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Der Weg in die digitale Zukunft

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Gespräch mit Jean-Lou Siweck, der seit heute neuer amtierender Generaldirektor von Editpress ist.

Jean-Lou Siweck ist seit heute amtierender Generaldirektor von Editpress. Er will neue Impulse setzen, Ziele klar kommunizieren und das Unternehmen für die digitale Zukunft des Journalismus fit machen. Ein Gespräch.

Von Dhiraj Sabharwal

Tageblatt: Wie lautet die Mission des neuen Editpress-Generaldirektors?
Jean-Lou Siweck: Der Verwaltungsrat von Editpress wollte einen Generaldirektor mit journalistischem Hintergrund. Es geht darum, nicht nur auf Managementkriterien zu achten, sondern Editpress als Medienhaus zu verstehen. Unser Kerngeschäft ist Journalismus.

Wie setzt sich Editpress zusammen?
Editpress ist einerseits der Verlag von Tageblatt und Le Jeudi und andererseits die Muttergesellschaft einer Gruppe mit mehreren Filialen. Es handelt sich oft um Joint Ventures mit Partnern, wie das Callcenter Ebos. Einige davon laufen sehr gut, wie die Pendlerzeitung L’essentiel. Dort hat der Direktor der Muttergesellschaft es eher einfach. Daneben ist die Gruppe im Bereich der bezahlten Zeitungen aktiv, was derzeit weltweit ein sehr schwieriges Geschäft ist.

Das Fazit ist vielerseits: Wachstum im Digitalen, aber Geld verdient wird noch immer nur mit gedruckten Zeitungen.
Diese Feststellung galt bis vor Kurzem fast überall, und in Luxemburg ist es nicht anders. Es ist hier vielleicht noch schwieriger, weil wir auf einem begrenzten Markt sehr viele Medien haben. Doch es gibt auch andere Beispiele. Meine Aufgabe ist es dementsprechend, dass Editpress den Übergang vom bezahlten Print- zu einem bezahlten Digitalmodell schafft.

Was macht einen guten Führungsstil aus?
Ich bin davon überzeugt, dass in fast jeder Direktionsfunktion das Zwischenmenschliche dominiert. Man kann nicht alles alleine machen. Wer das versucht, scheitert. Es geht darum, andere Menschen zu motivieren, auf ein gemeinsames Ziel hinzuarbeiten.

Gibt es einen fertigen Plan?
Ohne die gedruckte Zeitung auch nur mittelfristig infrage zu stellen, glaube ich fest daran, dass die Zukunft zuerst digital sein wird. Ich habe keinen starren, vorgefassten Plan, den jeder strikt befolgen muss. Ich komme vielmehr mit Ideen, Erfahrungen und Beobachtungen, die in anderen Unternehmen und Ländern funktionieren. Es geht darum, diese Elemente an den Kontext des Tageblatt anzupassen.

Welche Rolle spielt die Unternehmenskultur dabei?
Wie sagen die amerikanischen Management-Gurus: Die Kultur frisst die Strategie morgens „beim Kaffi op der Botterschmier“. Wenn du mit einem strategischen Plan ankommst, den du nicht an die Kultur eines Hauses anpasst, das zum Beispiel wie das Tageblatt über 100 Jahre alt ist, kannst du es bereits am ersten Tag vergessen. Unternehmenskulturen entwickeln sich dennoch weiter. Wir haben Herausforderungen, die wir angehen müssen. Daran führt kein Weg vorbei.

Welche Rolle spielt das Tageblatt für seinen Herausgeber Editpress?
Die „Raison d’être“ von Editpress ist die Existenz des Tageblatt. Das sind die historischen Wurzeln. Editpress wurde zur Mediengruppe ausgebaut, damit das Tageblatt fortbestehen kann. Das heißt nicht, dass alle anderen Medientitel in die Kategorie „unter ferner liefen“ fallen. Aber das Tageblatt bleibt das Herzstück des Verlags.

Wir bilden die neue Chefredaktion des Tageblatt (siehe unten). Welche Vorteile hat die Doppelspitze?
Man hat mir das doppelte Mandat angeboten. Wobei meine Hauptmotivation anzunehmen, darin lag, im Journalismus zu arbeiten, nicht eines Tages den Titel Generaldirektor zu tragen. Außerdem muss ja einer von uns aus dem „Minett“ kommen …

… da bin ich als „Déifferdanger Jong“ klar im Vorteil.
Ja, mein Heimatort Walferdingen disqualifiziert mich komplett (lacht). Im Ernst: Ich würde mich einerseits selbst belügen, wenn ich behaupten würde, dass ich mich als Geschäftsführer aus den Inhalten heraushielte. Andererseits muss man realistisch sein: Die Herausforderung, ein Medienunternehmen zu führen, ist heute so groß, dass es wirklich sehr schwer ist, gleichzeitig Chefredakteur und Direktor zu sein. Das schafft man nicht alleine. Die Doppelspitze kennt man zum Beispiel von der Süddeutschen Zeitung und anderen internationalen Medien. Solange sich die Doppelspitzen der Chefredaktion gut verstehen – was bei uns der Fall ist –, gibt es eine klare Aufgabenverteilung. Die Redaktion braucht einen alltäglichen Ansprechpartner. Der Generaldirektor wäre das gerne, kriegt das aber zeitlich nicht hin. Gleichzeitig kann ich eine Einheit zwischen dem strategischen Denken der Direktion und den Mitteln, die eine Redaktion benötigt, schaffen.

