Headlines

Ukraine-Krieg„Dichter Nebel“: Vortrag zu Sanktions-Erfolgen in Luxemburg hat Fragen offengelassen

Ukraine-Krieg / „Dichter Nebel“: Vortrag zu Sanktions-Erfolgen in Luxemburg hat Fragen offengelassen
Die Ausführungen von Yuriko Backes (Mitte) und Sam Tanson zu den Sanktionen gegen Russland haben weder Sven Clement (Piraten, links) noch Laurent Mosar (CSV, rechts) völlig zufriedengestellt Fotos: Editpress

Jetzt weiterlesen! !

Für 0.99 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Kürzlich haben die Finanzministerin Yuriko Backes und die Justizministerin Sam Tanson darüber unterrichtet, wie erfolgreich Luxemburg die Sanktionen gegen Russland durchsetze. Dabei stand auch eine zunächst beeindruckende Zahl im Raum – die aber nicht alle Bedenken bei den Zuhörern zerstreuen konnte: Blickt man überhaupt noch durch das Dickicht, das Luxemburg und andere Länder sich im Finanzwesen geschaffen haben?  

Auch wenn Europa sich mit direkten militärischen Reaktionen auf die Invasion der Ukraine durch Russland lieber zurückhält, soll das Land – allen voran der Präsident – immerhin getroffen werden, indem Geld- und Warenströme gekappt und die Zirkel von Einfluss und Macht in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt werden. Die schon seit der Annektion der Krim bestehenden Sanktionslisten gegen russische Personen und Unternehmen hat die Europäische Union in den vergangenen Wochen immer wieder erweitert. Der FC Chelsea-Besitzer und Oligarch Roman Abramowitsch ist wohl der prominenteste „Oligarch“, der darauf gelandet ist.

Shitlist: Wer sich in den EU-Durchführungsverordnungen wiederfindet, verfügt wohl über einigen Reichtum – kann damit aber kaum noch etwas anfangen. Oder doch?
Shitlist: Wer sich in den EU-Durchführungsverordnungen wiederfindet, verfügt wohl über einigen Reichtum – kann damit aber kaum noch etwas anfangen. Oder doch?

Der üblichen Selbstverpflichtung, die europäischen Beschlüsse in nationales Recht umzuwandeln, hat sich Luxemburg auch hier unterworfen. So berichtete das Finanzministerium kürzlich über eine Sitzung des Überwachungsausschusses für restriktive Maßnahmen im Finanzbereich – und dass die Ministerin Yuriko Backes (DP) dort „die bedingungslose Unterstützung Luxemburgs für die ergriffenen Maßnahmen“ nochmals bekräftigt habe.

„Die luxemburgischen Behörden arbeiten eng mit den europäischen Behörden und den anderen Mitgliedstaaten zusammen, um eine wirksame Umsetzung der Sanktionen zu gewährleisten und so mögliche Umgehungsversuche zu verhindern“, heißt es in der Mitteilung über das Treffen, bei dem etwa auch die neue europäische Plattform „Freeze and Seize“ (deutsch: Einfrieren und Beschlagnahmen) vorgestellt wurde, die von der Europäischen Kommission ins Leben gerufen wurde. Der Austausch innerhalb dieser europäischen Taskforce ermögliche es den Mitgliedstaaten, Informationen und Praktiken zu Aspekten im Zusammenhang mit Sanktionsverfahren auszutauschen.

