Dienstag, Punkt 7.30 Uhr: Der Schulhof des LCD-Gebäudes in der rue Joseph Merten füllt sich langsam, aber sicher. Vor der Schule fahren erste Busse vor. Dazwischen drängen sich so manche Personenwagen. «Ech si wahrscheinlech méi opgereegt wéi mäi Jong», sagt eine Mutter, die ihren Wagen nur sehr schlecht in die Parknische bekommt. «Ech fuere soss besser!” Der Sprössling verabschiedet sich lediglich mit einem kaum wahrnehmbaren Schulterzucken.
7.40 Uhr: Auf alle Bänke des Schulhofes werden Schnellhefter und Bücher gelegt, rundherum diskutieren Schüler. «Wir haben heute Morgen mit Musikgeschichte gleich unser Hauptfach auf dem Programm», sagt ein Schüler der F-Sektion. «Es geht also gleich ans Eingemachte.» Und weiter: «Ech brauch nach e bësse Rou a kucken nach séier eng Kéier iwwert dat, wat mer musse wëssen.» Beim Anblick des wohl 200 Seiten umfassenden Dossiers, das er in seinen zittrigen Händen hält, überlassen ihm die anderen einen Platz in einer ruhigen Ecke.
Große Nervosität
7.45 Uhr: «Ich bin der Meinung, dass unsere Abiturienten dieses Jahr nervöser sind als die der Vorjahre», sagt ein Lehrer. «Ob das an der schulfreien Woche lag, die sie nun hatten? Vielleicht hatten sie zu viel Zeit, um nachzudenken.» In der freien Woche habe er viele Fragen seiner Schüler per E-Mail erhalten. Er führt das ebenfalls auf eine große Nervosität zurück.
7.53 Uhr: Die Spannung steigt merklich, damit einhergehend auch die Nervosität. Eine Lehrerin tröstet eine Handvoll Schüler: «Heute seid ihr noch mega nervös, morgen sieht die Welt schon ganz anders aus.» Die Antwort kommt postwendend. Eine Schülerin sagt: «Oder vielleicht auch nicht. Wenn ich heute in meinem Hauptfach bereits ‹eng komme loossen›, dann bin ich morgen mit Sicherheit nicht weniger nervös als heute.» Dann führt sie sich schnell ein Stück Traubenzucker zu Gemüte. «Es hilft vielleicht nichts, aber schaden tut es auch nicht», sagt sie mit einem Schmunzeln.
Prüfung in der Turnhalle
7.56 Uhr: LCD-Direktor Marcel Kramer sperrt die Tür zur Sporthalle auf, die zum Examenssaal umfunktioniert wurde. Als jeder seinen Platz gefunden hat, beginnt er seine Ansprache mit dem Satz «De groussen Dag ass elo do!» Er erklärt noch einmal die «Spielregeln» und ruft ein letztes Mal dazu auf, dass jeder Schüler sein Mobiltelefon ausschalten und es in den Schulranzen legen soll, der am Rande des Saals abgelegt werden muss. «Ich erinnere daran, dass niemand ein Mobiltelefon bei sich tragen darf. Das Gleiche gilt auch für Smartwatches oder Ähnliches. Wer sich nicht daran hält, läuft Gefahr, vom Examen ausgeschlossen zu werden.»
Nur Sekunden später werden die ersten Fragebögen verteilt, die bei einigen Schülern ein Kopfsenken, bei anderen ein Kopfschütteln – und bei wieder anderen ein Händereiben hervorrufen.
Die Schüler der A-Sektion beginnen mit einer französischen Textanalyse, die der B-Sektion müssen gleich an die Mathematik ran. Die C-Schüler haben Biologie auf dem Programm, bei der D-Sektion steht «Economie politique» auf der Tagesordnung. Die E-Schüler müssen sich in «Histoire des arts plastiques” beweisen, das Wissen in puncto «Histoire de la musique» steht bei den F-Schülern auf dem Prüfstand. Und auf dem Programm der G-Sektion stehen am Dienstagmorgen die Sozialwissenschaften.
Von Roger Infalt
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