Tageblatt: Benjamin Kruithof, Sie sind jetzt auf dem Sprung zu einer internationalen Solistenkarriere. Wann ist denn die Entscheidung dazu gefallen, eine Solokarriere anzustreben, und nicht die eines Orchestermusikers?
Benjamin Kruithof: Also die endgültige Entscheidung habe ich noch nicht getroffen (lacht). Momentan habe ich mich noch nicht definitiv festgelegt. Ich mag beide Richtungen und kann mir das eine so gut wie das andere vorstellen. Momentan stehen allerdings die Solokonzerte im Mittelpunkt, das stimmt. Bedingt durch meinen Gewinn verschiedener Wettbewerbe werde ich dann auch eher zu Solistenkonzerten eingeladen. Für mich passt das im Moment. Ich denke, es ist wichtig, dass alles, was man als Künstler tut, sich gut und stimmig anfühlt.
Sie haben die Wettbewerbe angesprochen, die ja an sich immer ein zweischneidiges Schwert sind.
Genau, sie sagen nicht unbedingt etwas über das Können des Musikers aus. Manchmal hat man einen guten Tag, manchmal einen weniger guten. Vieles hängt auch vom Orchester ab und von dem Instrument, auf dem man spielt. Und natürlich von der Jury: Da hat auch jeder seine eigenen Vorstellungen. Mir helfen diese Wettbewerbe, mit dem Druck umzugehen. Wettbewerbe sind ein Ziel. Und eines ist sicher: Durch Wettbewerbe wird man besser. Man ist als Musiker gezwungen, darauf hinzuarbeiten, die Konzentration zu schärfen und sich auf das Wesentliche zu fokussieren. Die Wettbewerbe führen dann unweigerlich zu Solokonzerten oder eben Kammermusikkonzerten. Beides liebe ich und macht mir auch sehr viel Spaß. Ich finde es spannend, zu reisen, Menschen zu begegnen, den Konzertbetrieb von innen kennenzulernen. Natürlich sind bei den Finalisten-Konzerten auch viele Agenturen und Konzertveranstalter im Saal.
Durch Wettbewerbe wird man besser. Man ist als Musiker gezwungen, darauf hinzuarbeiten, die Konzentration zu schärfen und sich auf das Wesentliche zu fokussieren.
Was ist denn oft das Ausschlaggebende bei den Wettbewerben?
Ganz oft ist es eben die Tagesform. Denn alle Finalisten sind eigentlich gleichwertig, da gibt es kaum noch Niveauunterschiede. Was aber oft entscheidend sein kann, ist die Wahl des Instruments. Wenn ich auf einem hervorragenden, alten Cello spiele, was viel lauter, schöner, dynamischer und farbiger klingt als die meiner Mitstreiter, habe ich schon Pluspunkte. Denn auf meinem Guadagnini-Cello, das ich momentan spiele, kann ich weit mehr herausholen als auf einem nur guten modernen Instrument. Demnach wird auch meine Interpretation reicher an Klang, an Farben und an Details.
Sie gehören seit kurzem zu den Künstlern der bekannten Agentur Askonas Holt, was ja schon fast eine Auszeichnung für einen jungen Musiker ist. Wie ist es dazu gekommen?
Nach dem Gewinn des Ensecu-Wettbewerbs in Bukarest hat mir die Agentur erst mal ein sogenanntes Mentoring angeboten. Jeder Gewinner eines Preises hat dieses Mentoring einer Agentur bekommen. Bei mir war es Askonas Holt. Ziel davon war, die jungen Künstler einerseits zu coachen und ihnen zu erklären, wie die internationale Musikszene funktioniert. Ich hatte aber bereits das große Glück, vieles zu wissen, weil ich, und auch viele andere luxemburgischen Musiker, durch unsere eigene Agentur Kultur:lx während der Corona-Zeit über Videomeetings in dieser Hinsicht bereits gebrieft worden waren. Ich habe dann die Meetings mit Askonas Holt eher dazu genutzt, ihnen zu zeigen, was ich alles mache und welche Engagements ich in der Zwischenzeit bekommen habe. Ich spielte zum Beispiel Konzerte im renommierten Concertgebouw in Amsterdam – so hat die Agentur gesehen, dass nach dem Gewinn des Wettbewerbs relativ viel bei mir los war. Ich hatte auch den ECHO-Preis gewonnen und, ja, Askonas Holt hat mich dann unter Vertrag genommen. Ich habe jetzt meinen Hauptmanager kennengelernt und bin gespannt, wie sich das jetzt weiterentwickeln wird. Man hat mir aber auch gesagt, dass wegen der Pandemie zuerst die schon verpflichteten Musiker wieder neu aufgebaut werden, erst dann wird man sich den Neuzugängen widmen. Und dann werde ich mit meinem Manager überlegen, wie wir das langfristig planen und ausbauen werden. Die Konzerte werden aber erst frühestens in der Spielzeit 24/25 sein, jetzt muss ich erst einmal sehr viel Repertoire lernen.