Wenig beeindruckende Zahlen

Allerdings gibt es Zweifel, wie gut das alles letztlich funktioniert, vor allem, wenn es um die finanzielle Beweglichkeit der Reichen und Superreichen geht: Denn obwohl inzwischen fast 700 Spitzenpolitiker, Geschäftsleute und Militärangehörige auf der schwarzen Liste der EU stehen, darunter Superreiche wie Abramowitsch oder der Bankenmagnat Michail Fridman, sei bisher „nur ein kleiner Teil ihrer Gelder betroffen, da es rechtliche Einschränkungen und Probleme bei der Durchsetzung gibt“, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf EU-Beamte und -Regierungsdaten: Viele Länder hüllten sich in Bezug auf eingefrorene Vermögenswerte in Schweigen, da, wo etwas zu erfahren ist, klingen die Zahlen teils wenig beeindruckend. So habe das niederländische Finanzministerium erklärt, es habe Transaktionen und Finanzanlagen in Höhe von rund 390 Millionen Euro eingefroren, was nach Schätzungen der Regierung nur etwa ein Prozent des Vermögens der sanktionierten Personen auf Bankkonten, Trusts und anderen Finanzvehikeln in den Niederlanden und in Offshore-Zentren, die mit dem Land verbunden sind, darstelle, berichtet Reuters.

Und die Tagesschau berichtete vor wenigen Tagen gar, dass in Deutschland gerade einmal rund 95 Millionen Euro eingefroren seien. Das Medium beruft sich auf Zahlen der Bundesbank, die das Bundesfinanzministerium auf Anfrage eines Parlamentsabgeordneten mitgeteilt habe – direkter Einblick in konkrete Zahlen werde vonseiten der Regierung verwehrt.

Luxemburg erscheint dagegen überraschend offenherzig: So machten am vergangenen Dienstag (29.3.) Finanzministerin Backes und Justizministerin Sam Tanson im Parlament bei einer gemeinsamen Sitzung des Ausschusses für Finanzen und Haushalt und des Justizausschusses Angaben dazu, wie es hierzulande so laufe mit dem Einfrieren und Beschlagnahmen in Sachen Russland: „Bisher konnten die luxemburgischen Akteure Vermögenswerte von sanktionierten Personen und Organisationen in Höhe von fast 2,5 Milliarden Euro einfrieren“, hieß es aus den Ministerien später. Die Summe habe sich aus Bankguthaben und Kapitalanteilen sanktionierter Personen oder Einrichtungen zusammengesetzt, heißt es in der Mitteilung.

Rolle der Soparfi

Laurent Mosar (CSV) fand die Präsentation der Ministerinnen jedenfalls „wenig überzeugend“, weil „viele Fragen offen geblieben sind“, sagt der Vizepräsident der Finanz- und Haushaltskommission im Gespräch mit dem Tageblatt. Er zählt drei aus seiner Sicht kritische Themenfelder auf: So warte man nach uneinheitlichen Nachrichten über das Luxemburger Schiffsregister weiter auf die versprochene Klärung aus dem Wirtschaftsministerium. Außerdem gebe es in Sachen Exportverbot für Dual-Use-Güter (also Dinge, die sowohl zivil als auch militärisch genutzt werden können) offensichtlich noch Unklarheiten, was das überhaupt umfasst und inwiefern der indirekte Export nach Russland auch effektiv vermieden werde. Und last, but not least, befürchtet Mosar, dass die Finanzaufsicht CSSF zwar Banken und Fonds zuverlässig kontrolliere, aber andere Akteure nicht richtig im Auge habe – wie etwa die unregulierten „Soparfi“-Holdings („Société de participations financières“). Tatsächlich hat die CSSF in mehreren Antworten auf Anfragen betont, dass sie für bestimmte Geschäftstätigkeiten in Luxemburg nicht zuständig ist – wie etwa beim ominösen Freihafen am Findel (das Tageblatt berichtete).

Sowieso steht das Geflecht der Behörden und Abteilungen, die in Sachen Sanktionskontrollen beteiligt sein können, in seiner Komplexität kaum den bizarren Gebilden nach, die der Finanzplatz jahrzehntelang ausbilden konnte: Beteiligt sind das Außen-, Finanz-, Wirtschafts- und Innenministerium und Entitäten wie etwa die Aufsichtskommission des Finanzsektors CSSF, das Amt für Ausfuhr-, Einfuhr- und Durchfuhrkontrolle OCEIT, der Zoll, die „Section financière et économique“ und andere.

