Die Stolpersteinserie
Stolpersteine sind kleine Gedenksteine, die im Straßenpflaster eingelassen sind und an die Opfer des Holocaust erinnern. Die Idee stammt von dem deutschen Künstler Gunter Demnig, der 1992 die ersten Steine in Köln verlegte. Seitdem hat sich das Projekt stetig weiterentwickelt und verbreitet. Bis heute wurden in 31 Ländern Europas 100.000 Steine (Stand 26.5.2023) verlegt, hiervon 30 Steine in Esch/Alzette. Die bewusste Platzierung im Alltagsleben erzeugt eine symbolische „Stolperfalle“, die die Passanten zum Innehalten und Nachdenken über das Schicksal dieser Opfer anregt. Das Tageblatt beleuchtet in seiner Sommerserie das Schicksal der Opfer-Familien. Nach den Familien Adler, Freymann und Nathan sowie Julien Cerf und Ferdinand Cahen geht es heute um die Familie Wachenheimer.
Sophie Wachenheimer, geboren am 15. November 1885 in Schmieheim (Deutschland), siedelte 1901 nach Luxemburg-Stadt, wo sie beim Geschäftshaus Rosenstiel und Schwarz angestellt wurde. 20 Jahre später wurde sie Filialleiterin des Rosenstiel-Geschäfts in Esch, wo sie sich dann auch niederließ.
Ida Wachenheimer, ihre jüngere Schwester, wurde am 15. Dezember 1887 ebenfalls in Schmieheim geboren. Am 14. Juni 1939 erhielt sie, nach mehreren Versuchen, die Einreise- und Aufenthaltsgenehmigung für Luxemburg, ausgestellt vom damaligen Justizminister René Blum. Am 31. Juli 1939 zog sie zu ihrer Schwester in die rue de l’Alzette.
Die Mutter, Karoline Wachenheimer, geboren Dreifuss, wurde am 10. Juli 1860 in Schmieheim geboren. Sie zog am 29. Juni 1938 nach Luxemburg, erst in die rue de l’Alzette 9, dann zu ihrer Tochter Sophie auf die Nummer 23. Hier wohnten auch ihre Töchter Ida und Thekla. Letztere und deren Tochter Ingeborg warteten auf ein Ausreisevisum nach Philadelphia (USA), wo sich ihr luxemburgischer Ehemann Eugen Marx bereits befand. 1939 verließen Thekla und ihre Tochter Europa.
Nach der deutschen Invasion im Mai 1940 und der Evakuierung der Escher Bevölkerung nach Frankreich kehrten Sophie, Ida und Karoline Wachenheimer nach kurzer Zeit wieder nach Esch zurück. Nach der Beschlagnahmung des Geschäfts aufgrund der inzwischen auch in Luxemburg gültigen NS-Rassengesetze verließen die drei Frauen Esch im Oktober 1940. Sie zogen nach Luxemburg-Stadt, von wo aus sie im Juli 1942 mit dem Transport Nr. 5 nach Theresienstadt deportiert wurden.
In dieser nördlich von Prag gelegenen, ehemaligen Festungs- und Garnisonsstadt hatten die Nazis ab 1941 ein riesiges Sammel- und Konzentrationslager eingerichtet. In dem als „selbstverwaltetes Ghetto“ getarnten KZ lebten Tausende von Menschen auf engstem Raum. Über Theresienstadt ist bekannt, dass es von den Nazis als „Vorzeigelager“ genutzt wurde, um internationale Organisationen und das Rote Kreuz zu täuschen. So fanden Konzerte, Lesungen und Theateraufführungen dort statt. Die Nazis drehten sogar einen Film, „Die geschenkte Stadt“, um die angeblich guten Lebensbedingungen im Lager zu zeigen und somit die internationale Öffentlichkeit zu täuschen.
In Wirklichkeit waren die Lebensbedingungen im extrem überbevölkerten Lager äußerst schlecht, die Menschen starben an Hunger, Krankheiten und Erschöpfung. Theresienstadt war auch ein Durchgangslager für Transporte in die Vernichtungslager. Ab Oktober 1942 führten die Deportationen ausschließlich nach Auschwitz.
Sophie Wachenheimer wurde am 23. Januar 1943 mit 2.000 anderen Juden von dort nach Auschwitz deportiert, wo sie sofort nach ihrer Ankunft ermordet wurde. Ida Wachenheimer starb am 19. Januar 1943 in Theresienstadt, ihre Mutter wenige Monate später, am 9. April 1943, ebenfalls in Theresienstadt.
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