei einer Veränderung von 2,5 Prozent statt. Per Gesetz ist der Index seit Mai 1975 allgemein gültig.

Auch der Warenkorb hat sich im Laufe der Jahrzehnte stark verändert. Seit 1967 basiert der Index auf einem ausgefeilten Korb von 173 Produkten und Dienstleistungen und wird als „gewichteter Preisindex“ bezeichnet. Heutzutage sind es Tausende Waren und Dienstleistungen, deren Preisentwicklung im Rahmen der monatlichen Inflationszahlen untersucht wird.

Um den Index zu erstellen, wird jeweils bis zum 1. Januar 1948 zurückgerechnet. Das Datum ist Startbasis mit 100 Punkten. Seitdem sind die Preise gestiegen. Anfang Dezember hatte Statec mitgeteilt, der Index sei im November von 873,50 auf 873,93 Punkte gestiegen. Die Marke von 873,94 Punkten, bei der die nächste Tranche fällig wird, wurde nun im Dezember überschritten. Im Januar steigen dann die Gehälter.

Eine Frage der Kaufkraft

Doch so ganz ohne Hürden, wie sich die historische Auflistung lesen lässt, ging der Durchmarsch der automatischen Anpassung der Gehälter an die Preisentwicklung dann doch nicht. In jeder Wirtschaftskrise wurde der Index erneut infrage gestellt. Mehrmals wurde er leicht verändert, kurzfristig ausgesetzt oder die Zahl der jährlichen Tranchen begrenzt. Beispielsweise 1980, zu einer Zeit, als die Preise derart schnell stiegen, dass zwei bis drei Indextranchen im Jahr die Norm waren.

Bei der Bevölkerung kamen die Versuche von Veränderungen schlecht an. Sie spürten einen Rückgang ihrer Kaufkraft. Unter anderem deshalb kam es zum Generalstreik von 1982. Mit der Finanzkrise von 2008 und dem Streik von Mai 2009 wiederholte sich die Geschichte.

Seit 2015 funktioniert der Index wieder normal. Er sorgt derzeit für fast überraschend wenig Diskussionen. Aber vielleicht liegt das einfach nur an der niedrigen Inflationsrate. Im November lag sie, verglichen mit dem Vorjahreszeitraum, bei gerade mal 1,2 Prozent. Das letzte Mal, dass eine Indextranche fällig war, war am 1. August 2018 (Index 852,63).

Kritik am Index

Für die vielen Unternehmer ist der Index derweil keine Freude. Sie kritisieren, dass solche automatische Gehaltserhöhungen ihre Kosten vergrößern. Auf Produktivität und Gewinne des einzelnen Unternehmens nimmt der Index keine Rücksicht. Zudem treibt der Index die Preissteigerungen im Lande weiter an und sei somit schädlich für die Wettbewerbsfähigkeit des Landes.

Für viele Beschäftigte (und Rentner) ist der Index jedoch die einzige „Gehaltserhöhung“, die sie im Laufe der Jahre erhalten. Diese automatische Anpassung der Einkommen an die Preisentwicklung ist ein wichtiger Faktor für den sozialen Frieden im Land. Ein solches Instrument gibt es fast nur in Luxemburg. Der Index ist eine der größten sozialen Errungenschaften des letzten Jahrhunderts – ein Grund, warum es hierzulande weniger Streiks als in den Nachbarländern gibt.

pierre wollscheid
30. Januar 2020 - 9.18

dat wat wichtesch ass ass net am Wuerekourf, Wunnen dovir hun eis Politiker Angscht well dann mistt ganz schnell eppes um Wouningsmarkt gescheien

Petz
5. Januar 2020 - 1.19

An schon sin Praiser an der eischter woch vum januar an den buttecker erem geklommen!

ClaudeK
31. Dezember 2019 - 7.34

Erzählen Sie mal jungen Menschen, die auf der Suche nach einer Wohnung sind, der Index würde ihre Kaufkraft erhalten. Junge Leute, die noch keine wohnung haben, bräuchten 4 Index-Tranchen im Jahr, um mit den Preiserhöhungen auf dem Wohnungsmarkt mitzuhalten. Für Leute, die bereits eine Wohnung haben, funktioniert der Index gut, aber das ist kein Trost, für die anderen.

Turmalin
30. Dezember 2019 - 21.50

@Corti Paul Déi Persoun mat 25000€ Pai huet jo och en Haus mat 500m2 déi e muss hëtzen, déi mat 2100 huet 80m2 an e Ferrari brauch och méi Bensin wéi e Smart.

Corti Paul
29. Dezember 2019 - 19.23

Eng Pesoun mat enger Pai fun 2100 Euro muss fir d'Wuren am Wurenkuef genau esou vill bezuelen wei eng Persoun déi 25000 Euro verdengt, virwaat kritt déi eng Persoun 52,5 Euro an déi aner 625 Euro bei enger Indextranche. Dat ass Diskriminatioun an ongerecht.

Steve melmer
29. Dezember 2019 - 11.29

An dass rem un der Zeit dass den „Kuerf“ un 2020 ugepasst gett, et sin fleit „dausenden“ saachen mee wenn daat wirklech de fall wier geng den index vill mei schnell klammen do dei sachen insegammt och vill mei schnell klammen

Grober J-P.
29. Dezember 2019 - 11.26

Bei einem Direktoren oder-Ministergehalt müsste die Indexanpassung doch ausreichen, oder verzichten die freiwillig darauf?

miette
28. Dezember 2019 - 22.15

An trotz allem... liewen mer hei am Ländchen besser, ewei eis Nooperen. Emol iwer eis Grenzen kucken an dann kennen mer erem zefridden sinn!

Jangeli
28. Dezember 2019 - 18.13

Index ? Warenkorb ? Laut den andauernden Preissteigerungen in Luxusburg,müsste es jeden Monat eine Indextranche geben. Da sowie so keine Preiskontrollen vorhanden sind oder durchgeführt werden,erfolgen Preissteigerungen ohne Grund in allen Handelsketten und Märkten.

Leila
28. Dezember 2019 - 17.09

Eine gute und soziale Sache, aber keineswegs logisch. Das Brot kostet für den Großverdiener den selben Betrag wie für den Mindestlohnempfänger. Für jedermann 100 € oder so mehr, dann wäre das sozial gerecht (und die Rechnerei fiele auch weg).

CESHA
28. Dezember 2019 - 12.19

Jetzt 25 Euro mehr für Januar erhalten - gefühlsmässig reicht das bei weitem nicht aus, um die gestiegenen Lebenshaltungskosten auszugleichen :-(