BelgradDer Balkan bangt vor dem Coronavirus

Belgrad / Der Balkan bangt vor dem Coronavirus
Serbiens Präsident Aleksandar Vucic im Februar in Brüssel. Ende Februar hatte der Präsident trotz der weltweiten Coronavirus-Krise noch Grund zum Witzeln. Doch mittlerweile ist den meisten Politikern in Südosteuropa die Lust auf Corona-Witze vergangen. Foto: AFP/Aris Oikonomou

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Lange schien der relativ isolierte Balkan vor dem Coronavirus weitgehend gefeit. Doch die steigende Zahl der Infektionen lässt die Beschwichtigungen der Würdenträger zunehmend den Sorgen weichen.

Zumindest Serbiens allgewaltiger Landesvater verspürt trotz der weltweiten Coronavirus-Krise noch Grund zum Witzeln. Erst hatte Präsident Aleksandar Vucic Ende Februar seine Landesleute mit dem launigen Bekenntnis verblüfft, dank des Virus einen „zusätzlichen Grund“ für sein tägliches Gläschen Alkohol zu haben. Dann ließ er bei seiner Pressekonferenz den Belgrader Pulmologen Branimir Nestorovic scherzend verkünden, dass Frauen ruhig nach Italien zum Shopping fahren könnten: Dort gebe es nun „große Preisnachlässe“. 

Nur wenn die „pharmazeutische Mafia“ sicher sei, dass die Verbreitung des Virus bis zum nächsten Jahr anhalte, werde sie einen Impfstoff herstellen, orakelt Serbiens nationalpopulistischer Vormann. Auf die Verbreitung populistischer Verschwörungstheorien setzt auch der sozialistische Außenminister Ivica Dacic. Es stehe außer Frage, dass die Coronavirus-Krise „Teil eines speziellen Kriegs gegen China“ sei, verkündete Serbiens Chefdiplomat nach seiner kürzlichen Reise ins Reich der Mitte. 

Serbiens Außenminister Ivica Dacic (l.) traf noch Ende Februar in China den chinesischen Außenminister Wang Yi
Serbiens Außenminister Ivica Dacic (l.) traf noch Ende Februar in China den chinesischen Außenminister Wang Yi Foto: AFP/Roman Pilipey

Doch den meisten Politikern in Südosteuropa ist die Lust auf Stammtischwitze und alternative Viruswahrheiten längst vergangen. Lange schien der relativ isolierte Balkan vor dem Coronavirus gefeit. Doch inzwischen ist nur in Kosovo und Montenegro noch kein Fall von Covid-19-Infektionen bestätigt worden. Auch in Südosteuropa beginnen die Beschwichtigungen und die demonstrative Sorglosigkeit der Würdenträger angesichts der Nähe zum Adria-Nachbar Italien und steigender Infektionszahlen zunehmend der Sorge zu weichen. 

Furcht vor Rückkehr der Gastarbeiter aus Norditalien

84 bestätigte Coronavirus-Fälle in Griechenland, 25 in Slowenien, 17 in Rumänien, 13 in Kroatien, in allen anderen Staaten noch unter zehn: Noch wirkt die Zahl der Infektionen in der Region gering. Doch es ist vor allem die Furcht vor der Rückkehr und eines verfrühten Osterurlaubs zehntausender Gastarbeiter aus Norditalien, die vor allem Rumäniens geschäftsführende Regierung auf drastische Maßnahmen zur Eindämmung der Verbreitung des Virus setzen lässt.

Ab Mittwoch sind im Karpatenstaat alle Kindergärten und Schulen geschlossen. Die heimischen Airlines haben ihre Flüge nach Norditalien eingestellt. Rumäniens Behörden fordern derweil ihre Landsleute in Italien dazu auf, auf den jährlichen Osterurlaub in der Heimat in diesem Jahr zu verzichten: Denn Einreisenden aus Risikogebieten drohe eine 14-tägige Quarantäne. Auch Kroatien hat eine Einreise-Quarantäne für alle Personen aus Risikogebieten angeordnet – darunter das deutsche Heinsberg. 

Lange schien der relativ isolierte Balkan vor dem Coronavirus gefeit
Lange schien der relativ isolierte Balkan vor dem Coronavirus gefeit Foto: Darko Vojinovic/AP/dpa

Neben der Furcht vor der Verbreitung des Virus ist es vor allem die Sorge vor den wirtschaftlichen Folgen, die die nach jahrelanger Durststrecke zuletzt wieder auf kräftigen Wachstumskurs segelnden Balkanstaaten vor einem Rückfall in die Krise bangen lässt. An den Folgen der Weltwirtschaftskrise von 2008 hatten Staaten wie Kroatien oder Serbien fast ein halbes Jahrzehnt zu knabbern. Kräftige Tourismus-Einbußen sind für Kroatien schon jetzt absehbar. Je länger die Coronavirus-Krise anhalte, desto schwerer seien die wirtschaftlichen Folgen, so der kroatische Ökonom Vuk Vukovic: „Wir müssen auf jeden Fall mit einer Rezession rechnen.“