In die EU-Migrations- und Asylpolitik kommt wieder Bewegung. Bei ihrem informellen Treffen am Donnerstag einigten sich die EU-Innenminister darauf, sich gegenüber jenen EU-Staaten solidarisch zu zeigen, in denen die meisten Migranten ankommen. Entweder indem sie einen bestimmten Teil von diesen aufnehmen oder indem sie mit einem „erheblichen finanziellen Beitrag“ deren Aufnahme mitfinanzieren, wie der französische Innenminister Gérald Darmanin in Lille erklärte.
Das Vorankommen im bislang festgefahrenen Migrationsdossier, das sogleich von Darmanin als „Sieg“ des französischen EU-Ratsvorsitzes gefeiert wurde, hat erst einmal einen innen- und wahlpolitischen Hintergrund. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron wird in den kommenden Wochen im anstehenden Präsidentschaftswahlkampf von den rechten Herausforderern mit dem Thema Sicherheit konfrontiert werden. Macron zeigt nun, dass er das Problem in die Hand nimmt und sich für schärfere Kontrollen an den EU-Außengrenzen einsetzt. Er ließ es sich daher nicht nehmen, persönlich vor den EU-Innenministern zu reden. Schnelle Ergebnisse wird es mit den anderen 26 jedoch bei diesen überaus heiklen Themen nicht geben, schon gar nicht vor dem ersten Wahlgang am 10. April.
Abgesehen von der wahlpolitischen Vereinnahmung des Themas durch Emmanuel Macron braucht es jedoch Fortschritte im EU-Migrations- und Asyldossier. Die 27 sind geradezu dazu verpflichtet. Denn der Umgang nicht nur mit dem Thema, sondern auch mit den Menschen an den EU-Grenzen in den vergangenen Jahren hat erhebliche Zweifel am werteorientierten Selbstverständnis der EU-Staaten aufkommen lassen. Zwar werden sich EU-Politiker wie Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn von ihren Vorstellungen einer primär humanistisch geprägten Solidargemeinschaft verabschieden müssen, für die sie die EU stets hielten. Doch es ist nun einmal so, dass vor allem osteuropäische Regierungschefs, wie der Ungar Viktor Orban oder der Pole Mateusz Morawiecki, sich dagegen sträuben, Schutz suchende Menschen aus anderen Kulturen in ihren Ländern aufzunehmen. Wenn die selbsternannten Bewahrer des christlichen Abendlandes es bevorzugen, sich mit dem Scheckbuch solidarisch gegenüber den Erstaufnahmeländern Italien und Griechenland zu zeigen, dann sollte dem Pragmatismus der Vorzug gegeben werden. Letzten Endes ist es den Migranten und Flüchtlingen egal, in welcher Form welches Land für Schutz und Unterstützung gesorgt hat. Hauptsache, es wird ihnen in geordneten Bahnen geholfen.
Viel Aufmerksamkeit wurde und wird in der Diskussion der Kontrolle der EU-Außengrenzen gewidmet. Diese sollen aufgerüstet werden, wie es derzeit etwa die Polen zum belarussischen Nachbarn hin tun. Die Kosten dafür wollen mittlerweile 16 EU-Staaten über den EU-Haushalt begleichen. Was die EU-Kommission derzeit noch ablehnt. Staatsgrenzen sind Angelegenheit der Nationalstaaten. Doch auch hier ist ein Umdenken erforderlich. Immerhin sind es auch EU-Außengrenzen, Schengen-Grenzen, an denen, so die Pläne, künftig verstärkt EU-Grenzschützer von Frontex zum Einsatz kommen sollen. Das müsste EU-Organen die Gelegenheit geben, mehr Rechenschaft darüber einzufordern, was an diesen Grenzen passiert. Immerhin will ein nicht unerheblicher Teil der EU weiterhin offen für Schutzsuchende bleiben. Und es wäre eine Möglichkeit, gegen unerlaubte und unmenschliche Praktiken vorzugehen, wie sie jüngst bekannt wurden. Wie beispielsweise über kroatische Grenzschützer, die unter Gewaltanwendung Migranten zurück nach Serbien trieben. Oder wie vor einigen Tagen an der griechisch-türkischen Grenze, wo 19 Migranten unter ungeklärten Umständen erfroren sind.
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