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ForumDer Minister als Träumer oder Gaukler? Erneuerbare Energien sind erstrebenswert, bergen aber viele Risiken

Forum / Der Minister als Träumer oder Gaukler? Erneuerbare Energien sind erstrebenswert, bergen aber viele Risiken
 Foto: dpa/Karl-Josef Hildenbrand

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Mein Artikel über die Gefahr „Destruktiver Strompannen“ (Tageblatt vom 21.12.2020) basierte auf den jüngsten „Risiko-Bericht“ des helvetischen Bundesamtes für Bevölkerungsschutz. Das als „größte Gefahr“ für die Schweiz nicht das Coronavirus, sondern einen anhaltenden Stromausfall ansieht.

Der deutschen Fachzeitschrift Ingenieur zufolge schrammte ganz Europa am 8. Januar 2021 gegen 14.05 Uhr haarscharf an einem totalen „Blackout“ vorbei. Ursache war ein plötzlicher Abfall der Netzfrequenz um 250 Megahertz in Rumänien infolge einer größeren Panne in Kroatien. Das Netz verkraftet normalerweise Schwankungen bis zu 50 Megahertz.

Das europäische Verbundnetz UCTE, das den Transport der benötigten Energie und damit den sekundenschnellen Ausgleich zwischen Produktion und Verbrauch von Energie zwischen den Staaten der Union regelt, griff brutal ein. Südeuropa wurde sofort vom Netz abgeschnitten. Gleichzeitig wurden Großverbraucher in Italien und Frankreich vom Netz genommen. Zur Ausgleichung des plötzlichen Defizits an Elektrizität. In Österreich und Deutschland wurden Stand-by-Kraftwerke hochgefahren. Nach einer Stunde hatte sich die Lage so weit normalisiert, dass das gekappte Teilnetz wieder mit dem gesamten Verbund synchronisiert werden konnte.

Fachleuten zufolge war der Vorfall die schwerste Störung seit 14 Jahren. Der Stromversorger „Wien Energie“ verwies darauf, dass „der vermehrte Ausbau von erneuerbaren Energien und die damit verbundene volatile Erzeugung von Wind- und Sonnenenergie dazu führt, dass die Stromnetze immer stärkeren Schwankungen ausgesetzt sind“. Resultat: „Die Zahl von Noteinsätzen (hat) sich in den letzten Jahren von rund 15 auf bis zu 240 pro Jahr erhöht!“

In Luxemburg weiht unser agiler Energieminister Claude Turmes jedes Windrad und jedes Solarpanel einzeln ein. Ebenso jede Chargy-Station für die so saftig bezuschussten E-Protzmobile. Die Aufladestationen sollen angeblich nur erneuerbare Energie liefern. In einem Land, das keine 10% seines Strombedarfs „erneuerbar“ produziert. Das total auf den europäischen Strom-Mix angewiesen ist. Der zusammengesetzt ist aus allen möglichen Quellen, von Atom über Kohle oder Gas bis hin zu den Erneuerbaren. Wobei die zirkulierenden Elektronen nicht grün anzustreichen sind.

Wetterabhängige Erneuerbare

Hier liegt auch das Kernproblem für die gesicherte Stromzufuhr der Europäer. Da Wind- und Solarstrom total wetterabhängig sind, gibt es ebenso extreme wie unvorhersehbare Schwankungen im Netz.

Bei einem aufziehenden Sturm pumpen Wind-Generatoren mehr Strom ins Netz, als dieses verkraften kann. Am 27.12.2020 gab es durch das Sturmtief „Hermine“ solche Überkapazitäten. Auf den Strombörsen fielen die Preise während 19 Stunden in den negativen Bereich. Die Betreiber mussten draufzahlen, um ihren Strom überhaupt loszuwerden!

Da im Winter die Sonne wenig scheint oder Wolkenbildung die Aktivitäten der Solarzellen einschränkt, müssen ständig „Back-ups“ bereitstehen. Um bei einer Panne oder plötzlich steigender Nachfrage die Spannung im Netz aufrechtzuerhalten.