Schon Ideen, wie das aussehen sollte?
Natürlich möchte ich viele Konzerte geben. Aber, und das ist mir sehr, sehr wichtig, ich will mich nicht kaputtmachen und nicht von Konzert zu Konzert hetzen. Ich möchte ausgeglichen bleiben und auch genug Freizeit haben, denn nur so kann ich dann auch gute Konzerte spielen. Ich möchte auch nicht zu viel verschiedenes Repertoire spielen. Das war in den letzten Monaten der Fall und ist enorm anstrengend. Also auch ein ausgeglichenes Repertoire ist mir sehr wichtig.
Luxemburger Solisten, die international unterwegs sind, kann man an einer Hand abzählen. Hat man es als Luxemburger schwieriger, sich im Ausland durchzusetzen?
Das hängt von vielen Faktoren ab. Proportional gesehen haben wir sehr viele gute Musiker. Und auch das Niveau unserer Ausbildung ist in den letzten Jahren wirklich hochkarätig geworden. Unsere Musiker können in den Konservatorien ebenfalls auf sehr guten Instrumenten spielen, was sehr wichtig ist. Unsere Ausbildung kann durchaus mit der des Auslands mithalten. Und Françoise Groben war und ist für uns junge Musiker noch immer ein gutes Beispiel. Sie war eine wirklich integre und außergewöhnliche Cellistin und hat als eine der ersten den Schritt aufs internationale Parkett gewagt. Cathy Krier, Sabine Weyer, Francesco Tristano, Jean Müller, Zala Kravos, sie alle sind exzellente Vertreter unseres Landes und international sehr geschätzt. Und es werden noch viele gute Musiker nachrücken.
Sie haben die Instrumente angesprochen. Sie selber spielen auf einem Guadagnini-Cello aus dem 17. Jahrhundert. Wie kommt man als junger Musiker an solch ein wertvolles Instrument?
(lacht) Durch Glück und Zufall. Solche Instrumente sind ja kaum zu bezahlen. In der Universität der Künste gab es das Guadagnini-Cello, das im Moment nicht gespielt wurde und eigentlich für einen Professor gedacht war. Mein Lehrer setzte sich dafür ein, dass die Universität mir dieses Instrument für einen Wettbewerb zur Verfügung stellt. Und irgendwie ist es dann dazu gekommen, dass ich dieses Instrument nach dem Wettbewerb behalten durfte. Jedes Jahr wird der Vertrag verlängert, aber wenn ich die UDK verlasse, muss ich es natürlich zurückgeben. Dann muss ich mich auf die Suche nach Sponsoren machen, um ein gleichwertiges Instrument als Leihgabe zur Verfügung gestellt zu bekommen.
Sind die alten Instrumente wirklich besser?
Die alten Instrumente, die im Umlauf sind, sind jedenfalls enorm gut. Aber auch schwer zu spielen. Natürlich spielt auch der Mythos, der sich um die Instrumente von Guadagnini, Stradivari oder Gofriller rankt, eine Rolle. In all diesen Instrumenten, die nur von den Besten gespielt wurden, ist quasi die ganze Musikgeschichte eingeschrieben. All diese Instrumente haben ein unwahrscheinliches Klangpotenzial. Natürlich gibt es auch welche, die kaputt sind und nicht mehr gut klingen. In 300 Jahren kann so viel passieren … Ein hochwertiges modernes Cello klingt natürlich auch gut. Da muss auch jeder Musiker für sich entscheiden, auf welchem Instrument er spielen will.
Wie wichtig ist denn der Bogen?
Sehr wichtig. Denn nur mit dem richtigen Bogen klingt das Instrument optimal. Da muss man vieles ausprobieren. Ein Guadagnini-Cello, was von einem billigen Bogen gespielt wird, klingt nicht. Ich spiele momentan auf einem François-Xavier-Tourte-Bogen von 1780. Das war Wahnsinn. Vor einem Jahr habe ich auf einem hochmodernen Carbon-Bogen aus dem 3D-Drucker gespielt und das Resultat war ebenfalls fantastisch. Ich denke, es ist wichtig, dass Interpret, Instrument und Bogen eine Einheit bilden. Dann ist das Ergebnis optimal. Doch das ist sehr individuell und demnach bei jedem Musiker anders.
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