Dennoch: Kommt es bei der Personalunion Direktor/Chefredakteur nicht zu kommerziellen Interessenkonflikten?
Vor 40 Jahren war die Personalunion von Direktor und Chefredakteur noch Standard. Dann folgte eine Periode, in der die Werbeeinnahmen eine äußerst wichtige Rolle für die Medien spielten. Daraus entstanden Interessenkonflikte. Der Chefredakteur musste sich auch um die Werbekunden kümmern. Das war ein Problem. Direktion und Chefredaktion mussten voneinander getrennt werden. Dieses Problem besteht umso weniger, je stärker die Werbeeinnahmen, wie derzeit, einbrechen und deine Haupteinnahmequelle zahlende Abonnenten sind. Einerseits fokussierst du, was du den Lesern anbietest, und andererseits, wozu Leser bereit sind, zu zahlen. Deswegen arbeiten Redaktionen heute, wenn es um das Verkaufen der Dienstleistung Journalismus geht, wieder stärker mit der kommerziellen Seite zusammen. Bei der schwedischen Tageszeitung Dagens Nyheter ist zum Beispiel der Chefredakteur ganz offiziell für den digitalen Verkauf der Zeitung zuständig.

Bleiben die Widersprüche des Medienwandels und das Spannungsfeld zwischen rastloser, eierlegender Wollmilchsau und entschleunigtem, hintergründigem Journalismus.
Das Digitale hat bei fast allen Tageszeitungen dazu geführt, Neues auszuprobieren. Tageszeitungen haben dabei Rollen übernommen, die früher Radios vorbehalten waren: Alles muss schnell gehen. Gleichzeitig empfehlen ihnen Medienexperten, „magaziniger“ zu werden. Sie müssen sich also stärker an hintergründigeren Wochen- und Monatszeitungen orientieren. Tageszeitungen laufen das Risiko, sich im Spagat zwischen schnellem und tiefgründigem Journalismus zu verlieren. Es wurde lange geglaubt, dass das Digitale
eine reine Opportunität wäre, um mehr Leser zu erreichen. In der Zwischenzeit muss man akzeptieren, dass die Leser mit einer Medienmarke etwas Spezifisches verbinden. Ich glaube deswegen, dass sich das Tageblatt auf seine alten Stärken zurückbesinnen soll.

Welche Stärken genau?
Wir sollen uns wieder auf Themen konzentrieren, die einen ganzen Tag oder eine Woche und darüber hinaus lang Bedeutung haben. Wir sollten unsere Energie nicht zu sehr für Dinge verwenden, die morgen wieder vergessen sind. Im Digitalen ist die Verführung natürlich groß. Wir müssen uns stärker in die Lebenssituation unserer Leser hineinversetzen und von dort aus auf die Gesellschaft blicken: Welche Fragen stelle ich mir in meinem Leben? Was ist für meinen Alltag relevant? Das Tageblatt versteht sich als Qualitätszeitung aus Esch/Alzette für das ganze Land. Wir müssen mit der lokalen Berichterstattung unsere Präsenz im Süden markieren. In der nationalen Debatte wollen wir als fortschrittliche Stimme mitspielen, die den Finger in die offene Wunde legt.


Jean-Lou Siweck

Jean-Lou Siweck (47) hält einen «Master of Arts in European Studies, Human Resources Development» des «Collège d’Europe» (Brügge) und eine «Licence en journalisme et communication» der «Université libre de Bruxelles». Er war Journalist beim Lëtzebuerger Land (1998-2000/2002-2004) und bei Le Quotidien Leiter des Ressorts Innenpolitik/Wirtschaft (2001-2002). Danach wechselte er unter Jean-Claude Juncker als wirtschaftlicher Berater ins Staatsministerium (2004-2013). Jean-Lou Siweck war von 2013 bis 2017 Chefredakteur des Luxemburger Wort. Er verhalf der Zeitung zu einer offeneren Berichterstattung. Siweck verließ das Wort zum Entsetzen seiner Redaktion und auf Druck des Verwaltungsrats von Saint-Paul wegen «Divergenzen bei der Umsetzung der ,Ligne éditoriale‘ des Luxemburger Wort». Er kehrte ins Staatsministerium zurück und wurde Anfang 2018 Mitglied des Verwaltungsrats von Radio 100,7. Er trat seinen Sitz wieder ab, als er am 1. Mai anfing, als Geschäftsführer von Editpress zu arbeiten. Jean-Lou Siweck stammt aus Walferdingen, ist verheiratet und Vater einer Tochter.


Tageblatt-Doppelspitze

Das Tageblatt hat weiterhin eine Chefredaktion mit Doppelspitze. Editpress-Generaldirektor Jean-Lou Siweck und Dhiraj Sabharwal werden die Zeitung als gleichberechtigte Chefredakteure leiten. Sabharwal ist seit November 2017 Chefredakteur (► hier lesen). Er war Teil der Tageblatt-Doppelspitze mit der ehemaligen Editpress-Generaldirektorin Danièle Fonck.


Hier geht es zum Download der Fotos der neuen Tageblatt-Doppelspitze:
Bild 1
Bild 2

leonie
5. Juni 2018 - 22.14

deen technechen deel w.e.g. nëmmen nët vergiessen

Scholer
5. Juni 2018 - 12.06

Sehr wohl sticht das Tageblatt als sehr gutes Presseprodukt in unserer Medienwelt hervor.Auch wenn man als Leser nicht mit jeder Meinung oder Artikel einverstanden ist und dann per Mausklick seinen Kommentar beiflickt, die pluralistisch, fortschrittlichen
Meinungsvielfalt ist gegeben.Kleine Anregung , etwas mehr kulturelle Beiträge würden erfreuen. Allerdings auch wenn die Zeichen der Zeit auf Digitalisierung stehen, wehre ich mich vehement dagegen und werde wohl auch nie " en Frang fir esou en Produkt ausgin".Mir ist der tägliche Gang zum Kiosk lieber .