Luxemburg hatte mit der Escher Twinerg eine sehr ökologische und schnell hochzufahrende Kraftwärme-Kopplungs-Anlage auf Erdgasbasis. Als ich als damaliger Energieminister den Vertrag mit Arbed und Electrabel durchsetzte, bekam ich sogar seltenes Lob vom „Mouvement écologique“. Gestiegene Gaspreise beeinträchtigten später die Rentabilität der Anlage. Die Regierung verpasste es, mit Belgien einen Vertrag für eine gemeinsame Nutzung von Twinerg als „Back-up“ abzuschließen. So wurde die Anlage stillgelegt und verschrottet.

Gegen die mit dem Ausbau der Wind- und Sonnenenergie extrem zunehmenden Schwankungen im europäischen Verbundnetz helfen zurzeit nur Atommeiler, Kohle- oder Gaskraftwerke. Die je nach Bedarf sehr schnell zu- oder abgeschaltet werden können.

Die großherzogliche Regierung und vor allem die grünen Minister spielen sich in den europäischen Gremien als große Kämpfer gegen die Atomkraft auf. Täten besser, etwas bescheidener aufzutreten. Wer wie Turmes oder Dieschbourg dauernd darüber schwafelt, die Menschheit sollte auf „die Wissenschaft hören“, müsste den letzten Bericht des Weltklimarates nachlesen. In allen fünf Szenarien des IPCC, sonst die Bibel aller Ökologisten, spielt Atomstrom eine wesentliche Rolle zum Erreichen der Klima-Neutralität bis 2050.

Die Schattenseite der Energiewende

Zur Überbrückung der Versorgungslücken bei der Netz-Stabilisierung sah sich die Bundesregierung nach dem progressiven Atomausstieg gezwungen, alte Kohlekraftwerke beizubehalten und selbst neue bis 2039 ans Netz zu nehmen. Kohlekraftwerke sind die größten CO2-Schleudern. Die CO2-Bilanz Deutschlands verschlechterte sich nach der gefeierten Energiewende.

Obwohl die Deutschen den Ausbau der Erneuerbaren forcierten und auf eine installierte Leistung von nahezu 100 Megawatt zählen können, hat die Versorgungssicherheit abgenommen.

Im Jahr 2020 musste die Bundesrepublik mehr Strom importieren als in den Jahren davor. Laut Bundesnetzagentur flossen 33.000 importierte Gigawattstunden ins deutsche Stromnetz. Eine Steigerung von rund 36% gegenüber 2019. „Insbesondere bei Windstille oder Dunkelheit ist zur Deckung des Bedarfs Strom importiert worden“, schreibt die dpa.

Zwar nahm die Stromproduktion durch Erneuerbare stetig zu. Vornehmlich durch die Windkraft, mit einem Anteil von 26,5% am deutschen Mix letztes Jahr. Dennoch fiel der Export von deutschem Strom auf knapp 17.500 Megawatt-Stunden, halb so hoch wie 2019.

Es gibt zwar interessante Initiativen, die stabilisierend wirken können. Etwa „Nordlink“, ein 623 Kilometer langes Versorgungskabel, das seit kurzem Norddeutschland mit Norwegen verbindet. Die Norweger verfügen dank ihrer Topografie über 1.600 Wasserkraftwerke, die schnell zusätzlichen Strom produzieren können. Norwegens Stromversorgung beruht zu über 90% auf Wasserkraft, zu 6% auf Windenergie und zu 2% auf Erdgasnutzung. Die Norweger können es sich sogar erlauben, ihre Erdöl-Bohrungen „ökologisch“ mit Wasserkraft zu betreiben. Obwohl das norwegische Öl die gleiche Umweltproblematik darstellt wie die fossilen Cousins aus Saudi-Arabien oder Texas.

Über den „Nordlink“ können bis zu 1.400 Megawatt zwischen Norwegen und Deutschland ausgetauscht werden. Hydropower, wenn in Deutschland Windstelle herrscht. Oder umgekehrt deutsche Windkraft, wenn die Norweger besonders im Sommer ihre Wasserreserven schützen wollen.

Es ist mit Sicherheit nicht unvernünftig, verstärkt auf Windkraft zu setzen, um den steigenden Energiebedarf der Menschheit zu stillen. Technologische Neuerungen werden dabei helfen. Siemens bietet zwei neue Turbinenmodelle an, die eine Nennleistung von bis zu 5,8 MW haben. Problem: Die Rotoren haben einen Durchmesser von 155 respektive 170 Metern. Wahre Monster, gegen die sich nicht nur in Luxemburg Bürgerinitiativen wehren werden.