„Man muss sich auf die Banken verlassen“

* GLOSSAR: UBO

Der Begriff bezeichnet den „Ultimate Beneficial Owner“, der letztliche wirtschaftliche Eigentümer – und damit eine oder mehrere natürliche Personen, die eine juristische Person oder Vereinbarung, wie eine Gesellschaft, einen Trust oder einer Stiftung, effektiv besitzen und kontrollieren – und von den Gewinnen profitieren. fgg

So wie Laurent Mosar erscheint auch dem Piraten Sven Clement die aktuell eingefrorene Summe von rund 2,5 Milliarden Euro als eher klein – immerhin komme ja zum Beispiel Belgien offenbar auf eine viermal so große Zahl. Clement unterstellt der Regierung keinen bösen Willen: „Ich denke schon, dass die Regierung die Sanktionspolitik unterstützt!“ Allerdings befürchtet er, dass die lange Zeit politisch gewollten Möglichkeiten am Finanzplatz Luxemburg einen „tiefen Nebel“ erzeugt hätten, dessen Undurchdringlichkeit jetzt eine effiziente Erfüllung der Sanktionen schwierig mache: „Es kann natürlich sein, dass morgen wieder eine Firma auftaucht, bei der die Daten nicht in Ordnung sind und wo ein UBO* nicht wirklich identifizierbar ist“, sagt Clement. Die Sorge, dass es „wieder opake Strukturen“ geben könnte, habe er auch in der Aussprache mit den Ministerinnen so geäußert. „Die Antwort war: Wir müssen uns darauf verlassen, dass die Banken die UBO kennen“, erinnert sich der Pirat – aber dass das Problem ein „strukturelles“ sei, nicht ein speziell luxemburgisches.

Die nicht nur aus allen möglichen Papers von Pandora bis Panama bekannte Sorge vor Verschleierung von Eigentümern und Empfängern treibt auch andere um: So will Laurent Mosar etwa in einer aktuellen parlamentarischen Anfrage wissen, wie man denn mit Einrichtungen umgehe, die bisher von Personen verwaltet oder kontrolliert wurden, die von ihren Positionen zurückgetreten sind, als sie sich auf den Sanktionslisten wiederfanden. Und auch die Sorge des CSV-Politikers, dass die Exportverbote von Dual-Use-Gütern allzu leicht umgangen werden könnten, wird auch auf anderer Ebene geteilt: So findet sich im Amtsblatt der Europäischen Union vom 1. April eine dringende Mahnung an „Wirtschaftsakteure, Einführer und Ausführer“: Diese sollen „angemessene Schritte zur Erfüllung ihrer Sorgfaltspflicht einleiten, um zu verhindern, dass die Maßnahmen umgangen werden“.

Roll
5. April 2022 - 13.44

Een iwerhiefléchen an konzeptlosen Gambiabonzenklub.

HTK
3. April 2022 - 8.43

"Selbstverpflichtung, die europäischen Beschlüsse in nationales Recht umzuwandeln.." Das ist ja wohl die Idee,Sinn und Zweck der Union.Solange die Mitgliedsstaaten Beschlüsse ignorieren kommen wir nicht weiter und wir machen uns jenseits der Grenzen zu Narren.
Man stelle sich eine Le Pen,einen Salvini oder einen Wilders an der Spitze der jeweiligen Länder vor. Wir könnten Schengen und alle anderen Abkommen verbrennen und bei Null anfangen.

jung.luc.lux@hotmail.com
2. April 2022 - 20.11

Ist Indexmanipulation eine luxemburger sozialistische Politik? Ich glaube ja. Hier in Luxemburg gibt es keine echte Sozialisten. Diese sind in Luxemburg ausgestorben. Bestenfalls gibt es noch soziale Demokraten die einer DP (Patronatspartei) sehr nahe stehen.