Die jüngsten Zahlen der Arbeitsverwaltung (ADEM) zeigen einen leichten Anstieg der Arbeitslosenzahlen, wenn auch noch nicht alarmierend. Und doch wäre es angebracht, diese Entwicklung genau zu verfolgen. Am Beispiel der Anzeichen einer Krise im Bau wird deutlich, dass es schwer sein wird, diese Arbeitskräfte in anderen Branchen unterzubringen. Deren Ausbildung als Facharbeiter im Bereich Bau hat sie vor Jahren nicht für die heutigen Anforderungen des Arbeitsmarktes in anderen Bereichen geschult.
Die Geschwindigkeit, mit der „Arbeit“ sich heute verändert, verleiht vor allem dem Begriff „Lebenslanges Lernen“ eine neue Bedeutung. Eine Kernkompetenz des heutigen Bildungssystems muss es sein, der Gestaltungskompetenz größere Gewichtung gegenüber Faktenwissen einzuräumen. Die Fähigkeit, sich auf neue Situationen einzustellen und sich neues Wissen eigenständig anzueignen, muss zur Kernkompetenz von Lehr- und Lernprozessen werden.
Luxemburg braucht qualifiziertes Personal
Vor allem der Luxemburger Arbeitsmarkt, der durch eine Nachfrage an hoch qualifiziertem Personal gekennzeichnet ist, braucht dieses qualifizierte Personal. Leider bildet Luxemburg aber in den seltensten Fällen dieses in der benötigten Anzahl selbst aus und ist deshalb darauf angewiesen, dieses Personal im Ausland anzuwerben.
Und hier steht die Weiterbildung vor großen Herausforderungen. Diese aber ohne die Zuhilfenahme der Berufskammern und deren Unterstützung stemmen zu wollen, ist ein fataler Fehler. Auch die federführende Kompetenz dem Bildungsministerium zu überlassen, ist nicht zielführend. Sowohl das Arbeitsministerium als auch das Wirtschaftsministerium stehen dem Arbeitsmarkt näher als das Bildungsministerium und können die dort stattfindenden Prozesse besser einschätzen und begleiten.
Vermehrt werden Produktionsprozesse automatisiert, was aber nicht automatisch heißt, dass diese Arbeitsplätze wegfallen. Es wird eher zu einem Tätigkeitswandel innerhalb der Arbeit kommen, was aber eine stetige Anpassung der Arbeitnehmer an die neuen Herausforderungen verlangt. Der beruflichen Weiterbildung kommt hier eine immer größere Rolle zu, was zu der Feststellung führt, dass die Weiterbildung gesetzlich besser und vor allem den Herausforderungen entsprechend gesetzlich verankert wird.
Regelungen und Gesetzgebung unter die Lupe nehmen
Ein anderer Aspekt des heutigen Arbeitsmarktes ist, dass Mitarbeiter vermehrt ein Mitspracherecht auf ihrer Arbeitsstelle suchen; vor allem wollen sie ihre Arbeitsbedingungen gemeinsam mit dem Arbeitgeber aushandeln. Eine strikte rechtliche Arbeitsorganisation ist in dieser Situation nicht mehr angebracht. Um nicht falsch verstanden zu werden: Der Staat soll die Rahmenbedingungen festlegen, in denen sich beide Parteien zu bewegen haben, aber viele Arbeitsplätze – seit der Corona-Zeit – haben sich verändert, sind flexibler geworden, und das Arbeitsrecht muss diesem Umstand Rechnung tragen. Es wird also höchste Zeit, die Arbeitszeitregelungen unter die Lupe zu nehmen. Ebenso die Mitbestimmungsgesetzgebung.
Nicht zu unterschätzen ist dabei auch der Anspruch der Arbeitnehmer an einem Mehr an Zeit für Familie und Freizeit, falls gewünscht. Die Individualisierung unserer Gesellschaft macht keinen Halt vor der Arbeitswelt. Und hier nur an die Eigenverantwortung beider Parteien – Arbeitnehmer und Arbeitgeber – zu appellieren, trägt dem ordnungspolitischen Auftrag eines Staates nicht Rechnung. Betriebsvereinbarungen, Regeln zur Erreichbarkeit bzw. Nichterreichbarkeit an Wochenenden, im Urlaub … all dies muss gesetzlich festgelegt werden. Konflikte können beispielsweise entstehen, wenn wegen familiärer Aufgaben die Arbeitszeit im Homeoffice unterbrochen wird und so die Pausenregelungen und Arbeitszeiten überschritten werden.
Die Digitalisierung verändert auch die Arbeitsabläufe und -prozesse. Das Arbeitsrecht muss diesem Umstand Rechnung tragen. Wir können nicht unsere Verwaltung, unsere Bildung modernisieren – sprich digitalisieren – und dann das Arbeitsrecht in seinem Kern auf dem Stande des letzten Jahrhunderts weiterbestehen lassen. Dringend benötigt wird eine gesetzliche Regelung der Telearbeit und der Zeitkonten. Und hier, wie bei der Entwicklung neuer Arbeitsformen und Arbeitszeitmodelle, wird es darauf ankommen, ein Gleichgewicht zwischen den Ansprüchen der Arbeitnehmer und jenen der Betriebe zu schaffen.
Arbeitsinhalte und Arbeitsorganisation verändern sich durch die Digitalisierung, jedoch sind die Beschäftigten unterschiedlich betroffen. Dies heißt dann auch, dass es keine für den gesamten Arbeitsmarkt allgemein verbindliche Regeln mehr geben wird. Flexibilität, die durch die Digitalisierung entsteht, ist dabei aber nicht nur für Arbeitnehmer, sondern auch für Arbeitgeber eine Herausforderung. Die Rolle der Politik ist es, diese neuen Herausforderungen in einen arbeitsrechtlichen Rahmen zu stellen, vorhandene Regeln anzuwenden und durchzusetzen.
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