Auch bei den Speicherkapazitäten gibt es Fortschritte. Besonders thermische Stromspeicher könnten bei Netzschwankungen mobilisiert werden.

Doch wer daran glaubt, dass im Energiebereich Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen ist, darf nicht allein auf Wind, Sonne oder Wasser hoffen.

Klimaneutralität nicht ohne Atomkraft

Alle großen Nationen setzen weiterhin auch auf CO2-freie Nuklearenergie. China, die USA, Russland, Indien, Großbritannien, Frankreich. Selbst Japan. Oder die Türken. Oder die Polen. Die angekündigt haben, sie würden 2049 ihr letztes Kohlekraftwerk schließen, aber zur Absicherung vorher ein Kernkraftwerk bauen.

Dieser Artikel entstand am 1. Februar 2021. Ein Blick auf die Webseite der französischen Netzagentur RTE zeigt, wie die Energienachfrage in unserem Nachbarland schwankte. Nach einer morgendliche Spitze fiel der Bedarf stetig, um zur Mittagsstunde wieder anzusteigen. Um 13.15 Uhr wurde der französische Strombedarf abgedeckt zu 1% durch Bioenergie, 2 % durch Solar, 7% durch Wind, 9% durch Erdgas, 17% durch Hydro und 62% durch Nuklear.

Die Realitäten sind hart. Minister Turmes ist bestenfalls ein Träumer. Eher ein Gaukler. Er besitzt reale Fachkenntnisse, drückt sich aber vorbei an Fragen über Versorgungssicherheit, Netzanfälligkeit durch Erneuerbare und notwendige Back-ups.

Es ist einfacher, mit dem Scheckheft zu hantieren und Subsidien für Teslas, Elektrofahrräder und Wärmepumpen zu verteilen. Und die Besitzer von Diesel- und Benzin-Fahrzeugen zu bestrafen. Ganz zu schweigen von den 50.000 Haushalten, die nicht an das Erdgas-Netz angeschlossen sind und denen der Masut verteuert wurde. Ohne positive Auswirkungen auf das Klima. Besonders die Ökosteuer auf Treibstoffen wird nicht zu einer globalen Minderung der Tankvorgänge führen. Sondern, wie der Experte des Transportministeriums, Professor Ewringmann, festhielt, bloß zu einer regionalen Verlagerung. Der Planet wird dies nicht zur Kenntnis nehmen.

Sollte Luxemburg einmal durch einen Blackout getroffen werden wie derjenige, der am 8. Januar drohte, wird der Minister seine Hände in Unschuld waschen. Das Problem sei „importiert“, wird es devot heißen.

Nachhaltige Politik müsste eigentlich verantwortlicher sein.

* Robert Goebbels ist ein ehemaliger Minister (LSAP) und Europaabgeordneter.

CESHA
6. Februar 2021 - 7.47

Was eine solche "Energiewende" bringt, sieht man ja in Deutschland: Die Strompreise gehen durch die Decke!
Ich habe anfangs auch das Konzept "Weg von der Atom-Energie - mehr Sonnen- und Wind-Energie" begrüsst, bin aber inzwischen total enttäuscht von der Entwicklung

Ludovicy
5. Februar 2021 - 17.29

super Artikel ,
kuckt wat kennten mäer fir eis Emweltproblemer machen.
un eis Super Ministeren !
firwat gin Nuets eis Beleuchtung net ofgestallt. Do kennten mäer viel Energy (Co 2
an viel Souen spuren) ass alles machbar oder? Dann brauch eisen Super Minister den Sprit an eso weider net ant Luecht ze dreiwen. Et geet net dir fir viel zebraadelen och iwerleen wat ein selwer kent machen.
ein früstreerten Bieger.

en ale Sozialist
5. Februar 2021 - 17.29

Das Energieproblem ist, trotz vieler Möchtegernexperten, extrem komplex. Jeder fordert immer mehr Bequemlichkeit , ob zuhause oder unterwegs, der Stromverbrauch steigt und steigt. Aber die Hochspannungsleitungen sollen dort errichtet werden wo sie weder Mensch noch Natur zu nahe kommen. Sonst klagen wir über Elektrosmog. Aber Fernseher und Computer permanent im standby Modus ist durchaus normal. Der Fortschritt trifft auch auf seine Grenzen spätestens wenn er auf Kosten der Lebensqualität und der Gesundheit geht. Übrigens entspricht es nicht der "political correctness", dass ein ehemaliger Minister a.D. seine Nachfolger öffentlich kritisiert. Etwas mehr Zurückhaltung und Demut /Bescheidenheit wären in diesem Falle angebracht. Minister Goebbels war seinerzeit auch nicht ohne Fehl und Tadel.

