Erst Mord, dann Verteufelung: So funktioniert Propaganda nicht. Doch genau diese Strategie bemüht US-Präsident Donald Trump seit der Tötung des iranischen Generals Qassem Soleimani. Saddam Hussein, Osama bin Laden oder Abu Bakr al-Baghdadi waren verhasste und gefürchtete „household names“ – die Spitze der Al-Quds-Einheiten kannten hingegen weder normal sterbliche Europäer noch US-Amerikaner. Während viele Menschen die Tötung von Terroristen und Diktatoren zu Selbstverteidigungszwecken unterstützen, vermittelt der Fall Soleimani einen anderen Eindruck: Der US-Präsident hat impulsiv reagiert und eine verfeindete Nation direkt angegriffen. Dies scheint selbst viele konservative Amerikaner abzuschrecken: Ein kohärentes Narrativ oder Lügenkonstrukt wie zu Beginn des Irakkriegs fehlt dieses Mal.
Der Iran und die USA sind zwar längst in Stellvertreterkriege im Irak, Libanon, Jemen, in Syrien und im Golf verwickelt. Sie kämpfen aber auch an gemeinsamer Front gegen die Terrormiliz IS. Obschon das Atomprogramm des Iran umstritten ist, zeigten Umfragen letztes Jahr, dass nur eine Minderheit der Amerikaner den Iran fürchtet. Was die Mehrheit besorgt: ein direkter Krieg mit Teheran. Und dennoch schert sich Trump weder um internationales Recht, seine eigene Bevölkerung – noch um die klassische psychologische Vorbereitung eines Kriegs. Die Episode verdeutlicht demnach: Der US-Präsident agiert emotional und wird von den „Neocons“ in seinem Umfeld instrumentalisiert.
Genau diese Konservativen haben seit der Islamischen Revolution im Iran nur eins im Sinne: „Regime Change“. Ihr Hauptinteresse ist eher geopolitische Einfluss- als ökonomische Ressourcensicherung. Paradoxerweise kann man Trump eins nicht vorwerfen: ein ausgeprägter Interventionist zu sein. Wie hält man also einen Millionär davon ab, sich militärisch aus dem Nahen Osten zurückziehen? Indem man ihn mit schwarzem Gold lockt. Seine engsten Berater versuchen, den US-Rückzug aus dem Irak und Syrien zu verhindern, indem sie Trump vor der wirtschaftlichen Einflusserweiterung des Iran in beiden Staaten warnen. Dies funktioniert so gut, dass er letztes Jahr nach der Tötung des IS-Anführers Al-Baghdadi stolz zugab: Den USA gehe es nur ums Öl. Die US-Truppen würden die Ölfelder in Syrien sichern, das US-Unternehmen ExxonMobil könne satte Profite erwirtschaften.
Was auch diese Episode zeigt: Trump lebt in einer Traumwelt aus den 1980er Jahren. Kein US-Unternehmen würde sich heute ohne Langzeitgarantie für Sicherheit in Syrien niederlassen. Man ließ Trump jedoch in diesem Glauben, um das eigentliche Ziel zu verfolgen: den US-Rückzug zu verhindern und das Öl aus den Händen der Terrormiliz IS zu halten. Sie hatte sich im Irak und in Syrien genau durch diese Profitquellen am Leben gehalten. Und hierin besteht die eigentliche Tragik der kopflosen US-Außenpolitik: Am Ende könnte die totgeglaubte Terrormiliz der große Gewinner sein. Denn je mehr der Irak im Zuge des USA-Iran-Konflikts destabilisiert und wieder zum gescheiterten Staat wird, desto leichter können sich Terroristen einnisten und von dort aus Terroranschläge vorbereiten – die auch uns wieder in Europa treffen könnten.
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