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EditorialDie Frage der Impfpflicht

Editorial / Die Frage der Impfpflicht
Ein Krankenpfleger bereitet eine Spritze zur Impfung vor Foto: AFP/Pool/Leon Neal

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Mit der rasanten Verbreitung der neuen Omikron-Variante dürften demnächst die Diskussionen über eine allgemeine Impfpflicht wieder an Fahrt gewinnen. Auf die steigenden Infektionszahlen wird vielerorts wieder mit Einschränkungen reagiert. In manchen Ländern wie den Niederlanden werden komplette Lockdowns verhängt, andere Regierungen zögern solche Maßnahmen einstweilen hinaus, verhängten aber andere einschränkende Maßnahmen. Zumindest sollten die Bevölkerung und der ohnehin stark gebeutelte Handel vor den Feiertagen nicht zu sehr verärgert werden. Vermutlich aber besteht auch die Hoffnung, dass sich der Krankheitsverlauf mit der Omikron-Variante als wesentlich milder herausstellt als bei den bisherigen Varianten. Wodurch wiederum der Druck auf die Krankenhäuser geringer ausfallen würde, als er es bei vorherigen Infektionswellen war. Wie unser Korrespondent Sebastian Borger berichtet, bestärken Studien aus Südafrika und Großbritannien diese Annahme.

Dennoch: Wir können nicht bei jeder auf uns zukommenden Infektionswelle die Bürgersteige hochklappen, das soziale Leben stilllegen und warten, bis es ein Ende hat. Vor allem da wir uns mit den derzeit zur Verfügung stehenden Vakzinen ausreichend schützen können. Das Problem ist eben nur: Eine weiter zunehmende Mehrheit der Bevölkerung im In- und Ausland ist zwar geimpft, doch offensichtlich reicht das nicht. Weshalb eben die Frage der Impfpflicht immer mehr in den Mittelpunkt rückt.

Bislang sind zumindest die europäischen Länder diese Frage mit sehr viel Zurückhaltung angegangen. Mit Österreich hat auch nur ein Land in der Europäischen Union eine allgemeine Impfpflicht gegen das Coronavirus eingeführt. In anderen Ländern wurde die Einführung dieser Pflicht hauptsächlich auf den Gesundheitssektor und/oder die Pflegedienste begrenzt.

Nur, je länger die Pandemie andauert und eine entscheidende Eindämmung der Zahl an schweren Verläufen nicht gelingt, umso größer wird der Druck auf die Politik, es mit einer Impfpflicht zu versuchen. Diese Frage wird vermutlich zunehmend ihren Schrecken verlieren; je mehr Menschen sich impfen und boostern lassen, als umso selbstverständlicher wird die Impfung in der Bevölkerung erachtet. Und umso deutlicher wird, dass wir keine Versuchskarnickel der Pharmaindustrie sind, sondern lediglich ein medizinisches Mittel verabreicht bekommen, wie es seit unserer Kindheit bereits mehrfach getan wurde. Jene, die sich nicht impfen lassen wollen, mögen zwar recht damit haben, dass mit der Impfung keine sterile Immunität einhergeht, die dazu beiträgt, eine Herdenimmunität zu erreichen. Doch Alternativen können auch sie nicht anbieten, um zumindest die Virulenz, die Schädlichkeit des Coronavirus, auf ein Maß zurückzudrängen, damit für alle Menschen auf längere Sicht ein einigermaßen normales Leben wieder möglich wird.

In unseren Demokratien wird sehr sorgfältig abgewogen, ob die Einführung einer Impfpflicht nicht nur sinnvoll, sondern auch moralisch vertretbar ist. Dabei zeigt eine Mehrheit durchaus Verständnis für eine Minderheit und nimmt auf diese Rücksicht, trotz aller Widrigkeiten und Einschränkungen, denen sich diese geimpfte Mehrheit ebenfalls immer wieder aussetzen muss, wenn die Infektionszahlen wieder einmal steigen. Auch das ist ein Zeichen eines verantwortungsvollen Umgangs miteinander in dieser Krise. Und zeigt, dass wir nicht in einer Diktatur leben, anders als manche schreiend durch die Straßen ziehend behaupten. Doch auch wenn es zu einer Impfpflicht kommen sollte, werden wir noch lange nicht in einer Diktatur leben.