Gilles
5. Februar 2021 - 6.36

Herr Goebbels hat vollkommen Recht. Er spricht sich ja nicht gegen die "Erneuerbaren Energien" aus, sondern er fordert ein valides Backup. In Zukunft könnten Laufwellen-Reaktoren eine grosse Rolle spielen, wenn es denn politisch gewollt ist. Damit könnte man sich auch des leidigen Themas Atommüll entledigen, inklusive der Möglichkeit einer Energieproduktion für einige hundert Jahre. Dann sei noch gesagt, dass es eigendlich keine erneuerbaren Energien gibt. Energie kann nicht erneuert werden, sie wird lediglich in eine Form umgewandelt die der Mensch möglicherweise nicht mehr nutzen kann. Windkraft und Solarenergie sind sicherlich gute zusätzlich Energieerzeuger, aber keineswegs dazu gedacht die Energieversorgung, hier die Stromversorgung, alleine aufrecht zu erhalten. Zumals die Elektrizität ja auch noch die fossilen Brennstoffe ersetzen soll um unsere Mobilität zu gewährleisten. In naher Zukunft sehe ich auch noch kein Flugzeug welches seine Energie aus Lithium-Akkus bezieht...

am Wangert
4. Februar 2021 - 21.55

Umweltministerin and Energieminister blenden die physikalische Realität ganz einfach aus. Irrationales Denken und Handeln bestimmen ihre Politik. Teure und aberwitzige Lösungsvorschläge gegen Gott und die Welt rechtfertigen das politische Vorgehen der beiden Minister. Verblendung ist Trumpf!

Après Ski Party?
4. Februar 2021 - 15.21

Ich bin gespannt was Turmes auf Ihren Artikel antworten wird, Herr Goebbels? Ich denke eher gar nicht. Ob er ein Träumer oder ein Gaukler ist weiß ich nicht, mir kommt er eher vor wie ein Sekten Guru. Ich bin stolzer Besitzer eines elektrische Kaffeevollautomaten und eines elektrischen Staubsaugers und fahre weiter Diesel und Benziner, egal wie hoch die CO2 Steuer wird.??

de spëtzbouf
4. Februar 2021 - 14.57

@mstvulux. es bleibt Ihnen auch nichts anderes übrig, als Herrn Goebbels recht zu geben. Der Mann hat immer recht.

Illia
4. Februar 2021 - 12.59

Seit einiger Zeit sind die Erneuerbaren billiger als andere Methoden, ganz zu schweigen davon, dass Öl und Gas noch immer heftig Subventionen kassieren, wahrscheinlich weil sie eine junge, kaum 100jährige Industrie sind.

mstvulux
4. Februar 2021 - 12.56

Ich gebe Herrn Goebbels zu 100% recht.
Man kann eben nicht alles gleichzeitig haben wollen.
Kein Atom, keine Kohle, aber immer Strom aus der Steckdose.
Unsere Zivilisation ist ohne sicher Energieversorgung nicht vorstellbar.

en ale Sozialist
4. Februar 2021 - 9.16

Ein früherer Minister, der einen heutigen Kollegen als Träumer oder Gaukler bezeichnet, sagt so Manches über Ersteren aus. Eine solide Prise Arroganz und Selstherrlichkeit eines " elder statesman ". Herr Goebbels sollte etwas bescheidener sein und sich damit abfinden, "qu'on ne peut pas être et avoir été ". Der Strassen-und Bautenminister hat sich auch von niemandem dreinreden lassen und verpasste auch nie eine Einweihung eines "seiner" Bauwerke u.a. die als "Robby-Rondel " bezeichneten Kreisverkehre.